Kapitel 59

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Maja

Theo bestand darauf, dass wir unseren Strandspaziergang abbrachen und auf direktem Weg zum Hotel zurückgingen. Mein nasses Kleid und meine nassen Haaren stellten aus seiner Sicht eine nicht akzeptable Gefährdung meiner Gesundheit dar, der ich mich auf keinen Fall länger als unbedingt nötig aussetzen sollte.

Obwohl ich die romantische Atmosphäre am Meer gerne weiter genossen hätte, konnte ich die knisternde Vorfreude nicht leugnen, die während unseres Rückwegs in mir aufstieg. Wenn ich den Kuss richtig gedeutet hatte, wollte Theo mich genauso sehr wie ich ihn wollte. Ich würde mich vollends damit zufrieden geben, wenn wir einen ruhigen, gemütlichen Abend miteinander verbrachten und es vorerst beim Küssen beließen, aber gleichzeitig fühlte ich mich bereit für sehr viel mehr. Dass Theo der erste Mensch sein würde, den ich so nah an mich heran ließ, erfüllte mich mit purer Zufriedenheit.

Bevor wir mit dem Aufzug nach oben zu unserem Zimmer fuhren, machten wir einen Abstecher zum Restaurant im Erdgeschoss. Meine Tasche mit meinen Wertsachen hatte ich heute Vormittag im Auto gelassen, doch mein Handy war bei meinem eleganten Sturz mit mir zusammen im Wasser gelandet. Als ich den Kellner nun um eine Schüssel mit ungekochtem Reis bat, stellte er keine Fragen, sondern nickte nur wissend und etwas mitleidig, und verschwand kurz in der Küche.

Während wir warteten und während wir anschließend nach oben fuhren, wurde Theo immer wieder von leisen Lachern durchgeschüttelt. Doch erst als wir in unserem Zimmer angekommen waren, ließ er sich rücklings auf's Bett fallen und lachte laut und ungehemmt, genauso wie vorhin am Strand. Ich platzierte die Schüssel mit meinem hoffentlich noch zu rettenden Handy auf dem kleinen Tisch vor dem Fenster, bevor ich mir ein Handtuch aus dem Bad schnappte und es mir um die Schultern legte. Die Klimaanlage war vermutlich den ganzen Tag gelaufen, was für eine angenehme Temperatur sorgte, mich aber in meinem noch immer leicht nassen Kleid sofort zittern ließ.

„Während du mich weiter auslachst, zieh ich mich mal eben um", teilte ich Theo mit, der sich nun halb aufrichtete und aufhörte, zu lachen. Doch ein breites Grinsen konnte er sich nicht verkneifen, als er erwiderte: „Alles klar. Aber pass auf, dass du nicht über irgendein Kleidungsstück stolperst und kopfüber ins Klo fällst."

„Ich werde mich bemühen", versprach ich ihm, nicht ohne einen bösen Blick in seine Richtung zu werfen, auf den er mit zu einem Kussmund gespitzten Lippen und einem Zwinkern reagierte.

Da wir das Zimmer heute bestimmt nicht mehr verlassen würden, griff ich nach dem übergroßen und ausgewaschenen T-Shirt, das ich auch schon in der letzten Nacht getragen hatte, und verschwand damit im Bad. Ich schälte mich aus meinem Kleid, hängte es zum Trocknen über die Duschwand und zog mir das T-Shirt über den Kopf. Dann versuchte ich meine inzwischen halbgetrockneten Haare vor dem Spiegel einigermaßen zu ordnen, ohne sichtbaren Erfolg. Ich tröstete mich damit, dass Theo mich während der letzten 19 Jahren schon so manches Mal in deutlich schlimmerem Zustand gesehen hatte.

Mit dem festen Vorhaben, mich sofort neben Theo unter die Bettdecke zu kuscheln, trat ich zurück ins Zimmer. Doch Theo lag nicht mehr auf dem Bett. Er war wieder aufgestanden und schaute aus dem Fenster, die Hände hatte er in den Taschen seiner kurzen Hose vergraben. Weil das Bett ohne ihn nur halb so verlockend aussah, stellte ich mich stattdessen hinter ihn und schloss kurzerhand die Arme von hinten um seine Mitte. Meine Wange legte ich an seinen Rücken.

„Hi", murmelte Theo, nahm die Hände aus seinen Taschen und strich in sanften Bewegungen über meine Arme.

„Ich bin nicht ins Klo gefallen und habe mir keine Verletzungen zugezogen", teilte ich ihm mit, woraufhin er leise lachte. „Das ist sehr beruhigend zu hören", entgegnete er und drehte sich in meinen Armen, bis wir uns ansehen konnten. Er strich mir die feuchten Haare aus dem Gesicht und ließ seine Hand anschließend an meiner Wange liegen. Mit einem Seufzen lehnte er sich ein Stück vor und küsste mich. Erst zurückhaltend und zärtlich, dann intensiver, leidenschaftlicher. Ich vergrub meine Hände in seinen Haaren, um ihn noch näher an mich heran zu ziehen. Theos Zunge glitt über meine Lippen, bat um Einlass, den ich ihm allzu gerne gewährte. Ich ließ von seinen Haaren ab, allerdings nur um nach dem Saum seines T-Shirts zu greifen und es nach oben zu schieben. Seine Haut fühlte sich weich und warm unter meinen Fingern an. Theo half mir, indem er seine Arme hob und für ein paar Sekunden mussten wir unseren Kuss unterbrechen. Doch dann lag Theos Shirt auf dem Fußboden und seine Lippen wieder auf meinen.

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt