Kapitel 63

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Maja

Meine Gedanken rasten, während ich auf die Antwort meines Bruder wartete. Wie sollte ich ihm erklären, dass ich in Florida war? Mit Theo?

„Ja, aber ich bin mir noch nicht sicher, ob wir heute die ganze Strecke fahren. Mal schauen wie schnell wir voran kommen."

„Ihr solltet eine Pause machen", sagte ich sofort und eventuell etwas zu hastig. „Das ist eine lange Strecke."

„Ich weiß, aber wir sind extra früh los gefahren, deshalb sollte es machbar sein. Wie geht's Dad?" Die Frage kam zögerlich und mit einem Unterton, den ich nur allzu gut kannte. Bei jedem unserer Gespräch schien mein Bruder damit zu rechnen, dass der Zustand unseres Vaters sich verschlechtert hatte. „Ganz gut, soweit ich das beurteilen kann", beruhigte ich ihn, während ich selber immer nervöser wurde. Ich gab mir einen Ruck. „Hör zu, Jacob. Ich bin erst morgen Abend wieder Zuhause, du müsstest also auch Dad Bescheid sagen, dass ihr kommt."

Stille. Dann: „Wie, du bist erst morgen Abend wieder Zuhause? Wo bist du?"

„In Florida?" Ich wusste selbst nicht, wieso ich es wie eine Frage klingen ließ.

„In Florida?" Wieso es aus Jacobs Mund wie eine Frage klang, war schon deutlich verständlicher. „Was machst du in Florida?"

„Urlaub", entgegnete ich und schaute zu Theo, der das Kissen mittlerweile wieder von seinem Gesicht genommen hatte und mich mit hochgezogenen Augenbrauen musterte.

„Du machst Urlaub in Florida?"

„Ja, ist das verboten?"

Jacob lachte. „Nein, natürlich nicht. Ich bin nur überrascht, weil du das nie erwähnt hast."

„War eine spontane Aktion", erklärte ich und betete, dass er es dabei belassen würde. Was er natürlich nicht tat. „Mit wem bist du da?" Ich könnte lügen. Ich könnte ihm die Namen anderer Freunde nennen und er würde mir vermutlich glauben. Aber aktuell standen schon genug Lügen zwischen Jacob und mir. „Theo", antwortete ich deshalb kurz und knapp.

Wieder herrschte am anderen Ende der Leitung Stille. Lediglich das Motorengeräusch ließ mich wissen, dass der Anruf nicht unterbrochen wurde. „Theo? Theo Harris?"

„Genau der", bestätigte ich.

Wieso?", war alles, was mein Bruder erwiderte.

Hilflos sah ich zu Theo, der mich aus irgendeinem Grund nur sehr breit angrinste. Was an dieser Situation so witzig sein sollte, war mir ein verdammtes Rätsel.

„Das ist eine lange Geschichte, kann ich die wann anders erzählen?" Auf diese Weise hatte ich wenigstens noch ein bisschen Zeit, um mir eine glaubhafte Erklärung zurecht zu legen.

„Meinetwegen", murmelte Jacob und wechselte dann, zu meiner unbändigen Erleichterung, das Thema: „Soll ich dich morgen vom Flughafen abholen?"

„Das wäre super!", dankte ich ihm für das Angebot. Ich versprach, ihm meine genaue Ankunftszeit noch zu schreiben, wünschte ihm eine gute Weiterfahrt und beendete das Telefonat schließlich mit leicht zitternden Händen.

Theo hatte die Arme inzwischen hinter seinem Kopf verschränkt. „Wie würde dein Bruder wohl reagieren, wenn er wüsste, dass wir beide gerade nackt sind? Oder wenn er wüsste, was wir gestern Abend gemacht haben?"

Stöhnend ging ich zurück zum Bett und ließ mich bäuchlings auf die Matratze fallen. Theos Frage ignorierte ich, was ihn nicht davon abhielt, einfach weiterzureden: „Wenn du ihm sagst, dass wir ein Wochenende zu zweit verbringen wollten, müsstest du ihm zumindest nicht den wahren Grund für diese Reise nennen." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Wirst du es ihm sagen?"

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt