„Ich glaube, dass du dir jetzt ganz viel Zeit nehmen musst, um wieder gesund zu werden, Finley.", sagte Lola.
Wir saßen in seinem Zimmer, es war bereits dunkel geworden und ich blickte aus dem Fenster, wo ich über der Großstadt die Sterne aufgehen sah. Ich lag auf seinem Bett, Lola saß neben mir und hielt meine Hand. Auf meinem Kopf klebte ein großes Pflaster, die Wunde an meinem Kopf war vor einigen Wochen im Krankenhaus genäht worden. Zur Schule ging ich immer noch nicht, das hatten die Ärzte mir verboten und auch Lola hatte immer wieder betont, dass ich erst wieder in die Schule gehen darf, wenn ich wirklich bereit dafür war. Auch, wenn meine Eltern mich ständig dazu drängten, hatte er gesagt. Lola hatte seinen kleinen Kapuzenpulli über den Kopf gezogen und hatte die Augen geschlossen.
„Aber wenn ich mich niemals meiner Angst stelle, dann werde ich nie gesund.", sagte ich zu Lola.
„Das stimmt. Aber es ist besser, wenn du darauf vorbereitet bist, dich deiner Angst zu stellen. Deswegen geh bitte erst wieder in die Schule, wenn du dich genügend ausgeruht hast. Mike meinte auch, dass du jetzt wirklich auf dich selbst achten musst.", sagte er.
Unschlüssig wälzte ich mich in seinem Bett hin und her, dann drehte ich mich in seine Richtung. „Okay", sagte ich. „Ich gehe erst, wenn ich mich genügend vorbereitet habe. Egal wie viele Therapiestunden ich brauche."
Lola lächelte. Er nickte und legte sich neben mich. Wir schwiegen für ein paar Sekunden. Dann strich mir Lola durch die verstrubbelten Haare und umarmte mich ganz doll.
„Lola?", fragte ich vorsichtig.
„Ja?"
„Warum bist du an dem Tag an dem wir die Zeugnisse bekommen hatten so schnell in die Pause gegangen? Das hat mich voll verunsichert...", sagte ich.
Mir ging diese Situation seit Wochen durch den Kopf.
Lola überlegte kurz.
„Ich glaube es war so, dass Leni ein schlechtes Zeugnis hatte. Deswegen wollte ich mich um sie kümmern.", sagte er.
Ich nickte.
„Aber das hat nichts mit dir zu tun", sagte er schnell und strich mir erneut durch die Haare.
Ich legte meinen Kopf auf seinen Bauch und schloss die Augen.
„Okay. Dann hab ich mich getäuscht. Sorry.", sagte ich.
„Alles okay, mein Schatz", sagte Lola mit einem Lächeln auf dem Mund und küsste mich auf die Wange.
Es war wunderschön so zu liegen und einfach bei Lola zu sein.„Finley, das ist jetzt kein Vorwurf, okay?", sagte er auf einmal.
Ich nickte und öffnete die Augen.
„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du vorhattest, dich umzubringen?", sagte Lola.
Ich schwieg dieses Mal sehr lange. Dann beschloss ich zu sprechen.
„Ich konnte nicht, Lola. Ich hatte zu sehr Angst, dass du mich verlassen würdest. Und ich wollte dich nicht damit belasten. Du hast selbst genügend Dinge, mit denen du zu kämpfen hast.", sagte ich.
Lola schüttelte energisch den Kopf.
„Finley, ich würde dich niemals wegen so etwas verlassen. Und wenn mich etwas belastet, dann kannst du dir sicher sein, dass ich es sagen werde. Aber es ist so wichtig, dass du nicht alles in dich hineinschweigst und probierst alleine zu bewältigen. Ich würde dich niemals wegen so etwas verlassen, versprochen, okay?", sagte er.
Ich nickte.
„Okay. Danke.", sagte ich und lächelte.
„Ich gehe jetzt auch in die Tagesklinik, hier in Freiburg.", sagte ich.
Lola nickte.
„Sehr gut. Das ist auf jeden Fall der richtige Weg.", sagte er.
„Und auch wenn das vielleicht schwer wird für dich – ich bin immer für dich da. Weil den Schulstoff, den du jetzt verpasst, den kannst du nachholen, aber dich zum richtigen Zeitpunkt um deine Gesundheit zu kümmern, das kannst du nicht nachholen. Deswegen ist es so wichtig, dass du jetzt nicht schon wieder in die Konfrontation mit deiner Angst gehst."
Er strich mir die Haare aus dem Gesicht.
„Du hast das nicht verdient, so viel leiden zu müssen, Finley", sagte er. Und dann küsste er mich auf den Mund. Und ich küsste ihn zurück. Es war ein langer und schöner Kuss, so wie alle Küsse, die Lola und ich jemals gemeinsam erlebt hatten. Als der Moment vorbei war, blickten wir uns tief in die Augen und schwiegen. Es war ein angenehmes Schweigen, das den Raum erfüllte."Finley?", sagte Lola ein paar Minuten später.
"Darf ich dir etwas erzählen?", fragte er vorsichtig.
"Ja klar, ist etwas Schlimmes?", fragte ich leicht verunsichert.
Lola schüttelte den Kopf.
"Es ist schon irgendwie schlimm, aber es hat nichts mit dir zu tun.", sagte Lola und richtete sich auf.
Ich nickte.
"Aber wenn du es weißt, wirst du vieles besser verstehen, Finley", fügte er hinzu.
Ich nickte erneut.
"Okay", sagte ich. "Dann höre ich dir zu, so lange du es brauchst."
"Danke, Finley", flüsterte Lola und kuschelte sich an mich.
"Aber nicht hier", sagte er plötzlich und richtete sich auf.
"Wo denn dann?", fragte ich verwundert.
Als ob Lola bereits einen fertigen Plan im Kopf hätte, stand er auf, bedeutete mir zu folgen und lief auf die Ecke des Raumes zu. Es war die Ecke des Raumes, in der sich der Eingang zur Sternwarte befand.
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Plötzlich Erwachsen
Teen FictionFreiburg, 2023. Der 16-jährige Erik kommt zum neuen Schuljahr in die Oberstufe, in der er sich 2 Jahre lang auf sein Abitur vorbereitet. Er schöpft neue Hoffnung, endlich neue Freunde zu finden. Auf der Suche nach Anschluss in seiner Stufe nimmt er...