13. Unter Druck

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Am frühen Donnerstagabend nach der Schule, es war gegen 17:00 lief ich aus dem grauen, kleinen Klassenzimmer in dem ich Unterricht gehabt hatte, hinaus in den Flur. Ich stellte meine Tasche ab, holte meine roten Kabelkopfhörer heraus und lief weiter, aus dem Schulhaus in die kalte Dunkelheit. Es regnete in Strömen, deshalb hatte ich kein Fahrrad dabei, sondern war mit dem Bus zur Schule gefahren. Doch es gab keinen Bus mehr, der um diese Uhrzeit fuhr, deswegen musste ich nach Hause laufen. Ich zog meinen grünen Regenschirm aus der Tasche und spannte ihn auf. Dann startete ich meine „alone with my feelings" Playlist auf meinem Handy und lief in die Dunkelheit. Ich verließ das große, düstere Schulgelände. Ein paar wenige Straßenlaternen erhellten den Weg, dann bog ich ab in Richtung Innenstadt. Überall waren die großen, bunten Graffitis zu sehen, sie schenkten etwas Hoffnung. Von der Schule bis zu mir nach Hause waren es zu Fuß etwas mehr als 15 Minuten. Zeit, um ein bisschen nachzudenken. Während ich meine Hausaufgaben für den Rest der Woche durchging, bog ich nochmals ab und stand auf dem Marktplatz. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass es aufgehört hatte zu regnen. Es war auch am frühen Abend noch trubelig. Ich blickte über den Platz und sah überall junge Pärchen, die sich an den Händen hielten. Sie waren oft nicht alleine, sondern mit Freunden unterwegs und schauten sich die Marktstände an. Wie gesagt, ich hätte auch gerne eine feste Beziehung, aber hab ich halt leider nicht, weil mich in meiner Stufe niemand so wirklich mag und ich außerhalb meines Jahrgangs kaum gleichaltrige kenne. Ich lief weiter, die Straße entlang. Warum musste alles so schiefgehen zurzeit? Ich sah meine Mutter kaum, der Start in die Oberstufe war alles andere als erfolgreich gewesen und ich bezweifelte so langsam wirklich die richtigen Kurse gewählt zu haben. Warum konnte ich nicht einfach einmal so Erfolg haben und glücklich sein, wie alle anderen? Man sagt, dass Erfolg durch harte Arbeit kommt. Wie hart soll ich denn noch arbeiten, bis ich einmal Erfolg habe? Warum immer ich?! Ich atmete tief durch, um nicht in Tränen auszubrechen und lief zügig weiter. Irgendwie wollte ich gerade nur noch in mein Bett, schlafen und an nichts denken müssen. Schlaf, das waren die einzigen, wenigen Stunden, in denen ich von meinen Problemen Abstand gewinnen konnte. Zurzeit war alles komisch. In der Schule, zuhause und bei meinen Freunden. Alle sprachen nur noch über Leistung und gute Noten. Noch nie hatte ich die Wörter „15 Punkte" so oft gehört, wie in den letzten paar Wochen. Und was war mit Anna? Ich konnte nicht genau sagen, ob es Freundschaft war oder ob ich verliebt war, keines von beidem traf so wirklich zu. Also etwas dazwischen, vielleicht? Ich bemerkte kaum, dass ich mittlerweile in der Straße stand, wo ich wohnte. Langsam lief ich auf die Türe zu, dann schloss ich auf und trat ein, ins Treppenhaus. Ich zog mein Handy aus der Tasche. Eine neue Mitteilung von WhatsApp. Egal, alle Hoffnung, dass Anna mir geschrieben haben könnte war zwecklos, deswegen ließ ich mein Handy gleich wieder in meine Tasche fallen. Dann stapfte ich die Treppe hinauf. Meine Schritte hallten auf den kalten Fliesen durch das hohe Gebäude. Ich öffnete die Wohnungstüre, warf den Schlüssel auf den kleinen Schuhschrank neben der Garderobe, zog die nassen Kleider aus und setzte mich auf mein Bett. Mein Blick fiel auf den Kleiderhaufen neben meinem Bett. Nichts davon war wirklich frisch, doch ich musste meine Kleider wechseln, sie waren vom Regen klatschnass. Unschlüssig durchforstete ich den Stapel, bist ich schließlich etwas gefunden hatte. Ich setzte mich in den Stapel voller Matheblätter, die auf dem Boden lagen, machte Musik auf meinem Computer an und nahm den Taschenrechner vom Schreibtisch. Fuck, Mathe ist nicht besser als Sport. Ich schlug die erste Seite meines Buches auf, auf denen die Hausaufgaben standen, die wir auf morgen aufhatten und las die Aufgabe. „Bestimmen Sie die Extrempunkte und Wendestellen der Funktion f." Sofort schlug ich das Buch wieder zu und legte mich ausgestreckt auf den Boden. Ich schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Doch ich konnte jetzt keine Pause machen. Ich hatte auf morgen außer Mathe noch Englisch, Bio und Physik auf. Falls ich die Hausaufgaben nicht machen würde, wäre ich sofort abgehängt. Doch es war einfach nicht möglich, in einer Woche mit zwei oder drei Klausuren alle Hausaufgaben so ordentlich und ausführlich zu erledigen, wie es von uns erwartet wird. Unschlüssig blickte ich mich in meinem Zimmer um. Immernoch ging mir die blöde WhatsApp Nachricht nicht aus dem Kopf. Ich griff neben mich, griff nach meinem Handy und klickte auf die Meldung auf dem Lock-Screen. Mein Handy entsperrte sich, und ich las die Mitteilung. Als ich erkannte, wer mir geschrieben hatte, zuckte ich heftig zusammen. Dann las ich: „Hey, hast du morgen nach der Schule Zeit, um mit mir für die Klausur nächste Woche zu lernen?" WAS?! War das gerade wirklich passiert? Träume ich?! Ich vergewisserte mich mehrmals, doch ich hatte mir die Nachricht nicht eingebildet. Ich tippte sofort „Ja, total gerne" in mein Handy und schickte die Nachricht ab. Dann lehnte ich mich zurück. Ich konnte nicht fassen, was gerade geschehen war.


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