Theo
„Hast du schon Pläne für morgen, während Theo bei der Physio ist?", fragte Maja Wyatt, als sie uns einige Stunden später wieder bei mir zuhause absetzte. Obwohl der Abend eigentlich nur dem Zweck hatte dienen sollen, Wyatt davon abzulenken, wie trostlos mein Leben gerade war, hatte ich ihn in vollen Zügen genossen. Meine Verletzung war komplett in den Hintergrund gerückt, sodass ich zeitweise völlig vergessen hatte, wie aussichtslos meine Zukunft war.
Was ich wiederum nicht vergessen hatte, war Lucas. Doch in Wyatt Anwesenheit wollte ich Maja nicht auf das Treffen ansprechen, weshalb ich mich für's Erste damit zufrieden geben musste, dass sie anscheinend wohlauf war.
Bevor Wyatt auf ihre Frage antworten konnte, fuhr Maja schon fort: „Falls nein, würde ich anbieten, dir in der Zeit ein bisschen was von der Stadt zu zeigen. Dann könnte ich euch beide wieder hier abholen, wir setzen Theo bei der Physio ab und vertreiben uns die Wartezeit mit ein bisschen Sightseeing oder so. Natürlich nur wenn du Lust hast."
Damit wäre dann auch geklärt, ob Wyatt ihr sympathisch war oder nicht. Natürlich hatte ich kein Problem damit, dass die beiden sich gut verstanden, aber ich war kein sonderlicher großer Fan davon, dass sie in meiner Abwesenheit Zeit miteinander verbrachten. Ich wollte nicht, dass sie hinter meinem Rücken über mich redeten und das würde morgen definitiv passieren.
„Klar, klingt super", entgegnete Wyatt. Fantastisch. Morgen Abend durfte ich mir dann sicherlich anhören, dass auch Maja der Meinung war, dass ich mich noch einmal untersuchen lassen sollte.
Maja
Seit Freitagabend war ich nicht zur Ruhe gekommen. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er platzen. Zu viele Gedanken rasten miteinander um die Wette, pausenlos.
Gestern Abend war ich kurz davor gewesen, dass Treffen mit Theo und seinem Freund abzusagen, einfach weil ich nicht wusste, ob ich dazu in der Lage sein würde, mich zusammenzureißen und mir nichts anmerken zu lassen. Doch ich hatte befürchtet, dass Theo im Falle eine Absage die falschen Schlüsse ziehen und davon ausgehen würde, dass Lucas mir irgendetwas angetan hatte. Indirekt mochte das vielleicht stimmen, aber ich hatte es schließlich so gewollt. Theo auf Lucas loszulassen war keine Lösung. Also hatte ich nicht abgesagt und es zu meiner eigenen Überrascht tatsächlich geschafft, die Realität für ein paar Stunden auszublenden und den Abend einigermaßen zu genießen.
Nein, das war gelogen.
Ich hatte den Abend sehr genossen.
Wyatt war ein netter, offener Mensch und sogar Theo war überraschend guter Laune gewesen. Ein paar mal hatte es sich beinahe so angefühlt, als säße mir wieder mein bester Freund gegenüber. Diese Momente hatte ich besonders genossen.
Theo erwähnte Lucas mit keinem Wort, doch ich war nicht so naiv zu glauben, dass er die Sache vergessen hatte. Vermutlich hinderte ihn allein Wyatt daran, mich nach dem Verlauf des Treffens zu fragen.
Auch mein Plan, mich mit Wyatt über Theos aktuellen psychischen Zustand auszutauschen, scheiterte kläglich. Deshalb hatte ich vorgeschlagen, die Zeit während Theos heutiger Physio-Einheit mit Wyatt zu verbringen. So wie ich ihn gestern kennengelernt hatte, zweifelte ich nicht daran, dass er etwas dagegen haben würde, wenn wir statt des vorgeschlagenen Sightseeings über das Wohlergehen seines Freundes sprachen. Natürlich hintergingen wir Theo damit in gewisser Weise, aber am Ende des Tages würde es ihm hoffentlich zugute kommen.
Als ich die beiden am Nachmittag abholte, war Theo deutlich schlechter gelaunt als am Vorabend. Da Wyatt genauso fröhlich wirkte wie gestern, bezweifelte ich, dass dieser Stimmungswechsel an einer möglichen Auseinandersetzung den beiden lag, sondern vermutete eher, dass die Aussicht auf Physik-Therapie Schuld war. Nach den Sitzungen war Theo aufgrund seiner geringen Fortschritte bisher nie gut drauf gewesen.
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FALLEN FROM GRACE
RomanceTheo und Maja sind zusammen aufgewachsen, haben Höhen und Tiefen gemeinsam durchlebt - jetzt ist von ihrer Freundschaft nichts mehr zu spüren. Doch als der talentierte Eishockeyspieler Theo gezwungen wird, in die Heimat zurückzukehren, begegnen sich...