Theo
Was stimmte nicht mit mir?
Ich wusste nicht, wann ich begonnen hatte, mit Maja zu flirten, ich wusste nicht einmal ob sie realisierte, dass ich mit ihr flirtete. Ich wusste nur, dass ich immer wieder daran denken musste, wie gut sich sich Nähe zu ihr in der letzten Nacht angefühlt hatte. Wie kurz ich davor gewesen war, sie zu küssen, entgegen jeder Vernunft, entgegen jeder Logik.
Meine Güte, wir hatten vor achtzehn Jahren in Windeln nebeneinander im Wohnzimmer meiner Eltern gesessen und uns gegenseitig mit Spielzeug beschmissen, weil das viel mehr Spaß machte, als einfach nur damit zu spielen. Es war absolut unangemessen, nun auf diese Art und Weise an Maja zu denken. Und irgendwie war ich jetzt in ihrem Schlafzimmer gelandet, was die Situation nicht besser machte.
Maja war unter der Dusche, nachdem sie fast den gesamten Nachmittag damit verbracht hatte, den Hühnerstall sehr gründlich zu reinigen. Es gab zwei Gründe, weshalb ich quasi darauf bestanden hatte, den Abend mit ihr zu verbringen. Zum einen war ich mir nicht sicher, ob man einen weiteren emotionalen Zusammenbruch wirklich ausschließen konnte und zum anderen hatte sich innerhalb der letzten 24 Stunden sehr viel zwischen uns verändert. Ich fürchtete, dass sich das neu aufgebaute Vertrauen zwischen uns wieder zurück entwickeln würde, sobald wir auseinander gingen. Natürlich konnte ich die Nacht nicht hier verbringen, aber vielleicht blieben mir zumindest noch ein paar Stunden, um das Verbundenheitsgefühl zu festigen. Dadurch würde hoffentlich auch das morgige Gespräch einfacher werden. Denn ich plante nach wie vor, morgen ausführlich mit Maja über ihre, aber auch meine, aktuellen Probleme zu sprechen.
Weil ich es leid war wie ein Irrer im Zimmer auf und ab zu gehen und weil mein Knie mal wieder schmerzte, setzte ich mich auf Majas Bett. Da sie die letzte Nacht in meinem verbracht hatte, würde sie hoffentlich nichts dagegen haben.
Auf ihrem Bett lagen mehr Kissen, als irgendein Mensch zum Schlafen benötigte, weshalb ich mich fragte, ob die Kissen lediglich als Deko dienten und nachts auf den Boden oder sonst wohin wanderten. Ich schnappte mir eines der Kissen und klemmte es zwischen meinem Bauch und meinen Armen ein, nur um etwas zu haben, an dem ich mich festhalten konnte. Vor ein paar Wochen hätte ich nicht damit gerechnet, dieses Zimmer jemals wieder zu betreten. Nun hier zu sitzen machte mich nervös. Möglicherweise war hierfür nicht unbedingt das Zimmer an sich verantwortlich, sondern eher die Frau, die hier wohnte und jederzeit hereinkommen würde. Die letzte Nacht hatte eindeutig etwas in mir verändert, doch das durfte ich mir vor Maja nicht anmerken lassen, denn sie hatte die Nacht mit Sicherheit ganz anders wahrgenommen. Wenn sie sich überhaupt an etwas erinnerte, dann nur an unschöne Träume über eine Mutter, die ihre Tochter nicht zu schätzen wusste.
Die Zimmertür öffnete sich und Maja trat in Tanktop, kurzer Hose und mit nassen Haaren herein. Sollte sie sich darüber wundern, mich auf ihrem Bett sitzen zu sehen, ließ sie es sich nicht anmerken. Stattdessen ging sie zu ihrem Schrank, holte einen Pullover heraus zu zog ihn sich über. Er war ihr viel zu groß, verdeckte ihre Hose komplett und endete erst in der Mitte ihrer Oberschenkel. Obwohl sie nun mehr trug als zuvor, war dieser Anblick auf sonderbare Weise... erregender.
Himmel. Reiß dich zusammen, Theo.
„Das Essen ist gleich da", teilte sie mir mit, ganz offensichtlich völlig ahnungslos, was die Gedanken betraf, die gerade in meinem Kopf tobten. Zum Glück. „In meinem Bett wird aber nicht gegessen", fügte sie mit strengem Blick hinzu. Als die bestellten Burger fünf Minuten später eintrafen, setzten wir uns deshalb auf den Boden vor ihrem Bett, was auch im Hinblick auf meine verwirrenden Gedanken vermutlich sicherer war.
„Isst du das noch?", fragte ich, zeigte auf ihre Pommes und schnappte mir eine, noch bevor sie antworten konnte.
„Entschuldige bitte?", entgegnete sie, hörbar entrüstet. „Wir haben vor zwei Minuten angefangen. Natürlich esse ich das noch."

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FALLEN FROM GRACE
RomanceEr hatte einen Plan. Einen Traum. Eine Zukunft. Jetzt steht er vor den Trümmern - und ihr. Theo war immer der, der wusste, wohin er wollte: Eishockey, Leistung, Erfolg. Für alles andere - sogar für Maja, seine einst beste Freundin - blieb irgendwann...