5. Sport

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Ich stellte meine Tasche auf eine der großen, dreckigen Holzbänke ab, öffnete meine Sporttasche und begann mich umzuziehen. In der Umkleidekabine roch es nach Deo und Schweiß, die Wände waren vollgeschmiert und aus den Duschen konnte man einen ekelhaften Gestank riechen. Als ich mein T-Shirt auszog fing auf einmal einer der Jungs, die Michael gerade eben fertiggemacht hatten, neben mir laut an zu lachen. Er zeigte auf meinen Arm, ein weiterer kam dazu, auch ihn kannte ich aus der Pause. „Was ist los?", fragte er den ersten und ich versteckte meinen Arm schnell hinter meinem Rücken. „Schau mal auf seinen Arm!", rief dieser. Ich war irritiert. Was passierte hier gerade? Dann bemerkte ich, was die Jungs, die sich mittlerweile zu einer Gruppe gebildet hatten, so lustig fanden. Es war mein Armband. „Ja, und?", entgegnete ich vorsichtig. „Ist doch nicht schlimm...oder?", sagte ich. „Pff, 100% Mensch, ihr wollt doch alle nur Aufmerksamkeit mit euren Regenbogen", sagte der, der als zweites dazu gekommen war und lachte spöttisch. „Eyy, jetzt reichts!", wurden die beiden unterbrochen. Hinter mir stand Mike, der gerade die Umkleidekabine betreten hatte und genervt seine Schultasche, seine Baseballcap neben sich auf die Bank warf und auf die Gruppe zukam. „Ihr zieht euch jetzt um und haltet eure Klappe, sonst gibt's Stress, klar?", sagte er laut und deutlich. Die beiden lachten, dann sagten sie ironisch: „Jawohl, Herr Lehrer!" Ich war ziemlich überfordert und sagte einen Moment lang nichts. Mike begann sich umzuziehen, ließ die Jungs aber nicht aus den Augen. Ich beeilte mich ebenfalls mich umziehen, dann folgte ich Mike aus der Umkleidekabine und schloss die Türe. Auf dem Gang zur Halle sah ich Anna, für den Bruchteil einer Sekunde meinte ich, sie mir zulächeln zu sehen.

„Danke!", sagte ich zu Mike. „Passt schon", meinte er knapp. „Sportunterricht ist nur eine der vielen Qualen des Schulsystems – Er überlegte kurz - manche aus unserer Stufe auch!" Ich lachte. „Ja, da hast du Recht", sagte ich und nickte zustimmend. Wir betraten die Halle. „Aber mal im Ernst, lass dir von denen nichts sagen. Ich finde es gut, dass du Regenbogenarmbänder trägst. Das zeigt doch, dass du tolerant bist, und dass ist doch in unserer heutigen Welt das wichtige.", sagte Mike. Ich nickte. „Danke.", sagte ich. Wir setzten uns zu den anderen aus unserem Sportkurs, auf die lange, hellbraune Holzbank. „Machst du Sport in deiner Freizeit?", fragte Mike nach ein paar Sekunden. „Ein bisschen. Ich fahre gerne Skateboard", sagte ich. „Wow, cool!", entgegnete er. "Skateboard fahren würde ich auch gerne können. Bringst du mir das mal bei?", fragte er. "Ja, kann ich gerne machen", sagte ich. "Nice", rief er fröhlich. „Und du?", fragte ich schnell. „Ich gehe dreimal pro Woche ins Gym", sagte er. "Außerhalb der Schule treibe ich gerne Sport, nur ich hab absolut gar kein Bock auf den Schulsport", fügte er hinzu. Ich nickte. "Ja, same, ich auch nicht", sagte ich. Langsam strömten die anderen Schüler aus unserem Sportkurs aus den Umkleidekabinen. „Die haben 4 Garagen", stellte ich erstaunt fest und zeigte auf die grauen Metalltore, die an der Wand der Halle angebracht waren. „Ja, vier Garagen voller Folterinstrumenten", sagte Mike genervt. Eine kaputte Trillerpfeife quietschte durch die Halle. „Runter vom Mattenwagen, sonst werden die Eltern kontaktiert werden!", dröhnte die Stimme unseres Lehrers durch die Halle und zeigte auf die drei Jungs, die ich vor der Sporthalle getroffen hatte. "Bei dem kracht es auch komplett", sagte Mike und nickte mit dem Kopf in Richtung unseres Lehrers. "Als ob da jemand runterfällt, wir sind jetzt keine kleinen Kinder mehr", sagte er. Ich musste lachen. "Ja, da hast du Recht", antwortete ich. 

Tatsächlich hatte er Recht. Wir sind jetzt keine kleinen Kinder mehr.

Wir liefen in die Mitte der Halle zum Rest der Gruppe. „So, guten Morgen", sagte unser Sportlehrer, als sich alle im gewünschten Kreis, der mehr oder weniger ein Ei war, versammelt hatten. „Ich bin Herr Speicher, unterrichte Sport, Physik und Psychologie", sagte er. „Fragen?" Niemand sagte etwas. „Dann, auf geht's, warmlaufen!", rief er. Lustlos setzte sich die Gruppe in Bewegung. Während mir der Schweiß von der Stirn tropfte, bemerkte ich, dass Anna neben mir lief. Sie machte nach der 8. Runde immer noch nicht schlapp, das war echt krass. „So, ich nehme jetzt meinen Stift aus Spanien...", hörten wir unseren Sportlehrer zu einer Schülerin murmeln, die krank war und neben ihm auf der Bank saß. Anna und ich prusteten los und konnten uns nicht mehr zusammenreißen, bis Herr Speicher uns einige Sekunden lang sehr kritisch anblickte. Wir unterdrückten sofort das Lachen. Danach folgte das Aufwärmen. „Heute werden wir die Notentransparenz durchführen und einige wichtige Absprachen tätigen, um einen reibungslosen Ablauf des Sportunterrichts im gesamten Schuljahres zu gewährleisten!", verkündete Herr Speicher. Genervtes Stöhnen ertönte aus der Gruppe. Niemand aus der Gruppe hatte Lust auf einen Vortrag unseres Lehrers, was wir tun durften, oder besser gesagt: was wir nicht tun durften. In diesem Moment ahnte ich noch nicht, wie froh ich in ein paar Wochen über diese Stunde sein würde, denn sie war noch eine der wenigen Stunden, die vergleichsweise entspannt waren. Denn die kommenden Wochen sollten noch anstrengender werden.


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