Kapitel 38

674 43 1
                                        

Maja

„Ich lass mich noch einmal untersuchen, du fliegst nach Florida zu deiner Mutter... wir machen Fortschritte", fasste Theo unsere Entschlüsse zusammen und prostete mir mit seinem Wasserglas zu. Obwohl ich meine Entscheidung getroffen hatte, fühlte sich das, was mir bevorstand, unfassbar beängstigend an und ich wusste, dass mir auf dem Weg dorthin noch einige Male der Mut abhanden kommen würde.

„Darf ich dir eine Frage stellen, Theo?", fragte ich, weil ich nicht zu viel über das nachdenken wollte, was mir bevorstand.

Er ließ das Wasserglas senken und sah mich neugierig an. „Klar"

„Was passiert, wenn all das vorbei ist?"

„Was genau meinst du? Wenn was vorbei ist?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Deine Untersuchung und alles andere. Was passiert, wenn du wieder fit bist?"

„Ganz egal was die Untersuchung ergibt, ich weiß, dass ich mir die Eishockey-Karriere abschminken kann. Wie oft müssen wir das noch durchkauen? Michigan ist Geschichte." Sein Ton war eine Spur schärfer geworden und seine ganze Körperhaltung suggerierte Abwehr. Dabei war es überhaupt nicht meine Absicht gewesen, seine Zukunft auf diese Weise zur Sprache zu bringen. Ich wollte auf etwas anderes hinaus.

In möglichst beschwichtigendem Tonfall erwiderte ich: „Dazu kann ich nichts sagen, ich weiß zu wenig darüber. Aber selbst wenn du nicht zurück nach Michigan gehst, wirst du wohl kaum hier bleiben, oder?"

„Ich... nein, vermutlich nicht. Was soll ich hier?"

„In Utah wird man kein Eishockey-Profi... das hast du früher immer gesagt", erinnerte ich mich.

„Tja, das hat sich ja nun eh erledigt." Theo trank einen großen Schluck und starrte so intensiv auf die Tischdecke, dass ich befürchtete, er könnte ein Lochen hinein brennen. „Wieso fragst du?"

„Ich bin drauf und dran mich an deine Anwesenheit in meinem Leben zu gewöhnen." Mit einer beunruhigenden Geschwindigkeit, um genau zu sein. „Wenn dieses Freundschafts-Ding nur eine vorübergehende Sache ist, wüsste ich das gerne jetzt, damit ich mich darauf einstellen kann, dass du bald wieder weg aus meinem Leben bist."

„Ich werde nicht weg sein." Mit einem Mal schaute er mich sehr ernst an. „Ich habe keine Ahnung, wie meine Zukunft aussehen wird, was ich mit meinem Leben machen soll und wo ich lande, wenn ich den ganzen Mist hinter mir gelassen hab. Aber du", er deutete mit dem Zeigerfinger in meine Richtung, „du wirst mich nicht wieder los."

„Erinnerst du dich noch an unseren Schwur?"

„Wir haben uns in die Hände gespuckt und die Hände dann aneinander gerieben." Angewidert verzog er das Gesicht. „Natürlich erinnere ich mich daran."

„Beste Freunde, ein Leben lang", wiederholte ich unseren Schwur von vor über zehn Jahren. „Davon sind wir in letzter Zeit ein wenig abgekommen, oder?"

„Ziemlich dumm von uns, wenn du mich fragst."

„Und du glaubst wirklich, dass wir es dieses Mal besser hinbekommen?"

„Ich würde gerne darauf verzichten, das mit der Spucke zu wiederholen, aber ja, das glaube ich. Beste Freunde, ein Leben lang." Über den Tisch hinweg, hielt er mir seine Hand entgegen. Ein paar Sekunden zögerte ich. Ein paar Sekunden, in denen die schmerzenden Erinnerungen gegen die schönen Erinnerungen kämpften. Dann ergriff ich seine Hand und nickte. Ein Lächeln huschte über Theos Gesicht. Meine Hand ließ er nicht los. Stattdessen strich er mit seinem Daumen über meinen Handrücken, was einen ziemlichen Tumult in meinem Bauch auslöste. Waren das... Schmetterlinge? Die gehörten ausgeschaltet, sofort. Ich zog meine Hand weg und brachte sie unter dem Tisch in Sicherheit. Theos Blick verharrte für einen Moment auf der Stelle, an der meine Hand gerade aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Dann wanderte sein Blick hoch zu meinem Gesicht und er schaute mir direkt in die Augen.

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt