Maja
Theo wollte kein Mitleid, doch in diesem Moment konnte ich nicht anders als ihn zu bemitleiden. Es musste wirklich schlecht um ihn stehen, wenn er seine Verzweiflung derart offen mir gegenüber kommunizierte.
„Theodore Harris. Flehst du mich gerade wirklich an, mit dir befreundet zu sein?"
„Als anflehen würde ich das nicht bezeichnen", entgegnete er mit gequältem Gesichtsausdruck. „Und wenn du mich noch einmal Theodore nennst, überleg ich mir das ganze sowieso nochmal."
Mein Lachen klang eher wie ein Schnauben. „Du bist derjenige, der mit mir befreundet sein will und jetzt stellst du auch noch Bedingungen? Ich nenn dich, wie ich möchte, Theodore."
Theos Gesichtsausdruck verdüsterte sich, aber er wusste mit Sicherheit genauso gut wie ich, dass er mir nicht widersprechen konnte. Er war in keiner Position, um Anforderungen zu stellen. Noch immer war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt mehr Zeit mit ihm verbringen wollte. Natürlich tat er mir leid und ich wenn dies meine Möglichkeit war, ihm zu helfen, sollte ich es zumindest versuchen. Trotzdem... Theo wieder in mein Leben zu lassen, und sei es nur für eine kurze Zeit, würde alte Wunden aufreißen. Anscheinend waren wir nicht in der Lage, unsere Probleme von damals aufzuarbeiten, ohne uns streitend im Kreis zu drehen. Konnte ich die Vergangenheit einfach ignorieren und so tun, als sie nie etwas passiert? Oder würde Theos Präsenz in meinem Leben dazu führen, dass ich tagtäglich daran erinnert wurde, wie sehr er mich damals verletzt hatte? Vermutlich musste ich es einfach ausprobieren. In ein paar Wochen war er wieder weg, die Zeit bis dahin würde ich schon überstehen. Ich hatte schließlich bereits schlimmeres durchlebt.
„Also gut, dann sind wir halt Freunde", sagte ich schulterzuckend, woraufhin Theo triumphierend grinste. Seine Wut und Verzweiflung schienen mit einem Mal wie weggeblasen. Aktuell war er wirklich unberechenbar. „Wie genau stellst du dir diese Freundschaft denn vor?", fragte ich ihn, leicht misstrauisch. „Müssen wir gemeinsam shoppen gehen und uns die Haare flechten? Oder brauchst du nur jemanden, bei dem du dich auskotzen kannst?"
„Wenn du mir unbedingt die Haare flechten möchtest, werde ich dich nicht aufhalten", entgegnete Theo, blickte dabei jedoch etwas zweifelhaft. Zurecht, denn so lang, dass man sie problemlos flechten könnte, waren seine Haare nicht. „Auskotzen werde ich mich vermutlich regelmäßig bei dir, aber ich hoffe wie gesagt auch, dass du mir weiter schonungslos deine Meinung sagst. Ich brauche einfach ein bisschen Ehrlichkeit und Normalität in meinem Leben."
Theo
„Du bist spät dran. Wo warst du denn die ganze Zeit?", fragte meine Mutter, sobald ich durch die Haustür trat. Hatte sie im Flur auf mich gewartet oder vom Küchenfenster aus beobachtet, wie ich durch den Vorgarten gekommen war?
„Ich glaube ich bin alt genug, um dich nicht mehr darüber informieren zu müssen, wo ich mich wann aufhalte", murmelte ich im Vorbeigehen. Ihr zu erklären, mit wem ich den Abend verbracht hatte, würde nur zu weiteren Fragen führen, die ich nicht beantworten wollte. Ohne Zweifel wäre meine Mutter begeistert ohne Ende, wenn sie erfuhr, dass ich bis eben gerade mit Maja zusammen gewesen war. Schließlich hatte sie Maja letzte Woche zum Essen eingeladen. Außerdem hatte meine Mutter nicht versucht, mich anzurufen, weshalb ich mich auch nicht dafür rechtfertigen musste, sie ignoriert zu haben. Wusste sie überhaupt, dass ich mein Handy inzwischen wieder eingeschaltet hatte und damit wieder erreichbar war? Wenn nicht, würde ich es ihr nun bestimmt nicht mitteilen.
„Theo", stoppte sie mich mit strengem Ton. Ich verdrehte die Augen, drehte mich aber dennoch zu ihr um.
„Was?" Mein unhöflicher Ton war unangemessen, keine Frage. Wieder einmal. Doch die Energie, daran zu arbeiten, fehlte mir nach diesem Tag.
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FALLEN FROM GRACE
RomanceTheo und Maja sind zusammen aufgewachsen, haben Höhen und Tiefen gemeinsam durchlebt - jetzt ist von ihrer Freundschaft nichts mehr zu spüren. Doch als der talentierte Eishockeyspieler Theo gezwungen wird, in die Heimat zurückzukehren, begegnen sich...