Kapitel 18

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Theo

Wyatt wollte mich besuchen kommen.

Nicht gut.

Nach dem Spiel am nächsten Samstag hatte er ein paar Tage kein Training und hatte mich mit seiner Aussage, am Sonntag in den Flieger zu steigen, vor vollendete Tatsachen gestellt. Allein das Wissen, dass ich genauso handeln würde, wenn die Positionen vertauscht wären, hielt mich davon ab, mich meiner Wut komplett hinzugeben. Allerdings wusste ich auch, dass Wyatt nicht erfahren durfte, wie mein aktuelles Leben in meinem Elternhaus aussah. Auch wenn er es vielleicht nicht direkt aussprach, würde er mein Verhalten nicht gutheißen, sondern vermuten, dass ich mich in gewisser Hinsicht aufgegeben hatte. Was nicht der Wahrheit entsprach, doch auf Wyatt würde es so wirken.

Seit meinem letzten Gespräch mit Maja waren schon drei Tage vergangen, an denen ich mich nicht bei ihr gemeldet hatte. Das stand natürlich im Widerspruch zu meiner Bitte um ihre Freundschaft, aber ich wollte ihr auch nicht ständig auf die Nerven gehen, schließlich hatte sie auf dem Hof bestimmt einiges zutun und im Gegensatz zu mir auch andere Freunde, mit denen sie Zeit verbringen wollte. Ich wusste nicht, ob sie mir den Gefallen tun würde, aber wenn ich während Wyatts Besuch ein Treffen mit Maja organisieren konnte, wäre das ideal. Dann sah er, dass ich mich hier nicht von allen abschottete und gleichzeitig gab ich ihm damit die Möglichkeit, sich zusammen mit Maja über mich aufzuregen. Die beiden würden sich blendend verstehen, da war ich mir sicher.

Am Freitagmorgen schrieb ich ihr, um zu fragen, ob sie mich am späten Nachmittag wieder von der Physiotherapie abholen konnte. Erst bekam ich keine Antwort und nach etwa zwei Stunden einen simplen in die höhe gestreckten Daumen.

Als ich einige Zeit später aus dem Gebäude trat, entdeckte ich den Pick-Up sofort. Dieses Mal war sie nicht ausgestiegen, sondern wartete auf dem Fahrersitz. Sobald ich die Tür auf der Beifahrerseite öffnete, drang laute Musik an meine Ohren. Maja hatte die Augen geschlossen und bewegte ihre Lippen, ohne tatsächlich mitzusingen. Aufgrund der Lautstärke der Musik bezweifelte ich, dass sie meine Anwesenheit bemerkte. Ich stieg ein und zog die Tür mit einem definitiv hörbaren Knallen zu. Maja zuckte zusammen, riss die Augen auf und blickte mich panisch an.

„Bist du irre?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Nicht meine Schuld, wenn du so laut Musik hörst, dass du nichts mehr mitbekommst."

Mit einem bösen Blick in meine Richtung, drehte Maja die Lautstärke herunter. Entweder war sie schlecht drauf, oder ich hatte sie wirklich stark erschreckt und damit verärgert. Sie fragte mich nicht, wie die Physio gelaufen war, doch das war vermutlich mir selbst zu verdanken. Schließlich hatte ich ihr am Montag gesagt, wie sehr mich die Fragen meiner Mutter genervt hatten. Dabei hätte ich ihr heute sogar etwas positives antworten können. Manche Übungen klappten inzwischen tatsächlich besser und mit geringeren Schmerzen. Ich wollte meiner Hoffnung nicht zu viel Raum geben, aber ignorieren konnte ich diese Fortschritte auch nicht.

„Wie geht's dir?", fragte ich Maja, nachdem wir uns bestimmt fünf Minuten lang angeschwiegen hatten. Klar, sie war auf den Verkehr fokussiert, doch bei unseren letzten gemeinsamen Fahrten hatte sie das nicht davon abgehalten, mit mir zu sprechen. Davon abgesehen interessierte mich die Antwort auf meine Frage wirklich. Das seltsame Telefonat hatte ich noch immer nicht vergessen, obwohl ich inzwischen die Hoffnung aufgegeben hatte, mehr darüber zu erfahren.

Maja blickte mich irritiert an, bevor sie sich wieder der Straße zuwandte. „Gut", antwortete sie nach kurzem Zögern. „Und dir?"

Was wir hier gerade fabrizierten, war die schlimmste Art von Smalltalk. Fehlte nur noch, dass wir anfingen über das Wetter zu sprechen. „Wie war deine Woche?", fragte ich, ohne auf ihre Frage einzugehen. Die zu beantworten würde zu lange dauern.

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt