Nachdem er Feierabend gemacht hatte besorgte Manuel am späten Nachmittag Medikamente gegen die Magen-Darm-Grippe seiner Schwester und hoffte im Stillen, dass er sich nicht angesteckt hatte. Von Bauchkrämpfen und dergleichen hatte er momentan wirklich genug, außerdem wollte er nicht wegen Krankheit bei seiner Arbeit fehlen.
An der Tür stieß er mit den Feindinnen seiner Schwester, Annika und Jennifer zusammen.
„Oh, Manuel," flötete Jennifer spöttisch. „Da ist ja der Traum meiner schlaflosen Nächte. Schlaflos deswegen, weil ich ihm nicht im Traum begegnen will!"
„Ganz ehrlich, ich will auch nicht in deinen Träumen herumlaufen," antwortete Manuel und imitierte Jennifers spöttischen Tonfall. „Da stolpere ich am Ende noch über einen Haufen ätzender Schuhe, hässlicher Hosen, die einen fetten Arsch machen und im schlimmsten Fall sehe ich dich und Annika ohne Klamotten. Cellulite ist nicht wirklich prickelnd....und was macht ihr überhaupt in der Apotheke? Anti-Blödheits-Pillen gibt es doch gar nicht. Oder wart ihr doof und habt gedacht, es wäre ein Schuhladen?"
„Ich hab keine Cellulite," fauchte Jennifer empört, während sie ihre Freundin an der Hand nahm und sich an Manuel vorbei drängte. „Und tu nicht so, als hättest du überhaupt schon mal eine unbekleidete Frau gesehen! Du kriegst doch eh keine ab!"
„So was wie euch beide will ich auch gar nicht haben," rief Manuel hinter den Mädchen her. „Da kann man sich die Frauen so richtig abgewöhnen und in den Hohlräumen in euren Hirnen kann man sich verlaufen...."
Annika warf ihm über die Schulter hinweg einen bösen Blick zu und ihm fiel ein, dass sie ihn, im Gegensatz zu Jennifer, überhaupt nicht beleidigt hatte. Zumindest dieses Mal nicht.
„Kühe!", dachte er dennoch. „Blöde Kühe. Wandelnde Tussi-Klischees. Wie die es in die gymnasiale Oberstufe geschafft haben ist mir ein Rätsel."
„Benehmen Sie sich bitte in meiner Apotheke," erklang in diesem Moment eine Frauenstimme und Manuel wandte sich der Apothekenangestellten zu, um die Medikamente zu besorgen.
„Tut mir leid. Aber mit den beiden zanke ich mich schon mehr als die Hälfte meines Lebens..."
„Die waren eigentlich ganz nett," stellte die Frau fest, während sie aus einem Regal ein Mittel gegen Magen-Darm-Beschwerden griff.
„Das geht im Moment wirklich rum," sagte die Frau seufzend. „Meinen Mann hatte es letzte Woche erwischt. Gute Besserung."
„Danke, ich werde es ausrichten," antwortete Manuel und griff nach dem Medikament.
Ein wenig später ließ sich Manuel auf der Bettkante seiner Schwester nieder und schüttelte die vor sich hin Dösende leicht an der Schulter.
„Manuel, ich bin müde....und mein Bauch tut noch immer weh," klagte Tamara. „Und bestimmt ist das die Strafe dafür, dass ich mit Dominik Kaffee trinken war...."
Irgendwie schien es ihr ein Bedürfnis zu sein, dies zu sagen. Tatsächlich zuckte Manuel kurz zusammen, aber in diesem Zustand konnte er seiner jüngeren Schwester nicht wirklich böse sein.
Außerdem, hatte er dazu überhaupt einen Grund?
„Na ja, das wäre aber eine sehr schwere Strafe. Einmal am Kaffee verschlucken hätte es auch getan," antwortete er und fügte noch hinzu. „Außerdem sollten wir ein Virus nicht völlig ausschließen....das haben jedenfalls alle anderen, die Magen-Darm-Grippe haben. Bei der Arbeit haben auch zwei Kolleginnen deswegen gefehlt!"
Tamara stöhnte leise. „Danke, dass du mir nicht böse bist...."
„Schon gut," erwiderte Manuel. „Schlepp ihn mir bitte nicht nach oben in meine Wohnung. Da fliegt er hochkant raus. Aber du kannst Kaffee trinken, mit wem zu willst!"
Tamara schien erleichtert zu sein, als sie sich nun endlich zu ihrem Bruder umdrehte und ihm mit ihrem Anblick einen Schrecken einjagte. Sie war leichenblass und würde wahrscheinlich den Rest der Woche zu Hause bleiben müssen.
„Wo ist Mama?", fragte er. „Warum hat sie dir nichts aus der Apotheke geholt?"
„Die befindet sich gerade drei Häuser entfernt bei ihrer Lieblingsnachbarin Inga. Die wird doch heute Fünfzig und hat alle zum Kaffeeklatsch eingeladen. Heute abend wollen die noch im Partykeller feiern. So mit Frikadellen und....mir wird schlecht...."
„Ich gehe dann mal besser," sagte Manuel und legte das Medikament auf den Nachtisch. „Ich hol dir noch ein Glas Wasser. Dann gehe ich in meine Wohnung....oder ich bleibe besser hier. Ich setze mich im Wohnzimmer vor den Fernseher. Wenn was ist, rufst du mich..."
Kurz darauf setzte sich Manuel vor den Fernseher. Die Tür zum Zimmer seiner Schwester hatte er offen gelassen, denn sie wirkte nach wie vor wie ein Haufen Elend und er wollte sie in diesem Zustand wirklich nicht allein lassen.
„Arme Tamara...," dachte er, aber seine Gedanken wanderten zu Dominik.
Also trafen die beiden sich tatsächlich und er konnte nicht sagen, dass er allzu glücklich darüber war. Aber er konnte es Tamara schließlich nicht verbieten. Er seufzte, während er durch die Programme schaltete und nach irgend etwas suchte, das ihn interessierte.
Manuel wusste, dass Tamara wahrscheinlich jeglichen Kontakt zu Dominik einstellen würde, wenn er sie inständig darum bat.
Er gestand sich ein, dass er dies am liebsten getan hätte, entschied sich aber dennoch dagegen.
„Dominik lebt nun einmal auf demselben Planeten und blöderweise sogar im selben Ort. Außerdem....wird nicht noch einmal das passieren, was damals bei der Kirche passiert ist. Wir werden uns nicht mehr gegenseitig umbringen oder es zumindest versuchen....", dachte Manuel, während er sich dazu entschloss, eine Casting-Show, bei der sich ein paar untalentierte Möchtegern-Talente zum Narren machte anzuschauen.
„Es gibt Schlimmers als Dominik oder Dämonen," dachte er und musste mit einem Mal beinahe lachen, während ein Junge ohne jegliches Talent ein unmelodisches „Nessun Dorma" krächzte und dabei einen Hustenanfall bekam.
„Das ist wirklich gruselig!", dachte Manuel und musste grinsen, als auch ein Mitglied der Jury, ein Sänger, der einst, vor Jahren, Mitglied in einer Boyband, die einmal einen mittelmäßigen Erfolg vorzuweisen gehabt hatte, gewesen war, den Kopf auf die Tischplatte schlug.
Die Band, Manuel versuchte sich vergebens an den Namen zu erinnern, hatte sich dann aufgelöst und besagtes Jury-Mitglied war im Anschluss durch diverse andere Fernsehformate getingelt, ohne jemals wirklich den ganz großen Durchbruch zu schaffen.
„Aber man erinnert sich an ihn! Er ist wahrscheinlich bekannter als es der Gewinner dieser Show hinterher sein wird!", dachte Manuel. „Das muss man auch erst mal schaffen."
„Manuel....kannst du mir ein Fenster aufmachen?", erklang Tamaras Stimme. „Ich will frische Luft...."
„Mach ich," rief Manuel und eilte ins Zimmer seiner Schwester. „Wie geht es dir denn?", fragte er, aber Tamara stöhnte. „Mies!"
„Sieht man! Vielleicht sollte ich Dominik ja jetzt mal zu dir lassen...," dachte er mit einem Anflug von Bösartigkeit. „Dann hätte sich das Thema „möglicher Flirt oder mehr" wahrscheinlich erledigt.
Aber das wäre wirklich zu gemein gewesen.
„Manuel....",sagte Tamara unterdessen. „Glaubst du, dass die Dämonen für immer weg sind?"
Er zuckte kurz zusammen, was vor allem daran lag, dass sie sie unvermittelt mit diesem Thema anfing. „Ich weiß es auch nicht. Seit der Sache mit dem Höllendämon ist ja nichts mehr passiert, und das war vor drei Monaten."
„Vielleicht war es ja wirklich ein einmaliges Erlebnis und wir haben nie mehr etwas damit zu tun.", murmelte Tamara, aber Dominik war sich da nicht so sicher. „Wir hatten seitdem Glück, Jessica und Felix wohl auch. Bei Jonas sah es anders aus. Wir müssen wohl oder übel weiterhin aufpassen."
„Ich bin nicht scharf darauf," klagte Tamara. „Kannst du das Fenster bitte wieder schließen? Mir ist kalt!"
„Mach ich!", antwortete Manuel und schloss, wie gewünscht, das Fenster. „Ich gehe wieder ins Wohnzimmer."
„Die werden mich in irgendein blödes Projekt stecken, das sonst keiner machen will!", klagte Tamara mit einem Mal. „Ich kann den Zettel nicht abgeben. Voll gemein!"
„Das Leben ist wirklich nicht einfach! Dämonen, Krankheiten und doofe Projekte!", erwiderte Manuel, als er Tamaras Zimmer verließ. „Aber wenn ich ehrlich sind würde ich lieber ein blödes Projekt machen oder gegen einen Dämon kämpfen, als eine Magen-Darm-Grippe zu haben."
Letzteres erschien ihm im Augenblick als das schlimmste Schicksal von allen.
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Dämonische Statuen - Rache
Mystery / ThrillerDiese Geschichte bringt die verschiedenen Handlungsstränge aus Dämonische Statuen - Zwei Feinde und Dämonische Statuen - Jessicas Geschichte zusammen. Vier der Höllendämonen wurden bereits besiegt, aber die Dämonenjäger werden nach wie vor gefordert...