Ein paar Tage nach Schwester Bärbels Tod im fernen München, der August neigte sich langsam dem Ende zu, saß Julia an ihrem Schreibtisch im Sekretariat der St. Andreas Realschule vor einer schönen heißen Tasse Kaffee, die ihre Kollegin Frau Hellenberg ihr hingesetzt hatte.
Die Sommerferien waren zu Ende und das neue Schuljahr begann. Passend dazu regnete es draußen in Strömen und Julia erinnerte sich daran, dass sie als Kind immer gedacht hatte, dass selbst der Himmel aus Kummer über die vorübergegangenen Sommerferien weinte.
„Dann geht es heute wieder los," stellte die ältere Kollegin mit einem Seufzer fest. „Wir bekommen glaube ich einen neuen Lehrer, einen Herrn Valler. Gerd Valler, Mitte dreißig und er soll Mathe und Physik unterrichten. Ich bin mal gespannt auf ihn!"
„Er kommt doch für Frau Cruse, oder?", erkundigte sich Julia nach der Lehrerin, die kurz vor den Ferien in den Ruhestand verabschiedet worden war und bei der Feier ihr zu Ehren bekannt gegeben hatte, dass sie sich eine kleine Wohnung auf Ibiza gekauft hatte. Vor allem aufgrund des derzeitigen Wetters beneidete Julia sie.
„Ja, die gehörte ja fast schon zum Inventar der Schule," stellte Frau Hellenberg lachend fest. „Hattest du eigentlich auch Unterricht mit ihr, als du hier zur Schule gegangen bist?"
Julia schüttelte den Kopf. „Nein, ich hatte nur zwei oder dreimal Vertretung mit ihr. Sie war recht nett und hat uns Bilder malen lassen oder Galgenmännchen mit uns gespielt. Ich bin mal auf den Neuen gespannt. Er ist ja noch nicht so alt. Jüngere Lehrer haben häufig noch so eine gewisse Motivation, die wollen noch was verändern....obwohl das manchmal auch bei den Älteren noch so ist...."
„Naja, so lange es kein zweiter Engelmann ist, geht es ja! Wenn ich an den denke...," gab Frau Hellenberg zu bedenken. „Allein schon seine Abneigung gegen Kaffeemaschinen und Kaffeetassen war krankhaft!"
Julia erinnerte sich nur ungern an den einstigen Schuldirektor mit der Vorliebe für Dämonenstatuen.
Schließlich hatten sie seinetwegen genügend Probleme gehabt und der Gedanke daran, was er alles mit Gerrit veranstaltet hatte ließ sie beinahe die Lust am Kaffee verlieren.
Es klingelte und die erste Unterrichtsstunde begann oder hätte zumindest begonnen, hätte es sich um einen normalen Schultag gehandelt.
Aber heute, am ersten Schultag nach den Sommerferien begann der Unterricht erst zur dritten Stunde.
„So, also letzte Galgenfrist, bevor es dann ab morgen wieder richtig losgeht!", erinnerte Julia sich an ihre eigene Schulfrist.
„Einerseits hab ich mich gefreut, meine Freundinnen wiederzusehen, aber andererseits hatte ich auf den Unterricht so gut wie gar keine Lust. Ich ging auch immer mit einer fast leeren Schultasche in die Schule und kam mit einer aufgeblähten Tasche, die so schwer war, als hätte man Zement reingefüllt, wieder nach Hause. Sämtliche Bücher wurden ausgeteilt. Einmal hatten wir ein Erdkundebuch, in dem noch die Grenze zwischen Ost und West eingezeichnet war. Und das immerhin im Jahr 2001, also doch schon ein Weilchen nach dem Mauerfall!"
Aber eine Erinnerung ließ ihr Lächeln, zumindest aus heutiger Sicht, verschwinden. „Jonas hat den ersten Schultag richtig gehasst, da bin ich mir sicher. Bei ihm war es nicht nur das Bedauern darüber, dass die Ferien vorbei waren. Er ist immer als letzter in die Klasse gekommen und war wahrscheinlich froh, wenn er es bis zu seinem Platz geschafft hat, ohne dass ihm jemand ein Bein stellt....und wir haben alle gelacht."
Sie konnte ihr früheres Ich, zumindest im Hinblick auf Jonas, nicht mehr verstehen und war sich sicher, dass sie, wären Zeitreisen möglich, mit dem Wissen von heute anders reagiert hätte.Wahrscheinlich hätte sie ihm aufgeholfen, ihn umarmt und vor der versammelten Klasse geküsst. Dann hätte sie alle weggezickt, die auch nur eine einzige dumme Bemerkung gemacht hätten....
„Scheiß doch drauf, was die anderen sagen," dachte sie. „Wo sind denn meine Freundinnen aus der Schulzeit heute? Bis auf Britta hab ich keine einzige mehr gesehen, höchstens mal zufällig und manche sind heute noch blöde Hühner. Leider hab ich mir damals auch nichts dabei gedacht, wenn ich über Jonas gelacht habe. Ich hab ihn ja eigentlich gar nicht gekannt und mir auch nicht die Mühe gemacht, daran was zu ändern...."
Julia wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als es an der Tür zum Sekretariat klopfte.
„Ja, bitte?", rief Frau Hellenberg und ein junger Mann betrat den Raum. „Guten Tag, ich bin Herr Valler, das neue Wesen, das den Schülern die Freuden der Mathe und der Physik näher bringen soll."
„Guten Tag, Herr Valler," sagte Julia höflich und er reichte ihr die Hand.
„Schön, Sie kennenzulernen," erwiderte der neue Lehrer und Julia dachte bei sich dass er ein recht aufdringliches Deo benutzte, das nur mit Mühe den Rauch, der wohl von der blauen Jeansjacke, die er trug, ausging,überdeckte.
Das Ding roch, als hätte er es mindestens eine Woche in einer verrauchten Disko hängen lassen.
Am liebsten hätte sie „Hier herrscht aber Rauchverbot", gesagt, verkniff sich dies aber, während Herr Valler nun auch Frau Hellenberg die Hand schüttelte.
„Hallo, Herr Valler," sagte die Schulsekretärin lächelnd. „Ich bin Frau Hellenberg und das ist Frau Becker....ich meine natürlich Frau Schneider, sie hat ja in den Ferien geheiratet..."
„FrauBecker also," stellte Herr Valler fest und wandte sich erneut zu Julia, während die sich ein wenig darüber ärgerte, dass er ihren neuen Namen so vollkommen ignorierte. Bestimmt war dies keine Absicht und er hatte den Rest von Frau Hellenbergs Satz nicht so richtig wahrgenommen.
„Also, man sieht sich, Frau Becker.....,"verabschiedete sich Herr Valler, als er das Büro verließ und Julia war sich sicher, dass er ihr zuzwinkerte."
„Schneider, ich heiße Schneider," nuschelte Julia noch, aber der neue Lehrer hatte bereits den Raum verlassen.
„Ist das Kerlchen nicht eine Augenweide?", erkundigte sich Frau Hellenberg. „Der ist ja zum Anbeißen! Da werden sich die Mädchen die Finger lecken und der wird in spätestens einem Monat zum Lieblingslehrer der Schülerinnen und Hassobjekt der Schüler werden! Obwohl, vielleicht hat er auch zu den Jungs einen ganz guten Draht. Der sieht aus, als würde er mit denen in die Disko und ins Kino gehen!"
„Er richt zuminest so, als würde er in die Disko gehen und sich hinterher nicht umziehen," dachte sie, konnte sich ein Kichern aber nicht verkneifen. „Na, ein Herz scheint er ja schon erobert zu haben! Aber ich kann nicht sagen, dass er unbedingt mein Typ ist. Zu viel Sonnenbank....und das Goldkettchen....naja, ist halt Geschmackssache. Dann der Zigarettenmief...So lange er nett ist....."
Es läutete erneut und Julia nippte an ihrer Tasse Kaffee. Dieses Mal schaffte sie es entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit tatsächlich einmal, ihr Koffeingetränk in heißem Zustand zu trinken.
„Lucas, der Bruder von Jonas, hat heute auch seinen ersten Schultag!", sagte sie dann, an ihre Kollegin gewandt. „Der Kleine geht auf ein Wirtschaftsgymnasium..."
Sie lachte kurz auf.„Naja, so klein ist er auch nicht mehr. Er wird doch schon bald siebzehn. In dem Alter denken sie wenigstens, dass sie erwachsen oder fast erwachsen sind und wenn wir wirklich Erwachsenen etwas anderes behaupten kriegen wir zu hören, dass wir keine Ahnung vom Leben haben!"
Frau Hellenberg lachte. „Aber ich glaube, so ist dein kleiner Schwager nicht...."
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
„Erwachsene! Die haben wirklich keine Ahnung vom Leben. Jedenfalls nicht vom Leben von Leuten, die die dreißig noch nicht überschritten haben," stellte Lucas murrend, an seinen Banknachbarn Thomas gewandt, fest.
„Stimmt!, antwortete Thomas und biss in sein Butterbrot. „Ich glaube, es gibt sonst keine Schule, die am ersten Schultag zur ersten Stunde anfängt und keinen Mathelehrer, der am ersten Tag einen Test schreibt, der auch noch benotet wird!"
„Denken, die wir lernen in den Ferien?", fragte Lucas den anderen Jungen, der bislang in die Parallelklasse der St. Andreas Realschule gegangen war, leise.
Nun hatte das Schicksal oder vielmehr das Schulsekretariat der berufsbildenden Schulen, die außer zahlreicher Berufsschulklasse für diverse Ausbildungsberufe auch eine Handelsschule sowie das Wirtschaftsgymnasium beherbergten, zusammen in eine Klasse geführt.
„Ruhe bitte! Und Sie....ähm, Torben...ähm oder wie war der Name? Egal. Legen Sie bitte das Butterbrot weg. Ich weiß nicht, was Sie bisher an ihren bisherigen Schulen in Sachen Benehmen gelernt haben, aber hier wird nicht im Unterricht gegessen! Dafür sind die Pausen da!", ertönte die Stimme des Mathelehrers Herr Zandmann, der gleichzeitig der Klassenlehrer sein würde.
„Mann, der nervt," flüsterte ein Mädchen, das vor Lucas und Thomas saß. „Und dann ein Test am ersten Schultag in der ersten Stunde an der neuen Schule...der kennt uns nicht mal...."
„Das habe ich gehört! Ich bin vielleicht schon über fünfzig, aber ich höre noch sehr gut!", rief Herr Zandmann und fügte hinzu:
„Ich schreibe darum einen Test, weil ich mir einen Überblick über Ihren Wissensstand machen möchte. Noten gibt es deswegen, damit Sie direkt merken, wo Sie selber stehen und damit Sie die ganze Angelegenheit ernst nehmen!"
Kurz darauf quälte Lucas sich mit den Testaufgaben herum. Allzu schwer fiel ihm das Überprüfte nicht, vieles hatte er bereits im letzten Schuljahr durchgenommen, auch wenn in dieser Zeit sehr viel Unterricht ausgefallen war.
„Das lag an den Dämonen! Da konnte ich nichts für. Aber der Kerl da vorne hat bestimmt keine Ahnung von so was. Eben keine Ahnung vom Leben. Schon gar nicht vom Leben von Teenagern, die die jüngeren Brüder von Dämonenjägern sind!", dachte Lucas, während er sich mit ein paar Algebra Aufgaben herumschlug. Dies waren die einzige Aufgabe auf dem Blatt, das ihm Schwierigkeiten bereitete. Algebra war noch nie seine Stärke gewesen.
Später an diesem Vormittag erlebte Lucas eine angenehmen Überraschung. Er betrat die viel zu kleine Cafeteria der neuen Schule und stellte sich an, um sich ein alt und hart aussehendes Brötchen, das mit einer Wurst belegt war, die nicht viel frischer wirkte, zu kaufen, als sich eine Hand von hinten auf seine Schulter legte.
Er drehte sich um und sah sich einer alten Schulkameradin – und gewissermaßen einer Art Exfreundin gegenüber.
„Meike! Was machst du denn hier? Ich dachte, du willst Arzthelferin werden?"
Meike nickte. „Stimmt, will ich auch. Auch wenn das richtig Medizinisch Technische Assistentin, kurz MTA, heißt. Aber heute habe ich Berufsschule. Das hab ich zweimal die Woche, immer Vormittags. Aber Nachmittags muss ich arbeiten gehen....ich hab schon Anfang August angefangen..."
Sie seufzte. „Es gibt wirklich schöneres.....und du bist auf dem Wirtschaftsgymnasium?"
Lucas nickte. Auch wenn Meike ihn vor längerer Zeit wegen eines Jungen namens Bennyund der Name machte ihn immer noch aggressiv, abserviert hatte, freute er sich tatsächlich, sie hier zu sehen. Ansonsten hatte er, außer Thomas, noch niemanden getroffen, den er auch nur vom Sehen kannte.
„Hast du noch jemanden hier gesehen? Von der alten Garde?", fragte Lucas daher, aber Meike schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht. Ich glaube, ich hab Steffi und Linda aus der ehemaligen 10c gesehen, die lernen jetzt beim Rechtsanwalt. Aber sonst ist keiner hier. Eigentlich sollte auch Nadja kommen. Die hat glaube ich ein Praktikum beim Friseur gemacht...."
Lucas lachte, als er an die nicht sonderlich intelligente, aber stets modisch gestylte ehemalige Mitschülerin dachte. „Arme Kunden! Ich weiß nicht, ob ich die an meine Haare lassen würde. Am Ende schneidet die alles ab...."
Meike lachte nun ebenfalls. „Ich habe auch gehört, dass sie beim Friseur nach drei Tagen rausgeflogen ist, weil sie sich einfach zu dämlich angestellt hat. Es gibt Gerüchte, dass sie einer Oma fast die Haare rausgerissen hat, als sie die kämmen wollte, obwohl sie das als Praktikantin gar nicht machen sollte...."
„Und was macht Sabrina?", erkundigte sich Lucas nun nach einem der wenigen Mädchen aus der Klasse, mit der er sich gut verstanden und sogar einmal gemeinsam gegen einen Dämon gekämpft hatte.
Meike zuckte die Achseln.„Die will Kindergärtnerin werden. Oder Erzieherin. Ich glaube so heißt das richtig. Die Berufsschule ist aber nicht hier im Ort. Die Arme muss jeden Tag eine Stunde mit dem Bus fahren. Findet sie aber nicht so schlimm, die freut sich total auf ihre Ausbildung."
Lucas bedauerte es ein wenig, dass Sabrina nicht mit ihm auf das Gymnasium gewechselt hatte. Der gemeinsame Kampf gegen einen Dämon verband nun einmal.
„Andy macht auch eine Ausbildung, zum Kfz-Mechaniker. Der hat auch schon Anfang August angefangen und es gefällt ihm auch. Er hat einen coolen Chef, ich hab ihn da neulich mal abgeholt," berichtete Lucas nun seinerseits, was aus einem anderen ehemaligen Mitschüler und seinem engsten Freund geworden war.
„Wie gefällt es dir denn beim Arzt?", erkundigte sich Lucas nun. „ Andys Schwester ist Zahnarzthelferin....obwohl es da inzwischen bestimmt auch eine andere Bezeichnung gibt..."
Meike zuckte die Achseln. „Die Arbeitszeiten sind fast endlos. Es geht um acht Uhr los, aber ich soll immer schon um halb acht da sein. Dann geht es bis ein Uhr. Anschließend Mittagspause. Die geht bis um vier, aber meistens geht eine Stunde drauf, weil noch Patienten da sind. Offiziell geht es Abends bis um acht, aber vor halb neun komme ich nicht raus."
„Oh, das ist aber lang," stellte Lucas fest.
Meike nickte und machte keinen sonderlich glücklichen Eindruck. „Die anderen in meiner Klasse haben nicht so krasse Arbeitszeiten. Da hab ich wohl die falsche Praxis erwischt. Die Kolleginnen sind ganz in Ordnung, aber der Chef.....der ist ein richtiger Choleriker und brüllt mit uns rum. Zwei Kolleginnen haben dieses Jahr schon gekündigt, eine ist nicht mehr aufgetaucht, da weiß keiner, wo sie eigentlich steckt....wahrscheinlich traut sie sich nicht, offiziell zu kündigen...."
Ihre letzten Worte ließen Lucas kurz aufhorchen und er hackte nach. „Mitarbeiter die einfach so verschwinden? Das stimmt vielleicht was nicht...."
Meike lachte. „Wieso? Glaubst du, dass Außerirdische die entführt haben? Der Chef sagte, dass er sie nicht erreichen könne, aber die hat er am Tag vorher wohl ordentlich zur Sau gemacht und sie ist weinend aus der Praxis gelaufen. Das weiß ich von meinen Kolleginnen und die tratschen gerne viel und bauschen einiges auf. Ich war damals noch nicht da und kann darüber nicht viel sagen."
Ihr Lachen verschwand und mit einem Mal wirkte sie fast schon unglücklich. „Ich kann nur sagen, dass er wirklich schrecklich ist. Ich hab neulich so eine Patientenakte falsch einsortiert. War blöd, stimmt. Aber ich hab es ja nicht absichtlich gemacht. Der hat mich dermaßen angebrüllt und gemeint ich wäre das Dümmste, was ihm jemals über den Weg gelaufen ist. Zur Strafe durfte ich nicht in die Mittagspause!"
Anscheinend hatte Meike es wirklich nicht allzu gut getroffen. „Das tut mir leid. Und du bist nicht dumm. Ich traue mir auch zu, dass ich mal was falsch einräume. Hab ich auch. Ich habe doch damals schon mal im Supermarkt gejobbt. Da habe ich mal Bohnen zwischen die Bockwürste gestellt und ein alter Mann kam und fragte, ob das eine neue Wurstsorte wäre...."
Nun lachte Meike wieder und sie warf ihm einen dankbaren Blick zu, was ihn zu einer Frage veranlasste, von der er nicht wusste, ob er sie wirklich stellen sollte. „Sag mal, bist du eigentlich noch mit diesem.....Benny zusammen?"
Sie zuckte zusammen und er fragte sich, ob er mit der Frage zu weit gegangen war. „Naja.....eigentlich nicht mehr. Das war zum Schluss so eine On-Off-Beziehung und seit Frühling ist es jetzt eigentlich vorbei. So alle paar Wochen ruft er mal an, ob wir was zusammen machen sollen, aber beim letzten Mal hat er mich vor dem Kino stehenlassen...."
Sie brach ein wenig peinlich berührt ab. Anscheinend war es ihr bewusst geworden, dass das Thema Benny ein recht empfindliches für ihn war. Statt dessen stellte sie nun eine Frage, die auch. nicht viel erfreulicher war.
„Sabrina hat mir erzählt, dass einer eurer gemeinsamen Bekannten gestorben ist? Gerd oder so ähnliche?"
„Gerrit," korrigierte Lucas sie. „Du kanntest ihn nicht, er hat sich.....nur manchmal an unserer Schule, ähm,herumgetrieben, als wir in der neunten Klasse waren. Da haben Sabrina und ich ihn kennen gelernt...."
Die stimmte sogar indirekt. Meike hatte Gerrit lediglich in seiner Statuengestalt gesehen, aber ansonsten nie etwas mit ihm zu tun gehabt.
„Er ist dann nach Bayern gezogen. Und er hatte wohl eine Art....Blutvergiftung.....und ist daran gestorben", fuhr Lucas mit dem auch für ihn traurigen Thema fort. Er und Gerrit hatten sich gut versanden und einige Zeit zusammen in Raichelbach verbracht.
„Er war wirklich in Ordnung. Gerrit hatte es nie leicht und trotzdem hat er sich Sachen zugetraut, die sich manch ein anderer nicht getraut hätte."
„Das tut mir leid," antwortete Meike und griff kurz nach seinem Unterarm und strich tatsächlich für einen Moment darüber. „Es trifft eben immer die falschen. So wie unseren Nachbarn. Immer nett, ich glaube, der hat in seinem ganzen Leben noch nie was wirklich Gemeines gemacht. Und der kriegt einen Herzinfarkt und fällt tot um. Dabei war er gerade mal Mitte fünfzig. Das ist doch gar kein Alter. Ich kannte ihn schon, seitdem ich klein war. Das war so einer, der an Halloween mit einem riesigen Eimer Süßigkeiten vor seinem Haus stand und jedem eine große Handvoll in die Tüte gepackt hat. Wenn Straßenfest war hat er immer die ganze Arbeit gemacht und beim Aufbau und beim Abbauen geholfen....unfair so was...."
Dem konnte Lucas nur zustimmen. Auch Gerrit hatte, soweit Lucas dies wusste, wohl niemals etwas wirklich Gemeines oder Grausames getan, hatte ihm Gegenteil lange Zeit einiges einstecken müssen und es irgendwie geschafft nicht vollständig daran zu zerbrechen.
Vor einigen Tagen hatte Gerrits Freundin Lisa, mit der er lange Zeit, eigentlich die ganze Zeit seines neuen Lebens, zusammen gewesen war, eine SMS an ihn, Jonas, Julia und andere Bekannte geschickt.
Sie war mit ihren Eltern an den Gardasee gefahren, weil sie der Meinung waren, dass ihre Tochter ein wenig Ablenkung brauchte. Anscheinend gefiel es Lisa auch wirklich sehr gut an ihrem Urlaubsort – so gut, dass sie ihre Erlebnisse dort am liebsten mit Gerrit geteilt hätte.
„Seine Freundin wird noch lange brauchen, um drüber wegzukommen," sagte Lucas leise und Meike sah ihn traurig an.
„Kann ich verstehen. Wenn ich daran denke, wie lange ich an Benny geknabbert habe....und der hat bloß Schluss gemacht und ist nicht gestorben....."
Aber Lucas wollte jetzt garantiert nicht überBennysprechen. Er mochte ihn nicht, würde ihn niemals mögen. Diesen blöden Freundinausspanner....und ihn auf eine Stufe mit Gerrit zu setzen....naja, er gestand es Meike zu, dass sie Gerrit nicht gekannt hatte.
Schnell wechselte er das Thema. „Wann hast du denn heute Abend Feierabend? So gegen halb neun sagtest du?"
Sie nickte unglücklich. „Ja, hab ich. Aber vielleicht.....würde ich mich schneller von dem Stress erholen, wenn ich hinterher noch mit jemandem ein Eis esse gehen könnte...."
„Hättest du denn Lust? Sag mir bei welchem Arzt du arbeitest und ich hole dich heute Abend ab...und lade dich ein.....", schlug Lucas vor, auch wenn er wusste, dass sein Vater es nicht so gut fand, wenn er bei beginnender Dunkelheit noch unterwegs war und stets froh war, wenn sein jüngster Sohn noch bei Tageslicht, zur Nicht-Statuen-Spukstunde nach Hause zurück kehrte.
Auch bei Georg hatte der Einsturz eines bisher sicher geglaubten Weltbildes, in der nun einmal keine Dämonen vorkamen, seine Spuren hinterlassen und es reichte ihm, dass sein ältester Sohn andauernd mit diesen Wesen zu tun hatte.
Für Lucas wünschte er sich ein weitgehend normales Leben. So gesehen konnte Lucas ihn durchaus verstehen.
„Naja, ich bin ein normaler Normalo auf einem Wirtschaftsgymnasium. Ich hole heute Abend ein ganz normales Mädchen aus einer ganz normalen Arztpraxis ab um mit ihr ein normales Eis in einer normalen Eisdiele zu essen.
Es klingelte und Lucas hoffte, dass die nächste Stunde nicht wieder mit einem überraschenden Test am ersten Schultag beginnen würde.
Außerdem war vielleicht doch nicht alles so normal. Beim Gedanken an die verschwundene Arzthelferin läuteten bei Lucas ein paar Alaramglocken. Vielleicht irrte er sich auch. Nicht alles hatte etwas mit Dämonen zu tun.
Manches war auch einfach.....normal....
DU LIEST GERADE
Dämonische Statuen - Rache
Misteri / ThrillerDiese Geschichte bringt die verschiedenen Handlungsstränge aus Dämonische Statuen - Zwei Feinde und Dämonische Statuen - Jessicas Geschichte zusammen. Vier der Höllendämonen wurden bereits besiegt, aber die Dämonenjäger werden nach wie vor gefordert...