Ein paar Tage später schlenderte Tamara über den Schulhof ihrer Gesamtschule und es kam ihr sonderbar vor, dass sie nun zu den Schülern der Oberstufe gehörte. Hatte sie nicht als kleine Fünftklässlerin stets davon geträumt, einmal zu den Großen, deren Schulzeit bald vorüber war, zu gehören?
Und dann war die Zeit letztlich doch fast schon zu schnell vergangen. Ihr Bruder hatte die Schule verlassen, dadurch, dass er ein Schuljahr wiederholt hatte, war er zum Schluss mit ihr in einem Jahrgang gewesen. Für ihn hatte es leider nur zu einem Hauptschulabschluss gereicht, leider nicht mit den besten Noten.
„Aber im Supermarkt hängt er sich wirklich rein. Er ist wirklich froh, dass er die Stelle da überhaupt bekommen hat und hat sich sogar bei Mama bedankt, weil die ja seine Chefin kannte," dachte sie und machte einen Satz nach vorne, als sie von hinten angerempelt wurde.
„Pass doch auf, Streberin! Fürs Laufen kriegst du keine Eins," kicherte ein dunkelhaariges Mädchen und ein anderes, bei ihr untergehaktes rothaariges Mädchen grinste breit.
„Jenny und Annika," dachte Tamara entnervt.
Sie konnte die beiden nicht ausstehen oder vielmehr: Sie hasste sie wie die Pest. Zum Glück hatte sie bislang noch nie das Pech gehabt, mit ihnen in einer Klasse zu sitzen und das hatte sich auch jetzt, in der Oberstufe, nicht geändert.
Trotzdem waren ihr die beiden bereits seit dem Kindergarten immer wieder über den Weg gelaufen und irgendwie hatte Tamara stets das Gefühl, ein „Seid fies zum Tamara"- Schild zu tragen, wenn sie aufeinandertrafen.
„Damals waren es Förmchen im Sandkasten, dann haben sie mir am ersten Schultag die Schultüte versteckt, als ich auf der Toilette war. Die hatten sogar am ersten Schultag, inmitten von lauter stolzen Eltern und anderen Kindern, nichts besseres zu tun, als sich in die Tiger-Klasse 1 A zu schleichen und die Tüte im Schrank zu verstecken. Keine Ahnung, wie sie das geschafft haben. Zum Glück hatte es ihre Lehrerin aus der Bienen-Klasse 1 B gemerkt und die beiden haben Ärger bekommen.," dachte sie entnervt, während sie den kichernden Mitschülerinnen hinterher blickte.
Auf dem Schulhof der Grundschule hatten die beiden immer gelacht, wenn Tamara an ihnen vorüber ging und sie hatte sich manchmal gefragt, ob mir ihr tatsächlich etwas nicht stimmte. War sie denn eine Witzfigur und alle anderen außer Jenny und Annika nur zu höflich, um es ihr zu sagen?
Aber die beiden waren zu ihrem Glück die einzigen Mädchen, mit denen sie derartige Probleme hatte. Zumindest war es den beiden niemals gelungen, andere gegen sie aufzuhetzen und sie hatten wohl auch kein Interesse daran. Jenny und Annika begnügten sich damit, ihr zu zweit das Leben in eher unregelmäßigen Abständen schwer zu machen.
Sie lächelte, als sie daran dachte, dass Manuel sie in der 3. Klasse, als er selber in die 4. ging, einmal gerächt hatte.
Die Schulranzen der beiden hatten sich nach dem Sportunterricht auf dem Dach einer nahen Garage wiedergefunden, nachdem sie zuvor Tamaras Ranzen zum wiederholten Male in der Schultoilette versteckt und ihr dort die Tür zugehalten hatten....
Allerdings hatte diese Aktion Manuel eine Menge Ärger eingebracht und ihre Mutter hatte ihm einen langen Vortrag zum Thema fremdes Eigentum gehalten. Leider hatten die Eltern der beiden Mädchen einen derartigen Vortrag wohl nicht für nötig gehalten, denn ein paar Tage später hatte Tamara ihren Ranzen aus einem Mülleimer auf dem Schulhof fischen dürfen.
Danach war glücklicherweise ein wenig Ruhe eingekehrt, denn ihre beiden Feindinnen hatten ein neues Opfer, ein kleines Mädchen aus der 1. Klasse, gefunden.....
„Blöde Kühe! Als ob die was besseres wären. Und weiß Annika eigentlich nicht, dass Bauchfrei mittlerweile out ist? Und so große Ohrringe wie Jenny trägt man doch seit 20 Jahren oder länger nicht mehr. So was hatte meine Mutter mal auf alten Fotos aus den 80ern an....außerdem hat Jenny einen fetten Hintern, zumindest, wenn sie diese zwei Nummern zu kleine kurze Hose anzieht!"
Sie kicherte. Irgendwie machte es ihr Spaß, so bösartig über ihre beiden Erzfeindinnen nachzudenken.
Gleichzeitig ärgerte es sie, dass die beiden es tatsächlich in die gymnasiale Oberstufe geschafft hatten. Aber nach allem was sie wusste waren die beiden nicht so hohl und oberflächlich, wie sie manchmal taten. Jenny war wohl sehr gut in Mathe und Physik, während Annika sich ganz gut in Sachen Fremdsprache schlug.
„Hätten die nicht irgendwas anderes machen können? Zum Beispiel zu Castingshows rennen, um Model zu werden oder so etwas in der Art?", dachte Tamara frustriert.
Jetzt würde sie sich noch eine Weile mit ihnen herumschlagen müssen.
Es klingelte und die erste Pause des ersten Schultages neigte sich dem Ende zu. Eine Stunde noch, und sie würde nach Hause gehen können. Sie freute sich darauf, denn trotz des heftigen Gewitters einige Tage zuvor war es sehr schwül und wahrscheinlich stand das nächste Unwetter schon unmittelbar bevor.
Sie dachte mit einem Anflug von Mitgefühl an ihren Bruder Manuel. Er würde erst gegen 19 Uhr Feierabend machen können, aber wenigstens gab es im Supermarkt eine Klimaanlage. Vielleicht durfte er ja heute in der Tiefkühlabteilung arbeiten?
Diese Vorstellung gefiel Tamara und sie bedauerte es zutiefst, dass es in ihrer Schule und wohl auch in keiner anderen Schule eine Klimaanlage gab.
„Sind ja nur wir Schüler! Wären wir irgendwelche Manager in Wolkenkratzern hätten wir es bestimmt schön kühl und im Winter immer kuschelig warm!"
Sie machte sich auf den Rückweg in ihren Klassenraum,blieb aber unvermittelt stehen, als sie sah, dass auch noch jemand anderes das Schulgebäude betrat.
„Dominik.....dem will ich eigentlich nicht über den Weg laufen....," dachte sie, gab sich dann aber einen Ruck, während Dominik sie offenbar noch nicht bemerkt hatte. Er unterhielt sich mit zwei anderen Jungen und einem Mädchen die ebenfalls in die letzte Klasse der Oberstufe gingen. Tamara kannte sie flüchtig.
„Er sieht so normal aus. Eigentlich sogar....nett. Nicht wie jemand, der vor kurzem noch mit meinem Bruder gekämpft hat oder mit dem ich eine merkwürdige Verbindung hatte und den ich in meinen Träumen treffen konnte. Mit seinen Freunden sieht er einfach nur normal aus und wäre alles normal würde es mich überhaupt nicht stören, wenn er mir jetzt zuwinkt oder mich grüßt....," dachte sie mit einem Anflug großen Bedauerns.
War es nicht eigentlich Blödsinn, sich dermaßen aus dem Weg zu gehen? Er war nicht schuld an den Ereignissen der letzten Wochen gewesen, hatte es sich weiß Gott nicht ausgesucht für einen bösartigen Höllendämon in den Kampf ziehen zu müssen. Und hatte Dominik nicht selber genügend durchgemacht? Er war zeitweise, durch die Schuld des Dämons, blind gewesen.....
„Es wäre Manuel gegenüber nicht fair," sagte sie sich und fühlte schwesterliche Loyalität in sich aufsteigen.
Aber das nächste Schuljahr würde, in Anbetracht einer nervigen Jenny und deren Anhängsel Annika sowie der Gefahr, Dominik ständig über den Weg zu laufen, nicht einfach werden....
„Nebenbei muss ich auch noch versuchen, einen halbwegs guten Kontakt zu den anderen hier herzustellen. Leider ist es mir nicht in die Wiege gelegt worden, sofort der Mittelpunkt einer jeden Party oder eines jeden Klassenraums zu sein," dachte sie und war ein wenig traurig darüber, dass sämtliche Mitschülerinnen, mit denen sie sich recht gut verstanden hatte, die Schule nach der 10. Klasse verlassen hatten.
„Nur noch eine Stunde, dann ist es bis heute geschafft," sagte sie sich, als sie sich in einem Pulk von Schülern durch den Eingang quetschte. „Noch eine Stunde und dann nur noch ein paar Jährchen bis zum Abi. Bald ist es geschafft!"

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Dämonische Statuen - Rache
Misterio / SuspensoDiese Geschichte bringt die verschiedenen Handlungsstränge aus Dämonische Statuen - Zwei Feinde und Dämonische Statuen - Jessicas Geschichte zusammen. Vier der Höllendämonen wurden bereits besiegt, aber die Dämonenjäger werden nach wie vor gefordert...