FALLEN FROM GRACE

Kapitel 21

Theo

„So, wer genau ist diese Maja und wieso hast du ihren Namen noch nie zuvor in meiner Gegenwart erwähnt?"

Fantastisch. Erst seit zwei Stunden war Wyatt in der Stadt, vor wenigen Minuten hatte ich ihm von unseren Plänen für den heutigen Abend erzählt und schon begann er Fragen zu stellen, die ich wirklich nicht beantworten wollte, weil ich wusste, dass sich daraus nur noch mehr Fragen ergeben würden.

„Wir sind zusammen zur Schule gegangen", antwortete ich so kurz und knapp wie möglich. Wie zu erwarten, hob Wyatt argwöhnisch die Augenbrauen. „Ihr seid zusammen zur Schule gegangen? Das ist alles? Weshalb treffen wir uns dann mit ihr?"

Gut, ein paar mehr Informationen musste ich ihm anscheinend doch liefern. „Sie wohnt um die Ecke und hat mir in den letzten beiden Wochen ab und an geholfen. Mich durch die Gegend gefahren und so." Ich zuckte mit den Schultern. „Befreundet sind wir auch... irgendwie." Wenn ich ihm erzählte, dass Maja und ich früher beste Freunde gewesen waren, würde er erst recht wissen wollen, weshalb ich sie nie erwähnt hatte.

Wyatt lachte. „Klingt ja mysteriös."

Es hatte mich sehr viel Disziplin gekostet, mich am Freitagabend oder Samstagmorgen nicht bei Maja zu melden, um sicher zu gehen, dass sie das Treffen mit Lucas unbeschadet überstanden hatte. Heute Morgen hatte ich endlich einen vertretbaren Grund gehabt, ihr zu schreiben, schließlich musste ich sie noch über die konkreten Pläne für heute Abend informieren. Sie hatte mir geantwortet, wenn auch nur sehr knapp, weshalb ich wenigstens wusste, dass sie noch am Leben war. In etwa einer halben Stunde würde sie uns abholen, dann konnte ich sicherstellen, dass auch alle ihre Körperteile noch intakt waren.

Ich wusste selber nicht genau, weshalb ich mir solche Sorgen machte. Vielleicht lag es daran, dass ich mir sicher war, dass das Telefonat von letzter Woche etwas mit Lucas zutun hatte. Hinzu kam das ungute Gefühl, das ich in seiner Anwesenheit verspürt hatte und das mich seitdem nicht wieder losließ.

Während ich mit den Gedanken bei Maja war, spazierte Wyatt in meinem Zimmer umher. „Hier bist du also aufgewachsen", sagte er und betrachtete mit kritischer Miene die leeren Wände und registrierte mit Sicherheit das Fehler jeglicher persönlicher Gegenstände. Meine Mum hatte mir angeboten, einige Sachen von oben für mich zu holen, doch ich hatte es abgelehnt. Ich wollte mich hier nicht häuslich einrichten, ich wollte nicht ständig vor Augen haben, dass ich mich plötzlich wieder an einem Punkt in einem Leben befand, den ich eigentlich lange hinter mir gelassen hatte. Am wenigsten wollte ich die Pokale sehen, die ich während der Schulzeit von verschiedenen Turnieren mit nach Hause gebracht hatte und die alle aufgereiht auf einem langen Regalbrett in meinem ehemaligen Zimmer standen. Unterschriebene Trikots von Spielern, in deren Fußstapfen ich treten wollte, Medaillen für zweite Plätze, Auszeichnungen oder Urkunden für besondere Leistungen... all das lagerte im Obergeschoss dieses Hauses. Am liebsten würde ich es verbrennen.

„In diesem Zimmer bin ich nicht aufgewachsen", erklärte ich Wyatt. „Aber Treppen sind aktuell... schwierig."

Er stoppte seinen Rundgang und drehte sich zu mir um. Musterte meine Knie-Orthese. Ich stellte mich innerlich auf eine volle Ladung Mitleid ein und schaltete auf Durchzug. „Schwierig weil es dir physisch nicht möglich ist, oder schwierig weil es Schmerzen verursacht?" Überrascht horchte ich auf. Das war kein Mitleid.

„Theoretisch ist es physisch möglich, aber die Schmerzen sind bei mehr als drei Stufen kaum erträglich", antwortete ich, obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte, was das für einen Unterschied machte. Wyatt nahm sich den Stuhl, der vor dem leeren Schreibtisch stand und setzte sich verkehrt herum darauf, sodass er seine Arme auf der Rückenlehne aufstützen konnte.