Kapitel 21

9 1 0
                                    

 Jonas dachte über Julias Bemerkung mit den Brautkleidern nach. Wünschte sie sich eine kirchliche Trauung mit allem Drum und dran? Ihm kam es irgendwie merkwürdig vor, als Teildämon in einer Kirche zu heiraten. Oder gefielen ihr einfach nur die Kleider?

Beide schwiegen einen Augenblick, dann sagte er, dankbar darüber, dass ihm etwas einfiel, was sie beide von dem Thema Brautkleider ablenken würde: „Hast du auch was über diesen Mord in der Eifel herausgefunden? Und die Statue, die dort zerstört worden ist?"

„Natürlich! Eine ordentliche Sekretärin weiß alles!", antwortete Julia grinsend, wurde dann aber ernst. „Viel gab es nicht. Im Internet gab es eben auch einen kurzen Artikel über die Statue und ein paar Leute aus dem Ort regen sich darüber auf. Aber das geht alles in dieser Mordgeschichte unter. Das Opfer war ein älterer Herr, der etwas zurückgezogen lebte. Aber in einen Zusammenhang bringt das niemand. Sein Haus wurde wohl auch durchwühlt und es wurde einiges gestohlen. Geld und so. Eventuell hat er einen Einbrecher überrascht. Der Mann hieß übrigens Kurt Jochens und war 55 Jahre alt. Also stimmt das mit dem älteren Herrn eigentlich gar nicht, mein Vater ist auch nicht viel älter....
„Stimmt," antwortete Jonas. „Unter einem älteren Herrn verstehe ich auch eher jemanden, der im Altenheim versorgt werden muss und sich noch an den Kaiser erinnern kann. Und keinen im Alter unserer Väter. Meiner muss sich im Moment ja noch mit den Teenieproblemen von Lucas herumschlagen. Dem passt es nicht, dass Lucas die Beziehung zu dieser Meike so ernst nimmt und meint, dass Lucas vielleicht auf mich hören würde. Er macht sich Sorgen, weil Meike ihn schon mal hat fallen lassen. Wegen einem Kerl namens Benny. So ein Schönling..."

Er lachte. „Seit wann hören kleine Brüder auf die großen?"

Julia machte einen Vorschlag. „Übermorgen ist doch Samstag. Da könnten wir in die Eifel fahren und uns mal in dem Dorf umsehen. Aber ich vermute mal, dass da ein...Kollege von dir am Werke war, wenn es nicht einfach Vandalismus war. Der hat die Statue zerstört. Leider hat das dem armen Kurt Jochens nichts mehr geholfen, der wurde von einem Einbrecher getötet. Es gibt eben noch genügend menschliche Verbrecher....Danach fahren wir zu deinem Vater und dann..."

Jonas seufzte. „Eigentlich wollte ich dich ins Kino einladen. Oder mal in die Disko gehen. Haben wir schon ewig nicht gemacht. Aber ich sehe schon, dass wir uns nach dem Besuch bei der zerstörten Statue und einem anschließenden Besuch bei meinem Vater und Lucas die Zeit im Park um die Ohren schlagen werden. Oder vielmehr ich. Bleib du währenddessen am besten bei Britta. Bereite sie doch am besten schon mal vor, dass wir da am Wochenende einfallen werden."

Julia fiel noch etwas anderes ein. „Glaubst du, wir kennen deinen Dämonenjägerkollegen aus dem Dorf, wenn es ihn denn gibt? Glaubst du, er oder sie stammt von dort? Vielleicht war es ja Jessica? Felix? Oder einer von den beiden Felgenbergern?"

Jonas schüttelte den Kopf und wurde nun ebenfalls nachdenklich. „Das glaube ich nicht. Jessica und Felix sind in München. Hab erst gestern mit ihr telefoniert..."
„Ach ja?", erkundigte sich Julia mit bissigem Unterton in der Stimme, aber Jonas gab ihr einen leichten Stubser. „Nachdem ich ihr viele Komplimente gemacht habe, hat sie erzählt, dass sie im Moment ein bisschen nervös wegen einer alten Dame sind, die sich beim Zahnarzt komisch benommen hat. Aber sie werden mit der Sache wohl allein fertig...und an der Dämonenfront ist im Moment alles ruhig."

„Komplimente?", fragte Julia und ihr Unterton wurde noch bissiger."

„War doch nur Spaß! Du bist die einzige Frau, der ich Komplimente mache!", antwortete Jonas und drückte ihre Hand. „Das weißt du doch! Aber zurück zu den Dämonen. Manuel und Dominik schließe ich aus. Dominik sagte letzte Woche, dass er gerade erst wieder einigermaßen beim Schulsport mitmacht und Manuel scheint seine Waffen eingemottet zu haben. Außerdem hat ihm seine Verletzung noch mehr zu schaffen gemacht als das bei Dominik der Fall war. Aber ich werde trotzdem mal nachfragen....und Stefan saß noch im Knast."

„Also ein Unbekannter," stellte Julia nachdenklich fest. „Oder eben doch eine normale Sachbeschädigung, die dann ziemlich fies wäre. So was ist einfach eine Gemeinheit."

Julia schüttelte Jonas Arm, aber er reagierte nicht mehr. Also war er tatsächlich eingeschlafen. Sie rückte ein wenig näher an ihn heran, rollte sich zur Seite und zog dann ihr Schäfchen Joni unter dem Kopfkissen hervor. Irgendwie war das Tierchen zwischenzeitlich dort gelandet.

An ihrem Mann gekuschelt und Joni in der Hand haltend schlief sie schließlich ebenfalls ein.






An diesem Abend fand Dennis keinen Schlaf. Die Tatsache, dass sich in seiner Nähe eine Dämonenstatue befand weckte Erinnerungen, die er eigentlich in sein tiefstes Unterbewusstsein hatte verschieben wollen.

Er hatte, gemeinsam mit dem mittlerweile verstorbenen Sebastian, eine Zeitlang in der Gewalt eines Höllendämons befunden. Dasselbe Geschöpf hatte ihn bereits ein Jahr zuvor töten wollen. Beim ersten Mal hatte Jonas es verhindert, beim zweiten Mal war außer Jonas auch noch Gerrit daran beteiligt gewesen.

Dennis drehte sich auf die andere Seite und bemühte sich dabei, Britta nicht zu wecken, die irgendetwas vor sich hinmurmelte.
„Gerrit und Sebastian sind tot. Katja auch. Drei in innerhalb von nur zwei Jahren," dachte Dennis, wollte die düsteren Gedanken aber verscheuchen.

Daher schob er die Bettdecke zur Seite und stand leise auf. Wieder murmelte Britta etwas und Dennis sah sich zu einer beruhigenden Antwort genötigt. „Ich trinke nur einen Schluck Wasser und schau noch mal nach Anna-Lena," flüsterte er leise, aber Britta reagierte nicht mehr.

Kurz darauf stand Dennis am Bett seiner kleinen Tochter, die, eine kleine Plüschente im Arm haltend, tief und fest schlief.
Dennis lächelte. In der Nacht zuvor hatte sie das erste Mal seit ihrer Geburt durchgeschlafen und auch der Zahn, der sie gepeinigt hatte, prangte mittlerweile in ihrem Mund.

Er hoffte, dass die weiteren Zähnen weniger Schwierigkeiten bereiten würden und strich vorsichtig über Anna-Lenas Wange, ehe er das Kinderzimmer verließ.

Dass sich in ihrer Nähe ein Dämon befand störte ihn noch viel mehr!

Anschließend betrat er die Küche und öffnete den Kühlschrank. Er holte eine Flasche Wasser heraus und öffnete sie, als sein Blick auf den Mülleimer fiel.
„Mist, der Müll wird doch morgen früh abgeholt. Ich hab Britta versprochen, ihn rauszubringen....", dachte er und überlegte, ob er ihn jetzt noch nach draußen in die Tonne der Hausgemeinschaft bringen sollte.
„Das wäre Wahnsinn. Immerhin läuft hier eventuell eine Statue frei herum," sagte er sich und sah aus dem Fenster.
Nirgendwo war eine Statue zu sehen, statt dessen fuhr ein Auto die Straße entlang und eine Joggerin hechtete die Straße entlang.

„Das ist Frau Cruse," dachte Dennis.

Bei Frau Cruse handelte es sich um eine vierzigjährige alleinstehende Inhaberin eines Sonnenstudios und sie joggte allabendlich durch das Viertel. Sie hatte sich vor kurzem noch mit Britta unterhalten und erzählt, dass sie diese Tageszeit am liebsten mochte. Britta hatte sie daraufhin darauf hingewiesen, dass es doch nicht ungefährlich war, aber die Frau hatte abgewinkt. „Ich hab jahrelang Judo gemacht und jogge jedem, der mit etwas tun will, davon...."

Britta hatte Dennis von dem Gespräch berichtet und er hatte ihr zugestimmt. Judokenntnisse waren sicherlich hilfreich, aber bei Dämonen und manchen Verbrechern nutzten sie leider nicht allzu viel. Jetzt beruhigte ihn die Tatsache, dass noch jemand draußen unterwegs war irgendwie.

Er griff, ohne weiter darüber nachzudenken, nach dem vollen Müllbeutel und verließ die Wohnung.

Erst als er vor dem Haus stand und den Hausmülleimer öffnete fiel es ihm auf, dass er lediglich sein T-Shirt, in dem er regelmäßig schlief und eine Unterhose trug. Er hatte nicht einmal daran gedacht, sich Schuhe anzuziehen und seine Füße fühlten sich kühl und nass an.

Dennis blickte an sich herunter und sah, dass er in einer Pfütze stand. Es hatte erst am frühen Abend geregnet und nun wehte Dennis ein kühler Wind ins Gesicht.
„So ein Mist!", fluchte er ein wenig lauter als nötig.

War er denn verrückt geworden? Warum stand er in einem solchen Aufzug neben den Mülleimern in einer Pfütze?

Ein unangenehmer Gedanke drängte sich in sein Gehirn.

Stand er möglicherweise bereits unter dem Einfluss der Statue? Hatte sie ihn gerufen? So etwas war ihm immerhin bereits zweimal passiert. Aber damals hatte es sich gänzlich anders angefühlt. Er hatte gewusst, dass ihn etwas rief und auch, wer ihn rief. Er hatte sich nicht dagegen wehren können, so sehr er es auch versucht hatte.

Dieses Mal hatte er nichts dergleichen gespürt. Wahrscheinlich war er nur ein wenig durcheinander, so wie Britta, die aufgrund ihrer Übermüdung dauernd Geister sah.

„Ich sollte so schnell wie möglich wieder reingehen", dachte er und dann ging es ihm auf, dass er keinen Hausschlüssel mitgenommen hatte.
„Mist!", fluchte er noch einmal, wieder lauter als unbedingt nötig.

Er würde klingeln und Britta wecken müssen. Dies tat ihm leid. Sie hatte ihren Schlaf doch so nötig und in letzter Zeit viel zu wenig davon bekommen.
„Hoffentlich wird Anna-Lena nicht wach," dachte Dennis, während er den Mülleimerdeckel schloss. Er ging auf das Haus zu und dachte bei sich, dass ihm der Weg weiter vorkam als gewöhnlich.

Schließlich blieb er stehen und stellte fest, dass er es tatsächlich fertiggebracht hatte, in die falsche Richtung zu gehen.

Statt im Hauseingang fand er sich nun auf dem Bürgersteig, bei Hausnummer 9 statt 13 wieder....

„Was ist hier los? So vertrottelt bin ich doch nicht! Das stimmt etwas ganz und gar nicht," dachte Dennis und wunderte sich, dass keine Panik in ihm aufstieg. Die hatte er die letzten beiden Male zur Genüge gespürt, als er von Dämonen gerufen worden war.

Dass letzteres der Fall war stand für ihn außer Zweifel und im Grunde war es ihm doch die ganze Zeit über klar gewesen....

„Ich gehe jetzt nach Hause!", sagte er halblaut. „Nicht in den Park zu dieser Dämonenstatue."

Vollkommen kampflos würde er nicht aufgeben. Er drehte sich um und schaffte es tatsächlich, ein paar Schritte in die richtige Richtung zu gehen. Dann schien ihn etwas dazu zu drängen, sich umdzudrehen.
Anscheinend versuchte der Dämon es nun mit mehr Nachdruck, aber Dennis kämpfte gegen den Drang an und machte einen weiteren Schritt in Richtung seines Wohnhauses.

Er würde es schaffen, ganz bestimmt. Nach zwei weiteren Schritte blieb er stehen. Bald hatte er es geschafft. Er durfte jetzt nur nicht aufgeben. Direkt am nächsten Tag würde er, gemeinsam mit Britta und Anna-Lena, die Wohnung verlassen und sich in einem Hotel einnisten. Sie würden erst dann zurückkehren, wenn es diese verfluchte Statue nicht mehr gab!

Er machte einen weiteren Schritt, blieb aber erneut stehen – als er einen gellenden Schrei hörte.

„Das ist eine Frau!", dachte Dennis und fuhr herum.

„Nein, nicht!", schrie die Frauenstimme jetzt erneut und endlich hatte Dennis das Gefühl, wieder vollkommen klar im Kopf zu werden und Herr seiner Sinne zu sein.

Was sollte er tun? Zurück zum Haus laufen? Die Möglichkeit hatte er jetzt. Aber anscheinend hatte die Statue ein anderes Opfer gefunden. Konnte er die Frau, die dort in Gefahr war, allein lassen? Was sollte er überhaupt ausrichten?

„Bitte nicht!", schrie die Frau und Dennis fasste seinen Entschluss.

Sein Blick wanderte wild umher und dann sah er einen dicken Ast, der neben einem Baum lag. Das war immerhin besser als gar keine Waffe....auch wenn sich die Statue wahrscheinlich darüber kaputtlachen würde....aber wollte nicht schuld daran sein, dass am nächsten Morgen eine tote Frau neben der Statue gefunden wurde.  


Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt