Maja
Gemeinsam trafen Jacob und ich eine Entscheidung. Für den Moment würden wir unserem Vater nicht erzählen, was ich herausgefunden hatte. Obwohl ich mich nicht hundertprozentig wohl damit fühlte, ihm etwas derart wichtiges vorzuenthalten, gab ich meinem Bruder Recht, wenn er sagte, dass es unserem Vater ohne dieses Wissen vermutlich besser ging. Es war keine Entscheidung für die Ewigkeit. Ich selbst wusste schließlich auch noch immer nicht, ob ich die Nummer auf dem Zettel, den ich seit letztem Montag mit mir herumtrug, jemals nutzen würde. Wenn ja, gäbe es dafür nur einen Grund. Nicht meine Mutter, nein.
Matilda.
Ihre Existenz zu ignorieren, würde auf Dauer weder mir noch Jacob leicht fallen. Aktuell sah ich noch keine Möglichkeit, sie irgendwie in unser Leben zu integrieren, aber zum jetzigen Zeitpunkt waren die Wunden womöglich auch noch zu frisch, um in diese Richtung denken zu können. Stattdessen versuchte ich mich auf das zu fokussieren, was ich geschafft hatte.
Nach Jahren voller Zweifel und Fragezeichen hatte ich endlich Antworten bekommen. Ich war das Risiko eingegangen, noch tiefer enttäuscht zu werden, und laut meinem Bruder war das etwas, worauf ich stolz sein sollte. Tatsächlich fühlte ich mich freier. Seit der Rückkehr aus Florida und insbesondere seit dem Gespräch mit Jacob. Es fühlte sich an, als könnte ich nun endlich anfangen, richtig zu heilen.
Und dann war da noch Theo.
Seit unserem Gespräch am Flughafen hatte ich nichts von ihm gehört. Einen Vorwurf konnte ich ihm deswegen nicht machen, schließlich hatte ich ihm gesagt, dass ich erst einmal herausfinden musste, was sein Verhalten für uns beide bedeutete. Hinzu kam, dass mein Handy irgendwann komplett den Geist aufgab. Nachdem fast all mein Erspartes für Lucas' Recherche und die Reise nach Florida drauf gegangen war, kaufte ich mir nicht sofort ein Neues, sondern schickte das kaputte Handy ein, in der Hoffnung, dass es noch zu retten war. Für's Erste war ich deshalb nicht zu erreichen. Natürlich könnte Theo auch jederzeit persönlich vorbeikommen, wenn er dringend mit mir sprechen wollte. Aber das tat er nicht. Und das war okay. Wirklich.
Ich hielt mich schließlich auch zurück und stattete ihm keinen Besuch ab. Obwohl das Gefühl, hintergangen worden zu sein, noch immer schmerzte, wurde der Wunsch, Theo wiederzusehen, mit jedem Tag größer. Es war nur eine Frage der Zeit, bis mir keine andere Wahl mehr bleiben würde, als diesem Wunsch nachzugehen.
Am Samstagmorgen machten Jacob und Olivia sich wieder auf den Weg zurück ans College, jedoch nicht ohne mir noch mehrmals zu versprechen, dass ich sie beide jederzeit anrufen konnte und dass ich immer bei ihnen willkommen war. Ich wusste, dass es nun noch schwieriger werden würde, meine Gedanken auf etwas anderes zu fokussieren, als auf Theo und darauf, wie sehr ich ihn vermisste. Umso mehr freute ich mich, als Sienna ein paar Stunden später vor meiner Tür stand.
„Kannst du dir bitte einfach irgendein altes Handy besorgen? Es ist furchtbar, dich nicht erreichen zu können", beschwerte sie sich sofort.
„Am Montag soll ich mein Handy zurück bekommen", beruhigte ich sie. „Aber irgendwie ist es auch mal ganz cool, komplett offline zu sein. Ich hätte echt nicht gedacht, dass Social Detox wirklich so gut tut."
Sienna verdrehte die Augen und winkte ab. „Ja, super cool. Trotzdem mag ich es lieber, wenn ich weiß, was in deinem Leben abgeht." Bevor ich etwas erwidern konnte, griff sie nach meiner Hand und zog mich durch die Haustür nach draußen. „Komm, wir müssen los."
Verwirrt stolperte ich hinter ihr her. „Müssen wir? Was haben wir denn vor?"
„Überraschung", sagte Sienna nur und schob mich zur Beifahrerseite ihres Autos.
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FALLEN FROM GRACE
RomanceTheo und Maja sind zusammen aufgewachsen, haben Höhen und Tiefen gemeinsam durchlebt - jetzt ist von ihrer Freundschaft nichts mehr zu spüren. Doch als der talentierte Eishockeyspieler Theo gezwungen wird, in die Heimat zurückzukehren, begegnen sich...