FALLEN FROM GRACE

Kapitel 24

Maja

Fassungslos starrte ich Wyatt an. Wenn seine Vermutung stimmte, dann...

„Aber das würde bedeuten, dass Theo seine Profikarriere vergessen kann", murmelte ich. „Entweder wird er rechtzeitig wieder fit und spielt noch für ein paar Monate, schafft es aber nicht die NHL, weil sein Knie nach der Zeit am College endgültig kaputt ist. Oder er lässt sich jetzt noch einmal operieren und schafft es dadurch nicht mehr rechtzeitig zurück in die Mannschaft, fällt leistungsmäßig zurück, was bedeutet, dass die Scouts das Interesse an ihm verlieren. Hab ich das richtig verstanden?"

Wyatt nickte und der Schmerz in seinen Augen bewies, wie viel Theo ihm bedeutete und wie sehr er sich wünschte, Unrecht mit seiner Vermutung zu haben.

„Er hat jahrelang darauf hin gearbeitet. Der Sport bedeutet ihm alles. Wenn ihm jetzt auch noch der letzte Funken Hoffnung genommen wird, dass er bald wieder spielen kann..." Kopfschüttelnd verstummte ich. Theo hatte mir bereits vorgeworfen, dass ich ihn nicht verstand, dass ich mich nicht in seine Lage hinein versetzen konnte. Das mochte stimmen, aber es hinderte mich nicht daran, ihm den Schmerz nehmen zu wollen, den das Zerplatzen seines Lebenstraums in ihm auslöste.

„Ich weiß", stimme Wyatt mir zu. „In der Hinsicht sind wir uns sehr ähnlich. Vermutlich einer der Gründe, weshalb wir uns von Anfang an so gut verstanden haben. In seiner Situation wäre ich mindestens genauso wütend und verzweifelt wie er. Und ich verstehe auch, dass er meine Vermutung nicht wahrhaben möchte. Solange er sich nicht untersuchen lässt, gibt es keine Beweis dafür, dass etwas nicht stimmt. Er möchte sich lieber durch den Schmerz kämpfen, als vernünftig zu handeln. Ich würde das gleiche tun."

„Dann seid ihr beide ignorante Idioten", schnaubte ich, woraufhin Wyatt freudlos lachte.

„Da kann ich dir leider echt nicht widersprechen", gab er zu. „Darf ich dich um einen Gefallen bitten, Maja?"

Ich nickte, ohne zu wissen, worauf ich mich einließ. Wyatt seufzte und sagte: „Du hast das Thema angesprochen, du wolltest mit mir über Theo und seinen aktuellen Zustand reden, deshalb weiß ich, dass er dir wichtig ist. Ich muss Mitte der Woche wieder abreisen und bis dahin werde ich weiter versuchen, Theo zur Vernunft zu bewegen. Aber ich fürchte, dass dafür die Zeit nicht reicht. Ich möchte dich nicht unter Druck setzen oder dich zu irgendetwas zwingen, es ist wirklich nur eine Bitte. Könntest du nach meiner Abreise da weitermachen, wo ich aufhöre?"

„Theo ist stur. Und er wird mit Sicherheit nicht auf meine Ratschläge hören, schon gar nicht wenn es um Eishockey geht. Das ist ein schwieriges Thema zwischen uns beiden."

„Ihr kennt euch schon ewig, deine Meinung ist ihm bestimmt nicht egal." Wyatt zuckte mit den Schultern. „Im Endeffekt ist es seine Entscheidung. Aber wenn ihm genug Menschen, deren Meinung er schätzt, gut zureden, besteht die Chance, dass er sich richtig entscheidet."

Ich schaute eine Weile aus dem Fenster, beobachtete die vorbeifahrenden Autos, bevor ich mich wieder Wyatt zuwandte und langsam nickte. „Ich werde es versuchen. Aber versprechen kann ich nichts."

Theo

Ich hasste mich selbst dafür, aber irgendwann begann ich, die Stunden bis zu Wyatts Abreise herunter zu zählen. Immer wieder fing er an, mir einzureden, dass ich mich noch einmal untersuchen lassen sollte. Ich konnte und wollte es nicht mehr hören.

Ja, die Heilung dauerte lange. Mein Sturz war aber auch verdammt unglücklich gewesen und hatte mir alles zerfetzt und zertrümmert, was mein Knie vorher zuverlässig zusammen gehalten hatte. Natürlich brauchte es Zeit, bis alles wieder schmerzfrei funktionierte. Eine weitere Untersuchung wäre lediglich verschwendete Zeit, weshalb ich wirklich froh war, als Wyatt am Mittwochnachmittag zum Flughafen aufbrechen musste. Nate hatte angeboten, ihn zu fahren und ich hatte entschieden, die beiden nicht zu begleiten. Einerseits aufgrund von Wyatts Überzeugungsversuchen, andererseits weil ich wenig Lust auf die halbstündige Rückfahrt alleine mit meinem Bruder hatte. Auf dessen gut gemeinte Ratschläge konnte ich ebenfalls verzichten.