Maja
Ich hatte nur Handgepäck dabei, schließlich würde ich nur für drei Nächte weg sein, weshalb ich direkt zur Sicherheitskontrolle gehen konnte. Dennoch warf ich mehrere Blicke in Richtung des Gepäckschalters unserer Airline, in der dämlichen Hoffnung, Theo dort irgendwo zu entdecken. Dabei wusste ich, dass er nicht kommen würde. Wenn doch, hätte er gestern auf meinen Anruf reagiert oder sich selbst bei mir gemeldet. Es sollte mich nicht wundern und schon gar nicht verletzen, schließlich war es mein eigener Fehler gewesen, ihm sein Versprechen abzukaufen. Hatte er nicht oft genug bewiesen, dass er nicht gut darin war, seine Versprechen zu halten?
Beste Freunde, ein Leben lang.
Ja, sicher.
Ich passierte die Sicherheitskontrolle und machte mich direkt auf den Weg zu meinem Gate. Bis zum Abflug dauerte es zwar noch eine Weile, aber ich fand einen guten Platz, von dem ich das Rollfeld im Blick hatte und die startenden und landenden Flugzeuge beobachten konnte. Immer wieder wanderte mein Blick auch über die anderen wartenden Passagiere, doch Theo tauchte nicht auf.
Schließlich begann das Priority Boarding und kurze Zeit später wurden auch die restlichen Passagiere aufgerufen. Ich reihte mich in die Schlange ein, ließ mein Ticket scannen und ging durch die stickige Gangway in Richtung Flugzeug. Wie immer dauerte der Weg bis zur richtigen Reihe lange, weil immer wieder Passagiere auf dem Gang stehen blieben, wenn sie ihren Platz gefunden hatten. Als ich die Reihe schließlich erreichte, hob ich meinen Koffer über den Kopf, um ihn in der Gepäckablage zu verstauen. Doch der Koffer war schwerer als in meiner Erinnerung und drohte, mir zu entgleiten. Bevor er seinen Absturz starten konnte, kam wie aus dem Nichts eine große Hand und stütze ihn. Gemeinsam mit meinem Helfer gelang es mir nun, den Koffer in die Ablage zu heben. Ich wollte mir gerade umdrehen und mich bedanken, als der Ärmel des Oberteils meines Helfers ein Stück herab rutschte und ein Armband zum Vorschein kam.
Es war großes Glück, dass mein Koffer inzwischen sicher verstaut war, denn sonst hätte ich ihn in diesem Moment definitiv fallen gelassen. Fassungslos fuhr ich herum und starrte Theo an, dessen Lippen zu einem schiefen Lächeln verzogen waren. Aber ich hatte nicht die Absicht, dieses Lächeln zu erwidern.
„Wieso bist du hier?", fragte ich stattdessen und war mir durchaus bewusst, dass ich alles andere als freundlich klang.
Theos Lächeln verrutschte etwas. „Wo sollte ich denn sonst sein?"
„Überall", erwiderte ich. „Überall, aber nicht hier."
„Möchtest du nicht, dass ich mitkomme?" Warum klang Theo bei dieser Frage derart verletzt? Und wieso, um alles in der Welt, machte sich daraufhin sofort ein schlechtes Gewissen in mir breit? Ich hatte mich nicht falsch verhalten, er war derjenige, der-
„Könnten Sie das bitte an einem Ort klären, wo Sie nicht das gesamte Boarding aufhalten?", ertönte in diesem Augenblick eine genervte Stimme von Theos anderer Seite. Der Mann hatte Recht. Hinter uns standen die anderen Fluggäste und kamen nicht zu ihren Plätzen, weil Theo und ich den Gang versperrten.
„Oh, sorry", murmelte ich sofort und quetschte mich in unsere Sitzreihe. Theo entschuldigte sich nicht, folgte mir jedoch und ließ sich in den Sitz neben mir fallen. Als wir den Flug gebucht hatten, war der Gedanke, fünf Stunden in der Enge der Economy Class neben Theo festzustecken, fast schon verlockend gewesen. Doch nun, nicht mal eine Woche später, wusste ich nicht, wie ich diese Nähe ertragen sollte.
Weshalb war er hier? Änderte das irgendetwas an den Dingen, die er am Dienstag gesagt hatte? Würde er normal mit mir reden?
„Du hast meine Frage nicht beantwortet", erinnerte Theo mich. „Noch kann ich wieder aussteigen."
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FALLEN FROM GRACE
RomanceTheo und Maja sind zusammen aufgewachsen, haben Höhen und Tiefen gemeinsam durchlebt - jetzt ist von ihrer Freundschaft nichts mehr zu spüren. Doch als der talentierte Eishockeyspieler Theo gezwungen wird, in die Heimat zurückzukehren, begegnen sich...