Kapitel 37

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Maja

Der Vormittag mit Nolan hatte gut getan, keine Frage. Und doch hatte mein Herz ab dem Moment, in dem Theos Nachricht auf meinem Handy eintraf, höher geschlagen. Natürlich hätte ich ihn auch ohne die Aussicht, hinterher zum Essen eingeladen zu werden, zur Physio gefahren. Dennoch wollte ich das Angebot nicht ausschlagen, da ich mir sehr viel schlimmere Dinge vorstellen konnte, als mit Theo essen zu gehen. Über die Bezahlung konnten wir ja später immer noch reden.

Ich erzählte Nolan nichts von den vielen Stunden, die ich in den letzten Tagen mit Theo verbracht hatte. Was sollte ich ihm denn auch sagen? Ich verstand nicht, was bisher zwischen uns passiert war und noch weniger konnte ich einschätzen, was noch passieren würde. Für den Moment musste ich erst einmal selber mit der ganzen Sache klar kommen, bevor ich das Chaos in meinem Innern durch die Meinung anderen Menschen verstärkte.

Entgegen meiner Befürchtungen, was die Fahrt zur Physiotherapie nicht unangenehm. Sollte Theo die letzten beiden Nächte bereuen oder sich aus sonst einem Grund unwohl in meiner Nähe fühlen, so ließ er es sich nicht anmerken. Auch hatte er die Mauer aus Wut, die er in den ersten Tagen nach seiner Rückkehr allen präsentiert hatte, nicht wieder aufgebaut, sondern war anscheinend bester Laune.

„Wie war die Arbeit?", fragte er mich, während er mit den Fingern im Takt der Musik auf das Armaturenbrett trommelte.

„Ich hatte frei", antwortete ich. „Mein Vater war so begeistert von dem Zustand des Hühnerstalls, dass er mir ein langes Wochenende gegönnt hat."

„Da haben wir wohl richtig gute Arbeit geleistet!"

Wir?" Ich wandte den Blick kurz von der Straße ab, um ihn ungläubig anzuschauen. „Was genau hast du denn gemacht, außer im Weg rumzusitzen?"

Theo lachte. „Ich habe moralischen Beistand geleistet, das darfst du nicht unterschätzen."

„Ah."

„Ah? Was soll das denn heißen? Bezweifelst du etwa, dass meine Anwesenheit maßgeblich zur Sauberkeit des Hühnerstalls beigetragen hat?"

Sofort schüttelte ich mit übertrieben viel Enthusiasmus den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Ohne dich hätte ich das niemals geschafft." Der Sarkasmus in meiner Stimme brachte Theo erneut zum Lachen. Anstatt das Gespräch fortzuführen, genoss ich einfach nur den Klang dieses Lachens.

Während Theo bei der Physiotherapie war, nutzte ich das gute Wetter und machte einen Spaziergang in der Nähe der Praxis. Aus Erfahrung wusste ich, dass Theos Laune nach seinen Physio-Terminen oft im Keller war und ich hoffte sehr, dass es heute anders sein würde. Ich verstand seine Wut und Verzweiflung, aber dennoch zog ich den gut gelaunten Theo dem schlecht gelaunten vor.

Er kam pünktlich aus dem Gebäude, in dem sich die Praxis befand. Ich versuchte seine Stimmung einzuschätzen, während er sich mir näherte, doch sein Gesicht war verschlossen und dadurch unlesbar. Anstatt direkt ins Auto einzusteigen, trat er zu mir und lehnte sich ebenfalls gegen die Kühlerhaube. Für ein paar Minuten schwiegen wir beide. Dann hörte ich Theo seufzen und im nächsten Moment sank sein Kopf auf meine Schulter.

„Möchtest du darüber reden?", fragte ich ihn zaghaft.

„Ist es in Ordnung, wenn ich nein sage?"

„Klar. Wenn du deine Meinung änderst, weißt du ja, wo du mich findest."

Wieder seufzte Theo und hob seinen Kopf von meiner Schulter. „Hunger?"

Ich nickte. „Immer. Was gibt's denn?"

Zu meiner Überraschung griff Theo nach meiner Hand. Seine Hand war warm und weich und ich versuchte mir nicht zu viele Gedanken darüber zu machen, wie richtig sich das hier anfühlte. „Wir können den Wagen hier stehen lassen, bis zu dem Restaurant, das ich rausgesucht habe, ist es nicht weit."

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt