Kapitel 13

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Theo

„Eine Bedingung?", fragte ich mit gerunzelter Stirn. Das konnte nichts gutes bedeuten. Vermutlich wollte Maja, dass ich mein Verhalten gegenüber ihr und möglicherweise auch anderen Menschen änderte, indem ich lernte, meine Wut zu zügeln. Falls ihre Bedingung beinhaltete, dass sie mich zu weiteren Verabredungen schleppte, die soziale Interaktion erforderte, konnte sie lange auf meine Einwilligung warten, weshalb ich mich bereits darauf einstellte, keine weiteren Spaziergänge zum Hof zu machen.

„Bitte mich um Hilfe, wenn du sie benötigst", sagte Maja.

„Wieso sollte ich deine Hilfe benötigen?" Wie wollte sie mir überhaupt helfen? Wollte sie mit mir über meine Gefühle oder ähnlichen Unsinn reden?

Maja verdrehte die Augen, als sei die Antwort auf meine Frage offensichtlich. „Ist es jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen, dass du deine Verletzung schon vergessen hast?" Anstatt ihr zu antworten, schaute ich sie möglichst grimmig an, woraufhin sie fortfuhr: „Falls du irgendwann zu erschöpft sein solltest, um den Weg wieder zurück zu gehen, fahre ich dich. Aber du musst deinen Stolz überwinden und mich fragen. Wenn du mir das nicht versprichst, muss ich dich leider doch vom Hof jagen."

„Das ist keine weite Strecke", entgegnete ich schroff. „Die schaffe ich." Nicht ohne Schmerzen und enorme Anstrengung, aber das ging Maja nichts an. Sie zuckte mit den Schultern und entfernte sich ein paar Schritte von mir. Als ich sie zurückkam und ich sah, was sie geholt hatte, lachte ich beinahe laut auf. Schon wieder. Es war mir ein Rätsel, wie es Maja gelang, mich immer wieder aus der Reserve zu locken. Mit den Spitzen der Mistgabel auf mich gerichtet, näherte sie sich mir. Langsam wich ich zurück, obwohl ich mir absolut sicher war, dass Maja mich nicht wirklich verletzen würde.

„Es gibt zwei Alternativen", teilte sie mir mit. „Entweder lässt du dir helfen oder du bist aktuell so fit, dass du vor mir weglaufen kannst."

Ich fragte mich, wie weit sie gehen würde. Wie lange konnte ich meinen Widerstand aufrecht erhalten, bevor ich zugeben musste, dass sie Recht hatte? „Oder ich bleibe einfach hier stehen und lass mich von dir aufspießen", präsentierte ich ihr eine dritte Alternative und stoppte meinen Rückzug.

„So lebensmüde bist du nicht", meinte Maja, doch auch sie blieb stehen und ließ die Mistgabel sinken. „Nur stur."

„Das dürfte dich nun nicht wirklich überraschen."

Sie nickte. „Stimmt. Stur warst du schon immer."

Ein paar Sekunden lang sahen wir uns schweigend an. Irgendetwas in ihrem Blick brachte mich dazu meinen Mund zu öffnen und zu sagen: „Wenn die Schmerzen zu stark sind, gebe ich dir Bescheid." Sie lächelte und ich fühlte mich in längst vergangene Zeiten zurück versetzt. Zeiten, in denen ich dieses Lächeln täglich gesehen hatte und oft sogar dafür verantwortlich gewesen war.

„Eine sehr vernünftige Entscheidung", lobte sich mich. „Es wäre mir auch echt schwer gefallen, dich aufzuspießen."

„Wieso?", fragte ich mit aufrichtiger Neugier. In den letzten Monaten und Jahren hatte sie mir nicht den Eindruck vermittelt, dass es sie sonderlich interessierte, was mit mir geschah. Gut, mich umzubringen wäre vielleicht trotzdem etwas extrem. Wenn ich Majas Gesichtsausdruck richtig deutete, fand sie meine Nachfrage ziemlich seltsam.

„Mir ist schon bewusst, dass wir in den letzten Jahren kaum Zeit miteinander verbracht haben", sagte sie. „Aber dass du mir einen Mord zutraust, überrascht mich doch ein bisschen."

„Ich weiß, dass du alles erreichst, was du dir in den Kopf setzt, deshalb beruhigt es mich, dass du mich nicht umbringen möchtest."

Ein überraschter Ausdruck erschien auf Majas Gesicht, doch sie kommentierte meine Aussage nicht. Stattdessen griff sie in ihre Jackentasche und holte ihr Handy heraus, dessen Display einen eingehenden Anruf anzeigte. Von wem, konnte ich nicht erkennen. Maja runzelte die Stirn. „Ich hasse es, wenn mich fremde Leute anrufen", murmelte sie, nahm den Anruf aber dennoch an. „Hallo?"

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt