Maja
„Wohin soll es gehen?", fragte ich Theo, sobald er eine halbe Stunde später ins Auto stieg. Ich hoffte, der Unbehaglichkeit zwischen uns gar nicht erst eine Chance zu geben, indem ich direkt eine Unterhaltung startete. Theo sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Seine Mimik schwankte zwischen amüsiert und verärgert. „Hallo Maja, auch schön, dich zu sehen. Ja, ich habe gut geschlafen, danke der Nachfrage. Wie hast du geschlafen?"
Am liebsten hätte ich die Augen verdreht, doch das Wissen, dass sein indirekter Vorwurf durchaus berechtigt war, hielt mich davon ab. Eventuell war mein Gesprächseinstieg etwas zu abrupt gewesen. Außerdem schloss ich daraus, dass Theo mich neckte, dass seine Laune heute besser war, als ich nach seinem Anruf vermutet hatte.
„Du hast gut geschlafen, wirklich?", fragte ich ungläubig. „Ich habe nicht gut geschlafen. Nein, ich habe die ganze Nacht nach Wegen gesucht, wie ich die Zeit zurückdrehen kann."
„Und? Warst du erfolgreich?"
Nachdenklich legte ich den Kopf schief. „Ich bin mir nicht sicher. Wann haben wir uns zuletzt gesehen?"
„Gestern Abend. Wir waren sehr lecker essen und dann hast du mich nach Hause gebracht", entgegnete Theo. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. „Ich war so satt und müde, dass ich sofort eingeschlafen bin."
„Oh mein Gott", rief ich und versuchte, so schockiert wie möglich zu schauen. „Es hat wirklich funktioniert!"
Theo lachte. Himmel, wenn er lachte und mich dabei so ansah wie in diesem Moment, musste ich ihn gar nicht erst bitten, nicht mit mir zu flirten. Dieser Anblick reichte vollkommen aus, um mein Herz Purzelbäume schlagen zu lassen.
Nach ein paar Sekunden verebbte sein Lachen und zurück blieb nur noch ein schwaches Lächeln. Er griff nach meiner Hand. „Denk dran: nur wir beide entscheiden darüber, ob es komisch zwischen uns ist", wiederholte er das, was er mir auch gestern Abend schon gesagt hatte. „Wenn es für dich leichter ist, wenn wir so tun als seist du nie durch mein Fenster geklettert, dann machen wir das."
„Ich wollte mich einfach nur für die vielen Male revanchieren, die du durch mein Fenster geklettert bist", behauptete ich und erwiderte sein Lächeln. Dann entzog ich ihm meine Hand und legte sie ans Lenkrad. Zu viel Körperkontakt war nicht gut, wenn wir die Freundschaftsgrenze nicht überschreiten wollten. „Also, wo ist diese Verabredung?"
Augenblicklich verschwand Theos Lächeln und wich einer düsteren Miene. Ja, dieser Gesichtsausdruck passte besser zu der Stimme, die ich am Telefon gehört hatte. „Zur Eishalle", murmelte er.
„Zur Eishalle?" Ich fragte nicht nach, weil ich ihn damit ärgern wollte, dass er es wiederholen musste. Nein, ich fragte nach, weil ich mir sicher war, mich verhört zu haben.
„Kannst du bitte einfach losfahren?", presste Theo hervor, ohne mich anzusehen. Ich wollte ihn fragen, mit wem er dort verabredet war und vor allem wieso, wenn es ihn doch offensichtlich quälte, aber damit würde ich ihm keinen Gefallen tun. Also startete ich den Motor und fuhr los.
Die Fahrt war schweigsam, doch bis zu der Eishalle, in der Theo während der Highschool trainiert und seine Heimspiele bestritten hatte, war es nicht weit. Der große Parkplatz war fast leer, ein Spiel schien heute also nicht stattzufinden. Ich parkte in der Nähe des Eingangs und sah unschlüssig zu Theo herüber. „Soll ich dich zu einer bestimmten Zeit wieder abholen? Oder weißt du schon, dass es schnell geht? Dann würde ich einfach hier warten."
Mit gerunzelter Stirn blickte er durch die Windschutzscheibe in Richtung Eingang und reagierte in keiner Weise auf meine Frage. Mit wem war er verabredet? Wieso hatte er dieser Verabredung zugestimmt? „Theo?", fragte ich vorsichtig, um ihn nicht zu verschrecken, denn er war anscheinend gerade ganz woanders. Obwohl ich leise gesprochen hatte, zuckte er zusammen. „Soll ich hier warten oder dich später wieder abholen?", wiederholte ich meine Frage, in der Hoffnung, nun eine Antwort zu bekommen.

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FALLEN FROM GRACE
Roman d'amourEr hatte einen Plan. Einen Traum. Eine Zukunft. Jetzt steht er vor den Trümmern - und ihr. Theo war immer der, der wusste, wohin er wollte: Eishockey, Leistung, Erfolg. Für alles andere - sogar für Maja, seine einst beste Freundin - blieb irgendwann...