Ich wartete auf der Brücke, neben dem Hauptbahnhof. Lola sollte gleich da sein, es war 16:55, um 17:00 waren wir verabredet. Jetzt war es endlich so weit. Die letzten Schultage hatten sich wie Kaugummi endlos lange hingezogen. Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich es wirklich versuchen sollte oder ob ich einfach gehen sollte. Was, wenn ich alles vermasseln würde? Ich war schrecklich aufgeregt und sah auch nicht besonders gut aus. Mein Blick fiel auf die Treppe, die zu den Gleisen führte. Die Nachmittagssonne fiel sanft auf dem Platz hinter dem Bahnhof, auf dem sich der Flohmarkt befand. Die Sonne war schon am Untergehen, die letzten Sonnenstrahlen spendeten eine angenehme Wärme. 16:57. Lola war immer noch nicht da, hatte er unser Treffen vergessen? Ich spürte, wie ich immer nervöser wurde. Vom Flohmarkt drangen Stimmen, leise Indie-Pop Musik und Gelächter zu mir hinauf. Ich drehte mich wieder um und zog zum wiederholten Mal mein Handy aus der Tasche. 17:01. Mein Blick fiel erneut auf die Treppe, und dieses Mal konnte ich Lola erkennen. Er lief mir entgegen. Lola sah wunderschön aus. Er trug ein rotes T-Shirt, eine blaue Tasche und seine Haare waren total verstrubbelt. Er sah so süß aus.
Und dann, dann endlich stand er vor mir.
Ohne zu zögern streckte er die Arme aus und fiel mir um den Hals. Es ging so schnell. Ich war unglaublich glücklich und mein ganzer Körper kribbelte vor Aufregung. „Und, wie geht's? Alles klar bei dir?", fragte Lola. Ich nickte. „Gut, ja und bei dir?" „Mir geht's auch gut...", sagte er und fixierte mich einige Sekunden mit seinem Blick, als ob er noch etwas hinzufügen wollte. Ich wartete einige Sekunden gespannt und wusste nicht, was ich sagen sollte. "...weil ich mit dir Zeit verbringen darf.", vollendete er schließlich seinen Satz und lächelte. "Aww, ich freue mich auch, dass ich mit dir Zeit verbringen darf", sagte ich und umarmte ihn erneut. Als wir uns aus der Umarmung lösten, erkannte ich, dass er sich auf der rechten Wange ein paar Herzen, auf der linken Wange ein paar kleine Kringel geschminkt hatte. Mir wurde warm ums Herz. Das sah so cute aus. Meine Hände, die zuvor kalt und steif gewesen waren, fühlten sich langsam wärmer und beweglicher an. Ich war so froh, dass ich mich getraut hatte, mich mit ihm zu treffen und doch nicht vor Aufregung abgehauen war. Für ein paar Sekunden, standen wir einfach nur da und umarmten uns ganz eng und fest. Mein Bauch berührte seinen, ich spürte das schnelle Klopfen seines Herzes an meiner Brust. Dann, nachdem wir uns eine gefühlte Ewigkeit später aus der Umarmung gelöst hatten und uns Hand in Hand gegenüberstanden sagte Lola: „Gehen wir zum Flohmarkt"? Ich nickte und wir liefen los. Der Flohmarkt war gar nicht weit vom Bahnhof entfernt. Zu Fuß waren es gerade einmal 5 Minuten. Lola schien selbstbewusst, wie immer. Doch ich war nervös, schrecklich nervös. Es war sehr selten, dass sich eine Person mit mir treffen wollte, es war ein besonderes, ungewohntes Gefühl, von jemandem wertgeschätzt zu werden.
Wir waren am Flohmarkt angekommen. Unzählige Stände befanden sich auf der Wiese. Es war auch am frühen Abend noch warm, ein leichter Wind ging. Überall verkauften Menschen alte Sachen, die die Leute schon wegwerfen wollten und doch noch gerettet werden konnten. „Wie war dein Tag?", fragte Lola und lächelte verschmitzt, während er seinen Arm um mich legte. Ich überlegte kurz und ließ meinen Blick zu den Menschengruppen schweifen, die auf der Wiese saßen und picknickten. „Anstrengend", sagte ich schließlich. Es war wohl besser, nicht darüber nachzudenken. Es würde mich nur noch mehr verunsichern. „Wieso?", fragte Lola. „Ich hatte einfach viel für die Schule zu tun", sagte ich und fügte ein „mal wieder", in Gedanken hinzu. Er nickte. "Verstehe...", murmelte er. Wir blieben vor einem Stand stehen, an dem Hemden und T-Shirts verkauft wurden. „Ähm, ja, also mich nervt die Schule in letzter Zeit auch nur noch...", sagte er und begann ein Hemd zu begutachten. „Meinst du, das würde mir stehen?" Er hatte ein regenbogenfarbenes, kariertes Hemd herausgezogen und hielt es mir hin. „Ja, safe", antwortete ich. „Wie viel kostet das denn?", fragte Lola und wandte sich der Verkäuferin zu. „4", sagte diese, nachdem sie sich kurz mit ihrem Kollegen abgesprochen hatte. „Nice, ich nehm's!", sagte Lola lächelnd. Die Verkäuferin lächelte und gab Lola das Hemd. Er bezahlte und wir liefen weiter.
„Also wo waren wir?", fragte er. „Das uns die Schule beide nervt.", sagte ich. „Stimmt. Aber lass uns über etwas anderes reden, ich werd sonst nur noch nervös.", sagte er, senkte den Kopf ein kleines bisschen und schaute lächelnd zu mir auf. „Ich bin schon nervös", murmelte ich. Lola hatte es offensichtlich gehört und lächelte mir zu, dann legte er seinen Arm wieder um mich und zog mich ein Stück näher zu ihm. Er schien den Flohmarkt und seine Atmosphäre sichtlich zu genießen, wir liefen weiter und an manchen Ständen blieben wir kurz stehen. Schließlich beschlossen wir uns auf eine Wiese nahe dem Flohmarkt zu setzen. Lola hatte eine Picknickdecke mit einer Prideflag darauf dabei und breitete diese aus.
"Schon irgendwie krass, was auf der Party bei Mike passiert ist, oder?", sagte ich nach einer Weile.
Lola nickte.
"Ja, total. Er hat mir richtig leidgetan.", sagte er. "Weißt du, warum die Typen Geld von ihm wollten?
Ich schüttelte den Kopf.
"Weißt du es?", fragte ich Lola.
Er schüttelte ebenfalls den Kopf und wir schwiegen wieder.Während wir nebeneinander saßen, bemerkte ich auf einmal, dass er eine kleine Sicherheitsnadel trug, die er an seiner lila Jogginghose befestigt hatte. Auf dem anderen Oberschenkel stand die Aufschrift "Love is Love". Ich musste lächeln. „Sag mal", begann Lola, nachdem wir einige Minuten das Treiben der Menschen auf den Wegen zwischen den Wiesen beobachtet hatten. Ich blickte ihn aufmerksam an. „Hattest du schonmal eine Beziehung?" Überrascht über die Frage blickte ich ihn für einen Augenblick sehr verwirrt an, dann schüttelte ich den Kopf. „Nein, und du?", entgegnete ich. „Ja. Einmal. Es war nichts wirklich Festes, eigentlich nur so ein Typ, der was von mir wollte und mich letztendlich nur ausgenutzt hat. Er wollte nur kuscheln und Körperkontakt, sonst war ich ihm egal.", erzählte er. „Oh, das tut mir leid", sagte ich und blickte ihn besorgt an. Für einen Moment war ich kurz davor, die Wörter lagen mir schon auf den Lippen, doch dann schaffte ich es nicht. Ich schaffte es einfach nicht, die Person, in die ich Herz über Kopf verliebt war, zu fragen. „Ich bin so fertig von der Schule...", murmelte Lola und ließ seinen Kopf auf meine Schulter fallen. Ich strich vorsichtig über seine weichen Haare und sagte: „Schon okay. Ich verstehe das total."
„Lola?"
„Ja?"
„Hast du denn gerade jemand?", fragte ich.
„Wie meinst du das?"
„Jemand in den du...also...verliebt bist?", fragte ich und meine Stimme verschwand vor Aufregung im Nichts.Lola ließ sich schrecklich viel Zeit für die Antwort und die Zeit schien endlos und quälend langsam zu verstreichen. „Ja", sagte er, während er mir tief in die Augen blickte und mich anlächelte. Es war, als würde mir jemand ein Messer ins Herz rammen und wieder herausreißen.
Lola hatte einen Crush.
Lola hatte einen Freund oder eine Freundin.
Lola war in einer Beziehung.
Verdammt nochmal, warum?!?!Alles war umsonst gewesen. Finley, du musst was sagen, mach irgendwas!!! „Er geht in meine Stufe", sagte er. „Kenne ich ihn?" „Ja", sagte er und fügte hinzu: „Ich denke sogar ziemlich gut", sagte er. Er hob sein Kinn etwas an und schmunzelte. Ich überlegte weiter. „Der Typ hat grüne Augen, ist ein richtig cooler Skater..." „Uii, wie cool", sagte ich. „Ja, und er mag Politik...und Geschichte...", fügte er hinzu. Der Typ klingt echt cool, dachte ich mir. „Oha, cool, klingt sympathisch.", sagte ich. „HALLO?! KLINGELT ES NICHT BEI DIR?!" Lola schrie nun fast und warf lachend seine Arme um mich. Wir verweilten für einige Sekunden in der Umarmung. Plötzlich löste Lola sich aus der Umarmung und legte seine Hand auf meine Schulter. „Finley, der Typ bist du!", sagte er sanft.
Und dann spürte ich nur noch, wie Lola seine Lippen auf meine legte und mich küsste. Es war ein langer, intensiver Kuss. Ich erwiderte den Kuss und legte eine Hand auf seinen Hals, die andere auf seinen Rücken. Lola griff nach meiner Hand und legte seine in meine. Für ein paar Sekunden blickten wir uns in die Augen und erzählten uns mit unseren Blicken alle unsere Gefühle, dann legte ich meinen Arm um ihn und wir kuschelten uns ganz eng aneinander. Ich spürte seine Wärme, seinen Duft und seine Liebe. Er war so wunderschön. Endlich war ich nicht mehr alleine, endlich hatte ich jemanden gefunden, der mich akzeptierte und verstand, so wie ich bin.
Ich hatte einen Freund.
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Plötzlich Erwachsen
Teen FictionFreiburg, 2023. Der 16-jährige Erik kommt zum neuen Schuljahr in die Oberstufe, in der er sich 2 Jahre lang auf sein Abitur vorbereitet. Er schöpft neue Hoffnung, endlich neue Freunde zu finden. Auf der Suche nach Anschluss in seiner Stufe nimmt er...