Kapitel 55

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Theo

Daraus, wie friedlich Maja einige Zeit später in meinen Armen schlief, schloss ich, dass mein Versuch, sie von ihren Sorgen abzulenken, erfolgreich gewesen war. Ich konnte nicht ganz einschätzen, ob sie das Gefühl gehabt hatte, ich würde derartiges erwarten, oder welchem anderen Gedankengang ich ihre Revanche verdankte. Vermutlich hätte ich sie aufhalten müssen, aber der egoistische Teil von mir hatte ihre Berührung zu sehr genossen.

Im Gegensatz zu Maja fand ich lange nicht in den Schlaf. Die nächsten Tage würden für sie zweifellos schwieriger werden als für mich und ich hatte mir bereits vor dem Abflug fest vorgenommen, sie nicht noch zusätzlich mit meinen Problemen zu belasten, was mir bisher nur mäßig gut gelungen war. Ich hoffte, dass sie sich nun nicht zusätzlich auch noch Gedanken darüber machte, wie wir zueinander standen. Es reichte, wenn ich das tat.

Wie viel hatte ich am Dienstag kaputt gemacht? War es klüger, unsere Beziehung auf freundschaftliche Ebene zu beschränken? Auf diese Weise lief ich weniger Gefahr, sie zu verletzen oder mit in den Abgrund zu zerren, der in meinem Innern klaffte. Meinetwegen war ich für den Rest meines Lebens Majas bester Freund. Die letzten 12 Stunden in ihrer Nähe hatten ausgereicht, um mich ein für alle mal davon zu überzeugen, dass ich ihr alles geben würde, was sie sich von mir wünschte. Ich hasste mich für mein Verhalten in den letzten Tagen, hasste mich dafür, dass ich möglicherweise eine sehr glückliche Zukunft verspielt hatte, bevor sie überhaupt beginnen konnte. Aber trotz alle dem lag Maja nun in meinen Armen, was mich hoffen ließ, dass unsere Freundschaft noch nicht verloren war und damit würde ich mich zufrieden geben.

Maja

Es war eine seltsame Nacht. Eigentlich hatte ich keinen Zweifel daran, dass ich schlief. Dennoch spürte ich die ganze Zeit über Theos Nähe, war mir seiner Berührung sehr bewusst und fühlte mich in seinen Armen so geborgen wie nie zuvor.

Am nächsten Morgen blieb ich mit geschlossenen Augen liegen, weil ich nach dem Aufwachen nicht sofort bereit war, Abstand von ihm zu nehmen. Es war wirklich ein Jammer, dass er es inzwischen bereute, mich am letzten Wochenende geküsst zu haben. Um mich selbst vor weiteren Enttäuschungen zu schützen, sollte ich die Hoffnung aufgeben, dass er mich am Dienstag nur von sich gestoßen hatte, weil er der Meinung war, seine Probleme alleine bekämpfen zu müssen. Entweder wollte er mich nicht so, wie ich ihn wollte, oder er konnte diese Nähe aktuell einfach nicht zulassen. Das würde ich akzeptieren, so schwer es mir auch fiel.

„Bist du wach?"

Theos Stimme so dicht an meinem Ohr zu hören, noch rau vom Schlaf, löste ein angenehmes Kribbeln in meiner Magengegend aus. Derartige Reaktionen meines Körpers galt es in Zukunft zu vermeiden.

„Mh", erwiderte ich nur, ohne zu wissen, was mich verraten hatte. Meine Augen hatte ich konsequent geschlossen gehalten, obwohl Theo mein Gesicht ohnehin nicht sehen konnte.

„Wie geht es dir?" Es war eine simple Frage und dennoch war ich mir im ersten Moment nicht sicher, worauf Theo anspielte. Wollte er nur wissen, wie ich geschlafen hatte? Oder wollte er über das sprechen, was gestern Abend passiert war? Gerade rechtzeitig, bevor ich mich komplett blamieren konnte, realisierte ich, was er eigentlich meinte. Mit unvorhersehbarer Wucht überrollte mich die Realität dessen, was mir heute bevorstand, wie eine Flutwelle.

„Was mache ich hier eigentlich?", fragte ich leise, und war mir selber nicht einmal sicher, wem die Frage galt. Theo oder mir selbst?

Theo strich mit seinem Daumen über meinen Rücken. „Du holst dir Antworten auf Fragen, die du dir seit sieben Jahren stellst."

„Es fühlt sich eher so an, als würde ich geradewegs auf eine riesige Enttäuschung zusteuern."

„Kann sie dich noch mehr enttäuschen, als sie es schon getan hat?"

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt