Theo
Da ein weiterer Abstecher zum Haus von Majas Mutter heute nicht auf dem Plan stand, nutzten wir die Tatsache aus, in Florida zu sein. Wir genossen die Wärme und den Sonnenschein, verbrachten viel Zeit am Hotelpool und am Strand. Obwohl Maja das Thema kein einziges Mal ansprach, konnte ich ihr anmerken, dass ihre Gedanken immer wieder zu ihrer Mutter wanderten. Immer wenn ihr Blick leicht glasig wurde und sie schweigend in die Ferne schaute, wurde der Kloß in meinem Hals größer. Würde sie ihre Meinung ändern, wenn sie wüsste, was ich wusste? Würde sie ihre Schwester sehen wollen? Es gab mehrere Momente, in denen ich kurz davor war, ihr von meinem gestrigen Alleingang zu erzählen. Doch dann kehrte Maja in die Gegenwart zurück und lächelte mich voller Glück und Zuneigung an und die Angst schloss wieder ihre Krallen um mich. Dieses Glück und diese Zuneigung würden ihr jähes Ende finden, sobald ich ihr die Wahrheit sagte.
Heute Morgen, kurz vor dem Anruf ihres Bruders, hatte es einen Moment gegeben, den ich nicht aus meinen Gedanken verdrängen konnte. Maja hatte unseren Kuss unterbrochen und mich mit absoluter Entschlossenheit angesehen. Sie hatte meinen Namen gesagt und ihren Satz begonnen, bevor sie vom Klingeln ihres Handy abgelenkt worden war. Nach dem Telefonat war ich mit den Gedanken woanders gewesen, doch nun fragte ich mich, was Maja mir hatte sagen wollen. Möglicherweise lag ich mit dieser Vermutung total daneben, aber was wenn sie mir ihre Gefühle hatte gestehen wollen? Natürlich war das zwischen uns mehr als Freundschaft und ich wusste, dass sie vor einigen Jahren in mich verliebt gewesen war, schließlich hatte sie mir das erst vor kurzem erzählt. So sehr mein Herz auch bei der Vorstellung jubilierte, dass diese Gefühle nun wieder erwacht waren, so sehr fürchtete ich mich auch davor. Denn ich wusste, dass Maja mich mit anderen Augen sehen würde, wenn sie wusste, was ich gestern gemacht hatte. Je mehr sie für mich empfand, desto größer wäre auch der Schmerz, wenn ich sie enttäuschte oder verletzte. Konnte ich wirklich so egoistisch sein und mein Wissen einfach für mich behalten?
Nein.
Die Antwort lautete nein, konnte ich nicht.
Während Maja in der nächsten Nacht friedlich in meinen Armen schlief, lag ich stundenlang wach, weil meine Gedanken und Sorgen mir keine Ruhe ließen. In den frühen Morgenstunden kam ich endlich zu der Erkenntnis, dass die Wahrheit der einzige richtige Weg war, wenn ich die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit Maja nicht schon jetzt aufgeben wollte.
Als Maja sich irgendwann regte, schlug mir das Herz bis zum Hals, doch ein Rückzieher kam nicht infrage. Für ein paar Minuten kuschelte sie sich an mich, wachte langsam auf und ich konnte nicht anders, als diese Momente in vollen Zügen zu genießen und für immer abzuspeichern. Vielleicht waren es die letzten dieser Art.
„Guten Morgen", murmelte Maja und obwohl sie ihr Gesicht noch an meiner Brust verborgen hatte, hörte ich das Lächeln in ihrer Stimme. Weshalb war ich nicht einfach im Auto sitzen geblieben? Weshalb war ich überhaupt dorthin zurück gefahren? Mein Schweigen brachte Maja dazu, den Kopf zu heben und mich anzusehen. Ich wusste nicht, was mein Gesicht über meine Emotionen und Gedanken verriet, aber Maja runzelte die Stirn, als sie es erblickte. „Alles okay?"
Ich schloss die Augen, weil ich die Sorge in ihrem Blick nicht ertrug.
Jetzt wo sie wusste, dass etwas nicht stimmte, konnte ich die Wahrheit nicht länger vor mir herschieben. Ich musste es hinter mich bringen und hoffen, dass sie mir wie durch ein Wunder verzeihen würde. Und wenn sie das nicht tat, hatte ich genau das verdient.
„Sie heißt Matilda."
Ich öffnete sie Augen und konnte förmlich sehen, wie sich die Rädchen in Majas Kopf drehten. Wie sie versuchte, meine Worte einzuordnen und zu verstehen. „Wer?", fragte sie, als sie zu keinem Ergebnis kam.
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FALLEN FROM GRACE
Roman d'amourTheo und Maja sind zusammen aufgewachsen, haben Höhen und Tiefen gemeinsam durchlebt - jetzt ist von ihrer Freundschaft nichts mehr zu spüren. Doch als der talentierte Eishockeyspieler Theo gezwungen wird, in die Heimat zurückzukehren, begegnen sich...