Theo
Es war nicht gelogen. Ja, natürlich war ich mehr als erleichtert, dass uns dieses Mal niemand unterbrochen hatte und ich Maja endlich hatte küssen können. Ich war erleichtert, dass es sich noch tausendmal besser anfühlte, ihr auf diese Weise nahe zu kommen, als in meinen wildesten Träumen. Dennoch war ich mir des Risikos bewusst, das dieser Schritt mit sich brachte und ich würde alles dafür tun, unsere Freundschaft, die zweifellos die Basis für alles andere zwischen uns bildete, zu beschützen. Ganz egal, wie die Zukunft aussah, meine, Majas oder unsere gemeinsame - Maja würde immer eine wichtige Rolle in meinem Leben einnehmen. Das schwor ich mir, während Maja in meinen Armen lag, ihr Kopf auf meinem Oberkörper, und mit geschlossenen Augen ruhig und gleichmäßig atmete. Sie war vor etwa einer halben Stunde eingeschlafen, nachdem sie schon vorher fast zwanzig Minuten lang nach jedem Satz gegähnt hatte.
Ob Maja die Nacht hier verbringen würde, hatte zu keinem Zeitpunkt zur Debatte gestanden. Ohne dass wir es ausgesprochen hätten, war klar gewesen, dass keiner von uns bereit war, sich vom jeweils anderen zu verabschieden, selbst wenn es nur für wenige Stunden war. Wir hatten ohnehin bis fünf Uhr morgens wach gelegen und geredet, es lohnte sich dementsprechend gar nicht mehr, für den Rest der Nacht getrennte Wege zu gehen.
Meine Eltern war Frühaufsteher und starteten auch am Wochenende bereits um sieben Uhr in den Tag. Zum Glück waren sie, seit ich wieder hier war, noch nie auf den Gedanken gekommen, auch mich um diese Zeit zu wecken und zu einem gemeinsamen Frühstück zu überreden. Daher musste ich wohl kaum befürchten, dass sie irgendwann ins Zimmer platzen und Maja neben mir entdecken würden. Und selbst wenn doch - meine Mutter würde sich vermutlich einfach nur freuen.
Gerade als ich spürte, wie auch meine Augenlider immer schwerer wurden und ich dem Schlaf mit großen Schritten näher kam, zuckte Maja neben mir zusammen. Sie rollte auf den Rücken, ihr Kopf fiel von meiner Brust auf das Kopfkissen und sie murmelte irgendetwas unverständliches. Ihren Augen blieben geschlossen, doch im Licht der frühen Morgensonne, deren erste Strahlen bereits ins Zimmer drangen, sah ich wie sie die Stirn runzelte.
„Maja?", flüsterte ich, nur für den Fall, dass sie, entgegen meiner Vermutung, wach war. Wieder murmelte sie etwas und drehte den Kopf in einer ruckartigen Bewegung zur Seite. Ich stützte mich auf meinen Unterarm, beugte mich zu ihr hinüber und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „Alles ist gut", versuchte ich sie zu beruhigen, ohne sie aus dem Schlaf reißen zu müssen. Ich fuhr mit einem Daumen über ihre Stirn, um sie zu glätten. Ich hatte keine Ahnung, ob sie gerade von einem Albtraum geplagt wurde und einfach nur unruhig schlief, aber ich wollte sie nicht leiden sehen. Ich zog sie zurück an meine Brust, hielt sie so fest ich konnte und presste meine Lippen auf ihren Haaransatz. Nach ein paar Minuten, die sich anfühlten wie eine Ewigkeit, wurde sie tatsächlich wieder ruhiger. Erleichtert lockerte ich die Umarmung etwas und schloss meine Augen, ließ Maja jedoch nicht los.
Als ich die Augen schließlich wieder aufschlug, war es sehr hell im Zimmer. Es war hell im Zimmer und ich war alleine. Sobald ich diese Information verarbeitet hatte, richtete ich mich abrupt im Bett auf. Wo war Maja? Das Fenster war geschlossen, sie konnte also nicht hinaus geklettert sein, denn wie hätte sie es hinter sich schließen sollen? Bevor ich mir Gründe für ihr Fehlen ausmalen konnte, öffnete sich die Tür, Maja schlüpfte ins Zimmer, war mit wenigen Schritten beim Bett, legte sich flach auf den Bauch und versteckte ihren Kopf unter dem Kissen.
Vorsichtig versuchte ich, das Kissen anzuheben. Ich schaffte es und Majas Hinterkopf kam wieder zum Vorschein. „Alles okay bei dir?", fragte ich mit zunehmender Unruhe. Anstatt mir zu antworten, gab sie ein Geräusch von sich, das entfernt an ein Grunzen erinnerte. In einem Anflug von Verzweiflung drehte ich sie auf den Rücken und setzte mich rittlings auf ihre Beine, den Schmerz in meinem Knie ignorierend.

DU LIEST GERADE
FALLEN FROM GRACE
RomanceEr hatte einen Plan. Einen Traum. Eine Zukunft. Jetzt steht er vor den Trümmern - und ihr. Theo war immer der, der wusste, wohin er wollte: Eishockey, Leistung, Erfolg. Für alles andere - sogar für Maja, seine einst beste Freundin - blieb irgendwann...