Theo
Majas Nervosität nahm nicht ab, ganz im Gegenteil. Zurück im Hotelzimmer, begann sie immer wieder auf und ab zu gehen, vom Fenster zur Tür und wieder zurück. Ohne Pause, ohne Ziel. Für eine Weile sah ich ihr einfach nur vom Bett aus zu, dann ertrug ich es nicht mehr und stand auf. Maja kam wieder einmal beim Fenster an, machte kehrt, den Blick starr auf den Boden gerichtet, und stieß frontal mit mir zusammen.
„Oh shit, sorry", murmelte sie und sah schuldbewusst zu mir hoch. „Ich hab dir gar nicht gesehen."
„Kein Wunder. Das Zimmer könnte in Flammen aufgehen und du würdest es vermutlich nicht mitbekommen, weil du wie besessen durch die Gegend rennst", entgegnete ich, legte meine Hände an ihre Oberarme und schob sie zum Bett. „Hinsetzen", befahl ich ihr und ließ ihr auch gar keine andere Wahl, sondern drückte sie nach unten, bis sie am Fußende saß.
Ich wollte sie nicht zum Reden zwingen, aber ich wollte auch nicht, dass sie ihre Sorgen in sich hineinfraß. Unschlüssig, wie ich das Gespräch beginnen sollte, setzte ich mich schweigend neben sie. Zu meiner Überraschung und Erleichterung war es Maja, die dieses Schweigen brach.
„Sie wird mich wegschicken, oder?", fragte sie mit brüchiger Stimme. „Entweder schickst sie mich weg oder sie weigert sich, mit mir zu sprechen."
„Warum sollte sie das tun? Du bist ihre Tochter."
„Das hat sie in den letzten sieben Jahren auch nicht sonderlich interessiert."
Seufzend griff ich nach Majas Händen, die leicht zitterten, und hielt sie in meinem Schoß fest gedrückt. „Ich kann dir nicht sagen, was passieren wird. Und ich möchte dir auch keine falschen Hoffnungen machen, indem ich dir versichere, dass bestimmt alles gut wird. Ich finde es unfassbar mutig, dass du überhaupt hier bist und dich traust, diesen Schritt zu gehen."
„Und wenn nicht? Was, wenn ich den Mut nicht aufbringe und Montag einfach wieder nach Hause fliege?"
„Dann fliegst du halt Montag wieder nach Hause, ohne Antworten zu haben", antwortete ich und zuckte mit den Schultern. „Auch das wäre absolut in Ordnung. Du musst das machen, womit du dich wohl fühlst. Nicht mehr, aber auch nicht weniger."
Ihre Haare fielen ihr auf der einen Seite ins Gesicht und ich konnte nicht anders, als meine Hand zu heben und die Haare vorsichtig wieder hinter ihr Ohr zu schieben. Für ein paar Sekunden verharrte ich mit den Fingern neben ihrer Wange, doch dann ließ ich die Hand wieder sinken.
„Ich bin sehr froh, dass du hier bist, Theo", sagte Maja leise und während wir uns in die Augen schauten, konnte ich an nichts anderes denken, als an meinen Wunsch, ihre Lippen erneut auf meinen zu spüren.
„Es gibt keinen Ort, an dem ich gerade lieber wäre." Damit meinte ich nicht dieses Hotelzimmer oder diese Stadt, sondern ganz allein Majas Nähe.
Bevor ich Gefahr lief, ihr noch ganz andere Dinge zu gestehen, räusperte ich mich und fragte: „Möchtest du noch einen Schlachtplan entwerfen oder lieber schlafen gehen und alles andere auf morgen verschieben?"
„Letzteres", seufzte Maja. „Heute kann ich sowieso nicht mehr klar denken."
Ich ließ Maja den Vortritt im Bad und als ich wieder hinaus kam, lag sie bereits mit geschlossenen im Bett. Doch die Art und Weise, wie sie komplett starr auf dem Rücken lag, ließ mich daran zweifeln, dass sie schon schlief. Nichtsdestotrotz schlüpfte ich möglichst leise neben ihr unter die Bettdecke und legte mich auf die Seite, sodass ich sie im Blick hatte. Einfach nur, weil ich sie gerne ansah.
Mir fiel auf, dass sie sehr konzentriert durch die Nase ein- und durch den Mund wieder ausatmete, vermutlich um sich selbst zu beruhigen. Würde es ihr helfen, wenn ich sie in den Arm nahm oder würde ich ihr damit noch eine Sache mehr geben, über die sie sich den Kopf zerbrechen musste? Aber irgendwie musste ich sie ablenken, sonst würde sie nie zur Ruhe kommen. Ich versuchte, die Idee, die in meinem Kopf Gestalt annahm, schnell wieder auszublenden, denn damit war ganz bestimmt niemandem geholfen. Andererseits... was hatte ich schon zu verlieren?
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FALLEN FROM GRACE
RomanceTheo und Maja sind zusammen aufgewachsen, haben Höhen und Tiefen gemeinsam durchlebt - jetzt ist von ihrer Freundschaft nichts mehr zu spüren. Doch als der talentierte Eishockeyspieler Theo gezwungen wird, in die Heimat zurückzukehren, begegnen sich...