Ohne Titel Teil40

21 1 0
                                    

  Lisa schlich leise in ihr Zimmer. Sie war froh, dass es ihr tatsächlich gelungen war sich aus dem Haus zu schleichen, ohne ihre Eltern zu wecken. Trotzdem beschloss sie, so etwas so schnell nicht noch einmal zu machen.

Sie hatte sich mehrere Eisenkrautblätter in die Tasche ihrer Jacke gestopft, ehe sie das Haus verlassen hatte. Schließlich hatte sie bereits schon einmal erlebt, was geschah, wenn eine Statue nach ihr rief. Das Gefühl war einfach abscheulich und sie wollte es nie wieder erleben. Die Pflanzen hatten mittlerweile auch ein Zuhause in ihrem gesamten Haus gefunden und Lisas Eltern hatten sie gewähren lassen, als sie die Blumentöpfe auf den Fensterbänken verteilte.

Sie hatten keinerlei Fragen gestellt. Vielleicht ahnten sie den Grund und fürchtete sich ebenfalls vor der Statue auf dem Friedhof. Vielleicht waren sie auch einfach nur froh, dass ihre Tochter für etwas Interesse zeigte.

Aber niemals hätten sie ihr erlaubt, Nachts aus dem Haus zu gehen, wenn Gefahr vom Friedhof her drohte.

Lisa hatte den Friedhof auch nicht betreten, sondern sich in sicherer Entfernung oder zumindest so sicher, wie es möglich war, positioniert und den Eingangsbereich beobachtet. Aber keine Statue hatte sich blicken lassen und auch sonst befand sich in dieser Nacht bei dem schlechten Wetter niemand auf der Straße.

Nach und nach waren in den Häusern im Dorf die letzten Lichter hinter den Fenstern ausgegangen und gegen zwei Uhr Nachts war Lisa nach Hause zurück gekehrt.

Die Einsamkeit im Ort hatte erdrückend gewirkt und sie wunderte sich, dass ihr dies in den letzten Wochen, wenn sie am frühen Morgen zum Joggen gegangen war, noch nicht aufgefallen war. Aber vielleicht gab es doch einen Unterschied zwischen dem frühen Morgen, wenn alles zum Leben erwachte und der Nacht, wenn eine Totenstille über dem Dorf lag.

Nun war es bereits früher Dienstag Morgen und Lisa beeilte sich, sich ihren Schlafanzug anzuziehen und ins Bett zu schlüpfen.
Sie nahm ihr Herzdelfinkissen in den Arm und schaltete das Licht auf ihrem Nachttisch aus. Dann fragte sie sich, was für ein Teufel sie geritten hatte, als sie sich entschlossen hatte, ganz allein eine mutmaßliche Dämonenstatue zu beobachten. Wer war sie denn? Sie hatte doch so gut wie keinerlei Erfahrung und was hätte sie denn ausrichten sollen, wenn das Ding zum Leben erwacht wäre und sie am Ende sogar entdeckt hätte?

„Ich hab doch gar keine Chance gegen einen Dämon! Ich hab keine Waffen....", dachte sie, auch wenn sie nur zu gut wusste, wo sie eventuell an eine Dämonenjägerwaffe kommen konnte.

„Es gibt noch zwei Schwerter bei Frau Huber. Eins haben die doch damals aus der Schweiz mitgebracht. Es gehörte dieser alten Frau, die es von einem Vorfahren geerbt hatte. Früher hat sie es selber benutzt, ehe sie aus Altersgründen die Dämonenjagd an den Nagel hängen musste. Das andere Schwert hat Gerrit gehört....", dachte Lisa. „Früher gehörte es Jonas, aber der konnte es nicht mehr benutzen, weil er....zu einer Art Teildämon wurde. Gerrit hat es mir damals mal erzählt. Unheimlich. Und dann ging es an Gerrit über und er hat damit diesen Höllendämon besiegt."

Nun verwahrte Frau Huber die beiden Schwerter, auch wenn sie kurz überlegt hatten, ob sie Gerrit sein Schwert mit ins Grab legen sollten. Irgendwie wäre es passend gewesen. Aber wäre es auch klug gewesen? Immerhin gab es nicht so viele Dämonenjägerwaffen, während es umso mehr Dämonen gab, die 99,9 Prozent der Bevölkerung wahrscheinlich niemals zu Gesicht bekamen oder nicht als solche erkannten.


Also hatte man sich dagegen entschieden, das Schwert als Grabbeilage zu nutzen und es stattdessen aufzubewahren. Natürlich in der Hoffnung, dass es niemals mehr gebraucht wurde.

Lisa gähnte und drückte ihr Stoffherz an sich. Sie hoffte, dass sie in dieser Nacht noch ein wenig Schlaf bekommen würde und sie sagte sich, dass bisher noch nichts geschehen war. Bislang hatte es noch keinerlei Vorfälle oder gar Todesfälle im Ort gegeben.

„Nur der Grabschmuck eines Angebers, der seiner Ex-Liebe eins auswischen will, obwohl ihr das wahrscheinlich gleichgültig ist," dachte Lisa, während sich Traum und Wirklichkeit zu vermischen begangen.
Sie träumte in dieser Nacht nicht, wie sie es erwartet hatte, von Statuen oder etwas ähnlichem. Stattdessen wollte sie im Traum gemeinsam mit ihren Eltern zum Flughafen fahren, um in den Urlaub zu fliegen.
Aber irgendwie kam immer etwas dazwischen. Zuerst fanden sie den Wagen nicht, dann stellten sie fest, dass sie die Koffer vergessen hatten. Letztlich verfuhren sie sich auf dem Weg zum Flughafen und fanden sich statt dessen auf dem Parkplatz des örtlichen Supermarktes wieder.....



xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx



Tamara legte den Vampirroman auf den Nachttisch. Ihre Mutter hatte ihr dieses Buch geschenkt, als sie mit ihrer Magen-Darm-Grippe im Bett gelegen hatte und sie hatte eigentlich am späten Abend mit dem Lesen aufhören und schlafen wollen. Aber dann wollte sie doch wissen, wie die Geschichte ausging.

Sie fand das Buch nicht schlecht, hatte sich aber nicht wirklich gruseln können.
„Vielleicht liegt das ja daran, dass ich es mit wirklichen Monstern zu tun hatte. Aber zur Unterhaltung ist es für mich in Ordnung. Das sollen Bücher schließlich auch vor allem anderem," dachte Tamara und gähnte.

Gruselig fand sie im Augenblick etwas anderes.

Da sie den Zettel mit ihren Wunschprojekten nicht rechtzeitig hatte abgeben können war sie nun von ihrer Klassenlehrerin eingeteilt worden. Natürlich handelte es sich dabei um ein Projekt, für das sich, wahrscheinlich aus gutem Grund, ansonsten kaum jemand gemeldet hatte.

„Die alten Häuser unseres Dorfes und ihre Geschichte," lautete der Titel des Projektes.

Leider hatte ihre Lehrerin keine Gnade gekannt und auch die Tatsache, dass Tamara nicht blaugemacht oder den Zettel verschlampt hatte, sondern wirklich krank gewesen war, sorgte nicht dafür, dass für sie eine Ausnahme gemacht wurde.

„Dann wollen alle, auch diejenigen, die nicht daran gedacht haben, den Zettel rechtzeitig abzugeben, das Projekt wechseln. Ich kann leider keine Ausnahme machen, tut mir leid!", hatte es geheißen, als Tamara sich beklagt hatte.


Sie schaltete das Licht aus. Wenigstens hatte sie ihre Magen-Darm-Grippe hinter sich gebracht und fühlte sich mittlerweile wieder gut. Am gestrigen Tag hatte sie leider vergeblich nach Dominik auf dem Schulhof Ausschau gehalten und sie fragte sich bereits, ob er ihr aus dem Weg ging. Immerhin hatte sie den Besuch im Café mit Bauchschmerzen abgebrochen und war beinahe fluchtartig davon geeilt. Oder hatte er lediglich eine Klausur geschrieben und hatten die Lehrer den Schülern die Pausenzeit noch zugestanden, um fertig zu werden?

Etwas derartiges kam des öfteren vor.

„Vielleicht geht er mir aus dem Weg, weil ich ihn mit meiner Magen-Darm-Grippe erschrocken habe. Bestimmt fand er das ekelhaft," dachte sie, hoffte aber, das dem nicht so war.

Aber gab es etwas peinlicheres, als sich beinahe vor jemandem, an dem sie, wie sie sich eingestand, durchaus Interesse hatte, beinahe zu übergeben?
„Sich wirklich übergeben wäre das einzige gewesen, was noch peinlicher gewesen wäre," dachte sie und die ganze Sache war ihr mehr als unangenehm.


xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx


Julia fand nicht so recht zur Ruhe in dieser Nacht. Statt dessen wälzte sie sich hin und her und dachte daran, dass der Ärger mit Herrn Valler offenbar noch nicht ausgestanden war. Mittlerweile schickte er ihr keine Blumen mehr. Er hatte auch ihr Auto nicht mehr beschädigt. Sein Verhalten hatte sich in offene Feindschaft verwandelt.

Am Vortag hatte sie ihn erstmals nach den Ferien wieder getroffen. Auf dem Weg zur Toilette war sie ihm fast in die Arme gelaufen und er hatte ihr ein wütendes „Glaub bloß nicht, dass mich dein Schläger einschüchtern kann! Das nächste Mal wehre ich mich!", entgegen geschleudert.

Julia war zusammen gezuckt als sie den wütenden Ausdruck in seinem Gesicht sah. Offenbar war sein krankhafte Verehrung für sie nun in eine krankhafte Abneigung umgeschlagen.

Zwar bezweifelte sie, dass er sich allzu sehr gegen Jonas zur Wehr setzen konnte, aber sie wusste auch nicht, was sich der Kollege als nächstes einfallen lassen würde.
„Ich werde Ihr Verhalten dem Rektor melden!", sagte sie, aber er lachte. „ Dazu muss er erst mal hier sein! Er ist noch eine Weile außer Gefecht gesetzt. Außerdem werde ich alles abstreiten. Und sagen, dass du mich die ganze Zeit über angemacht hast. Das hast du ja auch. Läufst hier mit einem engen Oberteil herum und dann dieser Lippenstift...."

„Sie sind ja verrückt", zischte Julia und drängte sich an ihr vorbei.

Fast fürchtete sie, dass er sie aufhalten oder auf andere Art körperlich angehen würde, aber dies unterließ er zum Glück.

Sie hatte Jonas von dem Vorfall berichtet und dieser hatte sich vorgenommen, Herrn Valler noch einmal zur Rede zu stellen.
„Hast du es denn dem Rektor gesagt?", hatte Jonas sich erkundigt, aber dies war leider nicht möglich gewesen.

„Der ist krank! Hat sich im Urlaub Salmonellen zugezogen," hatte Julia geantwortet. „Er ist gerade ums Krankenhaus herum gekommen, kann aber erst mal nicht zur Arbeit kommen!"

Jonas hatte darauf hin beschlossen, seine Frau künftig nicht nur bis zur Eingangstür, sondern bis ins Büro zu begleiten. Dann hatte er einige Flüche ausgestoßen und Herrn Valler mit Worten bedacht, von denen Julia nie gedacht hätte, dass Jonas sie überhaupt kannte.

Sie versuchte, sich nicht zu sehr herumzuwälzen. Sie wollte Jonas nicht wecken, denn dieser würde am nächsten Tag länger arbeiten müssen. Am Abend sollte im Büro eine Besprechung stattfinden und daher hatte er Dennis gebeten, Julia an diesem Nachmittag abzuholen.

Dennis hatte auch sofort zugestimmt, schließlich schuldete er Jonas noch etwas und Julia wollte dann den Abend bei ihm und Britta verbringen. Julia fühlte sich im Augenblick bei der Vorstellung allein zu sein alles andere als wohl.
„Wenn Valler sieht, dass es in meinem Umfeld noch andere halbwegs kräftige Männer gibt schreckt ihn das vielleicht doch ab," hoffte sie, war sich aber nicht so sicher, ob sie Dennis und seine Familie in Gefahr brachte, sollte Valler ihnen folgen.

„Dem sollte man mal Dämonen auf den Hals hetzen," dachte Julia nun eher wütend als ängstlich. „Aber meistens trifft es ja immer die Falschen. Nie so Typen wie den!"


xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx



Auch Martin Farius schlief in dieser Nacht sehr schlecht. Aber dies verwunderte ihn nicht allzu sehr. Immerhin hatte sein Vater, mit der unfreiwilligen Hilfe des unglücklichen Geruchsvollziehers, einen neuen Diener geschaffen.
Sein Vater hatte die Qual der Wahl zwischen zwei Elfenfrauen, drei Eulenwesen und zwei zweiköpfigen Orks gehabt. Letztlich hatte er sich für das Eulenwesen entschieden und das Geschöpf besaß nun einen menschlichen rechten Unterarm, der mit dem Flügel verbunden war, zwei menschliche Augen und mehrere Finger der linken Hand, die einst dem armen Gerichtsvollzieher gehört hatten.

Martin konnte einen Würgreiz nicht unterdrücken, als er erneut an die Schrei des Mannes dachte. Zum Glück hatte dieser, nachdem er den Arm verloren hatte, das Bewusstsein verloren und, Martin hoffte es, vom Rest der Verstümmelung, an der er letztlich auch verstorben war, nichts mehr mitbekommen.

Auf jeden Fall war es um Martins Nachtruhe seit diesem Vorfall sehr schlecht bestellt, denn das Ganze war doch sehr erschreckend für ihn gewesen.

Der neue Diener war zum Leben erwacht und hatte sich ehrfurchtsvoll vor Maximilian verbeugt, dann aber nach einer Seele verlangt.
Maximilian hatte ihm erlaubt, auf die Jagd zu gehen und nach einer halben Stunde war das Geschöpf zurück gekehrt.

„Bäcker erlitt frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit Herzinfarkt mitten auf der Straße – der Tote fast von Auto überrollt," hatte die kurze Schlagzeile in der Lokalzeitung gelautet.

Beim ersten Diener seines Vaters hatte Martin eine Veränderung an den menschlichen Fingern und dem menschlichen Fuß, die das erste Opfer verloren hatte, bemerkt. Die menschlichen Gliedmaßen waren im Laufe der Zeit nicht, wie Martin es erwachtet hatte, verwest und verfault. Statt dessen sahen sie zwar aus wie Knochen, hatten aber eine silberne Farbe angenommen und waren nun hart wie Stahl. Maximilian hatte die Statue einmal berührt, als sie tagsüber die Augen schloss und ihren dämo....schutzgeistgerechten Schlaf schlief.

Martin hätte es nie im Leben über sich gebracht, eines der Wesen zu berühren, auch wenn Ulrich und Peter es beinahe gewagt hätten, aber dann von Maximilian abgehalten wurden. „Rührt dieses Geschöpf nicht an!"

Hielt Maximilian seine Söhne für unwürdig?

Kurz darauf hatte Maximilian jedem seiner Söhne ein Bündel Geldscheine in die Hand gedrückt. Irgendwie hatte das Eulenwesen es geschafft, es zu besorgen. Martin vermutete, dass das nicht ohne weiteres Todesopfer zugegangen war.

„Das geht alles zu weit....," dachte Martin. „Peter, Ulrich und vor allem Vater scheinen keine allzu großen Probleme damit zu haben, Menschen zu verstümmeln und Wesen zu erschaffen, die andere töten. Und ich?"
Er half seinem Vater, hatte geholfen, den Gerichtsvollzieher festzuhalten und diesem schließlich sogar einen kräftigen Schlag ins Gesicht verabreicht, als er überhaupt aufhörte, um sich zu treten und zu schreien.

„Vater sagt, dass es ohne Julian niemals so weit gekommen wäre! Ohne ihn würden wir noch alle in unserem schönen großen Anwesen leben und alles wäre in Ordnung....zumindest für die meisten von uns!", dachte er voller Bitterkeit. „Aber kann man ihm allein die Schuld geben? Ist das nicht alles irgendwie....der reinste Wahnsinn? Was hätte ich gemacht, wenn ich als erster oder zweiter Sohn geboren worden wäre? Das habe ich mich nie gefragt....und Vater hätte keine Gnade mit mir gekannt...aber....unser Leben war doch gut...."

Warum hatte alles so kommen müssen, wie es gekommen war? Er sah auf die Uhr. Es war fast vier Uhr morgens. Martin bezweifelte, dass er in dieser Nacht noch Schlaf finden würde.



Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt