Kapitel 22

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Theo

„Und, bereust du es schon, das Treffen vorgeschlagen zu haben?", raunte Maja mir leise zu, während wir bei Giovanni's auf unsere Pizzen warteten. Es war einiges los und ich hoffte, von niemanden angesprochen zu werden, der mich erkannte und mir sein Mitleid aussprechen wollte.

„Nein, wieso sollte ich?" Maja hob die Augenbrauen und schenkte mir einen Blick, der vermutlich so viel sagen sollte wie: Das glaubst du ja wohl selber nicht. Aber es stimmte. Ich bereute keineswegs, dieses Treffen in die Wege geleitet zu haben. Klar, die beiden hatten sich während der Fahrt hierher weiter über mich lustig gemacht und sich lautstark über mein Verhalten beschwert, doch das bedeutete, dass meine Verletzung bisher mit keinem Wort erwähnt worden war. Wyatt redete nicht mehr von irgendwelchen weiteren Untersuchungen oder gar Operationen.

„Tut mir übrigens leid, dass Wyatt so schamlos mit dir flirtet", sagte ich nun im Flüsterton zu Maja, was vermutlich gar nicht nötig wäre, da der Geräuschpegel im Restaurant ziemlich hoch war und Wyatt ein paar Schritte entfernt von uns stand. Die letzte Viertelstunde war ein stetiger Wechsel zwischen Witzen auf meine Kosten und mehr oder weniger subtilen Anmachsprüchen gewesen.

Maja sah mich mit einer Mischung aus Verwunderung und Belustigung an. „Wieso denkst du, dass mich das stört?"

„Ich hab nie gesagt, dass ich das denke", erwiderte ich, etwas irritiert von ihrer Rückfrage.

„Indem du dich entschuldigt, suggerierst du aber doch, dass es mich stört."

„Ich..." Etwas hilflos suchte ich nach den richtigen Worten, während Maja mich herausfordernd anblickte. „Also stört es dich nicht?", fragte ich mit aufrichtiger Neugier.

Sie grinste mich frech an. „Ich habe nie gesagt, dass es mich nicht stört."

Moment. Was? Jetzt war ich verwirrt. Störte es sie nun? Oder nicht? Und warum war das für mich überhaupt relevant? Solange sie es mit Humor nahm, konnte es mir doch völlig egal sein. Aber das war es nicht. Aus einem mir unerklärlichen Grund interessierte es mich brennend, ob sie zu den Frauen gehörte, die auf Typen wie Wyatt standen und die Art von Aufmerksamkeit genossen, die er ihnen schenkte.

Doch bevor ich der Frage weiter nachgehen konnte, kam einer der Mitarbeiter aus der Küche und reichte uns unsere Pizzakartons. Ich zahlte und wir gingen zurück zum Auto, um weiter zum See zu fahren. Wyatt setzte seine Flirt-Offensive fort, indem er Maja die Fahrertür öffnete - falls es sie störte, ließ sie sich nichts anmerken.

Der Weg zum See war nicht mehr weit. Maja parkte dort, wo wir auch schon Anfang der Woche den Abend verbracht hatten und wir wechselten alle von der Fahrerkabine auf die Ladefläche des Pick-Ups. Klugerweise hatte Maja ein paar Kissen und Decken mitgebracht, damit es etwas gemütlicher war.

Mit großen Hunger stürzten wir uns auf unsere Pizzen und waren eine Zeit lang zu beschäftigt mit Essen, um irgendetwas zu sagen. Doch nachdem der erste Hunger gestillt war, lehnte Wyatt sich zurück und sah Maja mit schief gelegtem Kopf an. „Ihr seid also zusammen zur Schule gegangen", sagte er und machte eine Handbewegung in meine Richtung. Maja nickte, kauend. „Und was war er damals so für ein Typ?", fragte Wyatt grinsend.

Neugierig und auch etwas nervös sah ich zu Maja, die nachzudenken schien. Wenn sie Wyatt erzählte, wie gut wir befreundet gewesen waren und er daraufhin wissen wollte, weshalb wir es jetzt nicht mehr waren, wüsste ich wirklich nicht, wie ich antworten sollte. Maja und ich schafften es schließlich nicht einmal unter vier Augen, vernünftig darüber zu sprechen.

„In der Grundschule war er ein echt cooler Typ mit Ambitionen."

Aha? Ich hob fragend die Augenbrauen, doch sie schenkte mir nur ein schnelles Grinsen, bevor sie sich wieder Wyatt zuwandte, der im selben Moment fragte: „Ambitionen? Hatte er schon damals nur Eishockey im Kopf?"

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt