Kapitel 52

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  Die Musik dröhnte in Julias Ohren, während sie ihren Cocktail auf den Thresen stellte und sich an Ute, die Lebensgefährtin von Jonas Kollegen Ingo, wandte.
„Laut hier, was?"

Ute, die ein langes weißes Kleid, das mit Totenköpfen bedruckt war, trug sah die andere junge Frau fragend an und zuckte dann die Achseln. Sie bewegte die Lippen und sagte nach Julias Vermutgung wohl etwas wie: „Ich verstehe dich nicht, es ist zu laut."

Ute lehnte sich an den hinter ihr stehenden Ingo, der sich als Pirat, der sehr an Jack Sparrow erinnerte, verkleidet hatte. Zwar passte das Kostüm nach Julias Einschätzung nicht so ganz zu Halloween, aber kamen in den Filmen nicht auch untote Piraten, der Fliegende Holländer und dergleichen vor? Also ging das Kapitän Jack Kostüm wohl doch irgendwie durch.

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und sie drehte sich um, als ihr als Dämonenstatue verkleideter Mann hinter ihr stand.
Tatsächlich hatten Jonas und Julia sich in graue Gewänder gehüllt und auch die Haare mit einer Sprühdose für einen ihrer Meinung nach hässlichen Grauton bearbeitet. Jonas hatte rote Kontaktlinsen aufgetrieben und hatte nun wirklich etwas statuenartiges an sich, während sie selber sich geweigert hatte, die roten Linsen in die Augen zu stecken.

„Am Ende habe ich dann noch eine Bindehautentzündung oder eine Allergie," hatte sie abgelehnt und bitter hinzu gefügt: „Dann kann ich Vallers volle Schönheit nicht mehr bewundern!"

Also hatte sie sich die Augen mit roter Schminke umrandet und ihrem Mann dann zusätzlich zu dessen Kontaktlinsen die gleiche Behandlung zukommen lassen.

Anschließend hatte Jonas bei Ingo und Ute angerufen und die beiden gefragt, ob sie nicht auch in die Disko in der Kölner Innenstadt gehen wollten, um Halloween zu feiern. Ingo hatte sofort Lust gehabt, während er seine Freundin noch ein wenig überreden musste, denn Ute hatte eine beruflich anstrengende Woche hinter sich.

Aber schließlich hatte sie sich doch noch bereitschlagen lassen und die anderen begleitet.

Die Musik wurde leiser und endlich war es kurz möglich, miteinander zu sprechen. „Sagt mal, was stellt ihr beiden eigentlich dar?", erkundigte sich Ute bei Julia. „Ich komme nicht drauf..."
„Dämonenstatuen," beantwortete Jonas die Frage an Julias Stelle. „Statuen, die von Dämonen besseelt sind und Jagd auf Seelen machen...zum Beispiel die von Julia..."

Er zog Julia an sich und kitzelte sie unter den Armen.

„Ekel!", rief diese und drehte sich zu Jonas um, der sie auf die Tanzfläche zog, während Ute sich fragend an ihren Lebensgefährten wandte.
„Ingo, weißt du, was eine Dämonenstatue ist? Die kenne ich gar nicht? Aus welchem Film oder welcher Serie stammen die?"
Ingo, der über die Statuen Bescheid wusste, Ute aber niemals etwas davon berichtet hatte, zuckte die Achseln. „Ich glaube, das war irgend so ein B-Horror-Movie. Statuen wollen die Weltherrschaft übernehmen und ein ausrangierter Star aus den 80er oder 90ern, der sonst keine Rolle mehr bekommt, rettet die Welt....hab ich mal gehört..."

Ute lachte. „Naja, klingt ja witzig. Und die beiden sehen auch irgendwie niedlich aus...."

Die Musik setzte wieder ein und machte jedes Gespräch unmöglich.Glücklicherweise war es ein etwas langsameres Stück und so konnte Julia sich auf der Tanzfläche ein wenig enger an Jonas schmiegen.
Er sagte irgend etwas, aber sie verstand es nicht, während er sie enger an sich drückte.

Und so genossen die beiden Dämonenstatuen inmitten von Vampiren, Hexen, Piraten und Clowns, die an Pennyweise aus ES erinnerten, den Abend, als die Musik mit einem Mal stoppte und der DJ zu einer kurzen Ansprache ansetzte.
„Mitternacht! Halloween ist eigentlich vorbei. Aber wir feiern noch durch bis Morgen früh!"

„Ja, lass uns feiern, „wir haben es uns verdient,", sagte Jonas an Julia gewandt."Auch wenn vorhin einer angerufen hat. Bestimmt Lucas oder mein Vater, der geht jetzt um die Zeit ins Bett..."

Julia stöhnte leise auf. Anscheinend hatte Jonas sein Handy auf Vibration gestellt, denn hören konnte er ein Klingeln bei der lauten Musik sowieso nicht. Trotzdem machten sie Telefonanrufe um diese Zeit nervös.
Vielleicht war es ja auch Valler, der zu dem Schluss gekommen war, dass ihr Mann auch recht gut aussah und nun beschlossen hatte, diesen an ihrer Stelle zu stalken....

Aber dies hielt sie für unwahrscheinlich, immerhin war Jonas alles andere als freundlich mit ihm umgegangen. Oder gefiel ihm genau dies? Wer wusste schon, was in Vallers Kopf vorging?

„Julia, hör auf zu grübeln, tanzen," grinste Jonas sie an und sie beschloss, ihre Gedanken, die am Ende noch dazu geeignet waren, den Abend zu verderben, zu vertreiben.



Erst Zuhause schaute Jonas noch einmal auf sein Handy und hätte sich am liebsten selber getreten. „Mist....es war doch dringend...," sagte er, als er Julia die Nachricht zeigte.

„Dämonen in Raichelbach. Brauchen Hilfe. Lisa ist in Gefahr. Bitte melde dich!"

„Von Frau Huber. Ich muss sie anrufen," sagte Jonas, während Julia, der ein wenig schwindelig war, sich aufs Sofa setzte.
„Dämonen! Ist man nie vor denen sicher?", murmelte sie und lehnte sich zurück, während sie hinzufügte: „Da sag noch mal einer, dass nur jüngere Leute wissen, wie man SMS verschickt. Gut, dass Frau Huber nicht zu denen gehört, die so was für Teufelswerk halten. Aber sie kennt sich mit wirklichen Teufeln und dergleichen wahrscheinlich gut genug aus, genauso wie der Rest von uns...."

Der Abend war doch so schön gewesen und jetzt war alles vorbei. Trotzdem hörte sie genau zu, als Frau Huber anscheinend fast sofort ans Telefon ging.
„Frau Huber? Was ist mit den Dä....schon erledigt? Wer?"

Julia horchte auf, als sie den zwar erstaunten, aber dennoch erleichterten Gesichtsausdruck ihres Mannes sah.
„Lisa und Toni? Wer ist Toni?", fragte Jonas, während Julia ihn fragend ansah. „Zahnklinik? Arme Lisa! Gute Besserung....", beendete Jonas schließlich das Gespräch.

„Was ist los?", erkundigte sich Julia, während Jonas neben ihr Platz nahm. „In Raichelbach standen zwei Dämonen auf einem Grab herum...."
„Einfach so?", fragte Julia, der der Alkohol des Abends zu Kopfe gestiegen war. „Ich weiß, das ist nicht komisch..."
Jonas grinste ein wenig unsicher.„Ist es auch nicht. Die hat irgend jemand geschaffen um die Familie von einem gewissen Toni, dem Freund von Lisa..."
„Sie hat einen neuen Freund? Das...freut mich für sie....", nuschelte Julia, aber Jonas schüttelte den Kopf. „Nicht so ein Freund. Einfach ein Freund. So wie Britta deine Freundin ist....nur in männlich...

Julia nickte. „Was hat die Zahnklinik damit zu tun?"

„Die arme Lisa! Einer der Dämonen hat ihr ordentlich eine gelangt und da hat sie einen Zahn verloren! Das tut bestimmt weh. Ich hab zum Glück noch nie so einen Treffer abbekommen. Bei mir waren es nur gebrochene Rippen und solche Sachen...dann mal ein Schuss in die Brust, ein Stich in den Rücken...", antwortete Jonas und Julia fühlte Mitleid in sich aufsteigen, wenn auch weniger mit Jonas, der doch alles überstanden hatte, als mit Lisa.
„Arme Lisa! Hoffentlich war das kein Schneidezahn! Das kann man zwar überchronen, aber bis dahin sieht es trotzdem blöd aus. Und übernimmt das die Krankenkasse? Sie ist ja noch minderjährig. Sie wird erst demnächst achtzehn....und Britta sagte, bei Kindern wird viel mehr von der Kasse übernommen...trotzdem...die arme Kleine. Erst Gerrit, dann ihr Zahn...."

Jonas setzte sich neben seine auf dem Sofa liegende Frau und hob ihre Beine auf seinen Schoß, da er nur auf diese Weise Platz fand.
„Es war ein Backenzahn. Wenn sie Glück hat sieht man von außen nicht so viel oder gar nichts. Und man kann da bestimmt auch was machen. Aber der Arzt hat sie in die Zahnklinik gefahren. Da muss wohl ein Zahnchirurg ran..."

Er lehnte sich seufzend zurück und schloss die Augen. „Aber die beiden scheinen gute Arbeit geleistet zu haben. Die Dämonen sind erledigt, auch wenn es Lisa einen Zahn gekostet hat. Eine coole gezackte Narbe auf der Stirn wäre natürlich noch ehrenvoller..."  

Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt