Kapitel 6

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Julia kämpfte gegen einen Hustenanfall an, als sie bei der Erinnerung an die erste merkwürdige Begebenheit, die Britta erlebt hatte, denken musste.

„Stell dir vor, ich habe neulich meinen Großonkel Horst gesehen! Im Eiscafe!", hatte Britta gesagt, als Julia sie zwei Wochen zuvor besucht hatte. Dann kicherte sie und Julia fragte sich, was daran so lustig war. Sie hatte auch einen Großonkel, Rüdiger, und der verließ sein Haus schließlich auch von Zeit zu Zeit. Sie wusste nicht, wie sie es Britta schonend beibringen sollte, aber Onkel Rüdiger fuhr mit seiner Frau, Großtante Helga, sogar noch regelmäßig in den Urlaub, meist in den Schwarzwald....

„Warum lachst du?", fragte sie daher auch ein bisschen verwundert. „Ist dein armer Onkel so alt, dass es ein Wunder ist, dass er es noch ins Café schafft? Sei doch froh, dass ältere Menschen noch was unternehmen und nicht nur traurig und allein zuhause sitzen!"

Britta kicherte erneut. „Der war gut. Zum einen ist eine Begegnung mit Onkel Horst niemals lustig oder in irgend einer Weise erfreulich gewesen. Er hatte immer was zu meckern, war ein notorischer Nörgler. Außerdem hat er nichts im Eiscafé zu suchen, er ist nämlich seit sieben Jahren tot."

„Oh....", entfuhr es Julia und ein Gefühl der Beklommenheit hatte sich in ihrer Magengrube breit gemacht.

Standen jetzt schon die Toten aus den Gräbern auf? Waren sie von Dämonen besessen? Zeigte sich hier ein neues Problem? Schließlich war nichts unmöglich, das hatten sie in der letzten Zeit doch wirklich oft genug erfahren müssen.

Aber Britta schien ihre Gedankengänge zu erahnen. „Keine Panik! Es war kein Geist. Auch kein Dämon oder Wurzelgnom."

Sie lachte erneut. „Obwohl, letzteres passt auf Onkel Horst....Wurzelhorst...."

Julia seufzte demonstrativ, aber ihr Herzschlag beruhigte sich allmählich wieder. Brittas Reaktion nach war es kein beängstigendes Ereignis gewesen. „Was willst du mir jetzt eigentlich sagen? Dass es normal ist, dass Wurzelhorst sieben Jahre nach seinem Ableben im Eiscafé sitzt?"

Britta bekam einen Hustenanfall vor Lachen und Julia stimmte schließlich mit ein. Irgendwie hatte die Situation ja auch was komisches an sich.

„Es war gar nicht Onkel Horst!", rückte Britta schließlich mit der Pointe heraus. Ich hab tatsächlich genauer hingesehen und der Mann fühlte sich schon geschmeichelt, dass ihn eine junge Frau so genau anstarrte. Aber es war nur ein Mann, der ihm einigermaßen ähnlich sah. Hatte aber eine andere Nase. Nicht so eine dicke Wurzelknolle wie Onkel Horst und mehr Haare. Außerdem war er höchstens sechzig und nicht Anfang achtzig, wie Wurzel am Ende seines Lebens. Jetzt wäre er bald neunzig und wäre er wirklich aus dem Grab gekommen hätte er bestimmt nicht so gut...."

„Britta, es reicht," unterbrach Julia ihre Freundin. „So genau will ich nicht über den Verwesungsprozess nach sieben Jahren diskutieren. Wenn ich das wollte, wäre ich Gerichtsmedizinerin oder Archäologin geworden. Es war also nicht dein Großonkel, sondern nur ein jüngerer Clon, der ihm nicht mal so ähnlich sah. Du hast dich schlicht vertan?"

Britta kicherte noch immer. „Ja, und dann kam eine Frau an seinen Tisch, nannte ihn Jupp und bat ihn, seinen Kaffee ein bisschen schneller zu trinken, weil das Parkticket ablaufen würde."

„Naja, so wirklich komisch war das ja nicht. Aber der Mann war bestimmt den Rest des Tages gut drauf. Eine junge Frau hat ihn angeschaut. Bestimmt war das gut für sein Ego, denn seine eigene schaut ihn vielleicht nicht mehr so an....", hatte Julia erwidert und Britta hatte den Kopf geschüttelt. „Nein, die schaute ihn bestimmt nicht mehr genau an. Sie hat dann noch geschimpft, dass er immer so langsam wäre und da wusste ich endgültig, dass es nicht Großonkel Horst war. Denn der war zwar auch langsam wie eine Schnecke, hätte aber nicht so mit sich reden lassen. Er war viel unfreundlicher. Darum war er zum Schluss ja auch allein. Irgendwie hielt es keiner bei ihm aus....kann halt nicht jeder so nett sein wie ich...."

Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt