Kapitel 32

9 1 0
                                    


 Immerhin brachte sein Beinahemitleid mit seinem unter einem Kater leidenden Sohn Georg dazu, ein wenig genauer nachzufragen.

„War das deine erste wirklich schlechte Erfahrung mit Alkohol?", fragte er und Lucas schüttelte den Kopf. „Nein. Ich und Andy....haben auch schon mal zu viel...."

Georg seufzte. „Also stimmt bei dir der Spruch, dass man aus Schaden klug wird, wohl nicht. Meine Güte, selbst Laborratten lernen, dass es nicht gut ist, zu bestimmten Stellen zu gehen, weil sie da immer Strohmschläge kriegen! Wobei ich damit nicht sagen will, dass ich es mag, wenn Tiere gequält werden. Aber du solltest doch klüger sein als eine Ratte, oder?"

„Anscheinend nicht," jammerte Lucas und kroch ins Bett. „Papa, ich will nicht, dass Meike mich verlässt, weil sie mit mir nichts anfangen kann! Ich hab nun mal kein Auto wie Benny und ich kann sie nicht in teure Clubs ausführen!"
„Da hatte sie auch gar nichts zu suchen! Die Betreiber sollten sich schämen und haben sich sogar strafbar gemacht, wenn sie eine Minderjährige reinlassen, egal ob sie nun in Begleitung ihres volljährigen Benny ist oder nicht! Und er ist auch kein so großartiger Freund, wenn er seine junge Freundin die ganze Nacht über an solche Orte schleppt!"

„Du hast so was bestimmt nie gemacht, oder?", fragte Lucas kleinlaut. „Du bist niemals ausgegangen, hast dann irgendwann, lange nach deiner Volljährigkeit, Hedwig geheiratet, ein Haus gebaut und Jonas bekommen...obwohl, wenn ich es recht überlege, Hedwig heiraten....ob das so vernünftig...."

„Lucas, halt die Klappe," antwortete Georg, aber seine Stimme klang zur Überraschung des Sohnes gar nicht mal unfreundlich.
„Ich hatte auch ein Leben vor Hedwig und ich war auch mal siebzehn Jahre alt! Das war in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre. Da hab ich mir auch ein paar Sachen geleistet, von denen deine Oma bis heute nichts weiß. Obwohl ich mich manchmal frage, ob sie wirklich nichts wusste...."

Lucas lehnte sich ein wenig bequemer zurück. Anscheinend schien es kein wirkliches Donnerwetter zu geben und im Grunde wusste er ja auch, dass sein Vater recht hatte. Er hatte sich wirklich dämlich verhalten.

Trotzdem fiel es im Konkurrenzkampf mit Benny – schon der Gedanke an ihn schüttelte ihn – nicht sonderlich leicht, vernünftig zu sein.

„Was hast du denn so gemacht?", erkundigte er sich stattdessen und nun lachte Georg tatsächlich. „Aber mach es nicht nach, in Ordnung? Und versprich mir, dass du dich nicht mehr in Diskos volllaufen lässt! Ich will dich nicht irgendwann aus dem Krankenhaus abholen, weil du eine Alkoholvergiftung hast oder am Ende noch ganz andere Dinge genommen hast.....hast du..."

„Nein," unterbrach Lucas seinen Vater. „Ich nehme keine Drogen! Ich kiffe nicht und.....würde auch nicht..."

Daran hatte er tatsächlich noch nie gedacht. Irgendwo hatte er schließlich auch seine Grenzen, die er nicht einmal wegen Meike überschreiten würde. Hinzu kam, dass sie Dinge wie Drogen ebenfalls strikt ablehnte und nicht mal ihr Benny auf die Idee gekommen war.

„Versprich es mir! Und wenn du das nächste Mal ausgehen willst, sprichst du das vorher ab und kommst zu einer vernünftigen Zeit nach Hause!" forderte Georg und Lucas gab nach. „In Ordnung, ich mache so was nicht mehr! Ich sag das nächste Mal Bescheid! Aber jetzt sag, was du angestellt hast!"
Georg seufzte. „Ich war damals Sechzehn und hatte meine erste Freundin. Sie hieß Monika und war ein Jahr jünger als ich. Hedwig kannte ich damals noch gar nicht. Für mich war Monika das faszinierendste Wesen auf Erden und ich hab vor meinen Freunden richtig mit ihr angegeben. Sie fand das übrigens gar nicht so toll."

„Papa!", sagte Lucas empört. „Also wirklich. Mit einem Mädchen angeben..."

„Ja, so war ich," stellte Georg grinsend fest. „Aber sie hat vor ihren Freundinnen auch angegeben. Das hat mir eine gemeinsame Bekannte jedenfalls mal gesagt. Und Monika wollte immer in Filme gehen, die noch gar nicht für unser Alter freigegeben waren. Also haben wir uns durch den Hintereingang ins Kino geschlichen, weil der Kartenverkäufer am Eingang uns schon kannte und schon mehrmals weggeschickt hatte. Wir haben uns also an den Ausgang gestellt und sind dann, während die anderen rausgingen, reingegangen und haben uns auf dem Klo versteckt, bis der nächste Film anfing."

„Ich bin entsetzt!", sagte Lucas, während seine Kopfschmerzen ein wenig nachließen. Trotzdem schloss er vorsichtshalber die Augen. Das war ja fast wie Gute-Nacht-Geschichten vor dem Einschlafen zu hören.

So etwas hatte er mit Georg noch nie gemacht....

„Naja, wir sind zum Glück nicht erwischt worden. Aber ein Schulfreund von mir hat es mit seiner Freundin auch mal probiert. Die bekamen großen Ärger. Und das war bei weitem nicht alles," fuhr Georg mit seiner Erzählung fort.
„Wir wollten mal auf ein Konzert. Damals spielte eine Band, die heute niemand mehr kennt. Wie hieß die noch mal....aber ich mochte die nicht mal. Monika war der Fan. Sie wollte unbedingt auf das Konzert, aber mit Fünfzehn durfte sie das natürlich noch nicht. Und deine Oma und dein Opa haben es mir natürlich auch verboten. Also haben wir gesagt, dass wir bei Freunden übernachten....also die Ausreden kenne ich noch sehr gut! Ich glaube, die haben schon die alten Römer benutzt, wenn sie zu den Gladiatorenkämpfen gehen wollten und die Eltern es ihnen verboten haben!"

Lucas musste grinsen. „Und dann seid ihr zu dem Konzert gegangen?"

Georg nickte. „Ja, aber dann lief alles schief. Wir hatten nicht genügend Geld, das war schon alles für die Konzertkarten, die uns ein älterer Freund besorgt hatte, draufgegangen. Der hat uns auch noch reingelegt und die Karten mal eben zwanzig Mark teurer gemacht, als sie tatsächlich waren. Und dann sind wir in den Zug gestiegen, ohne zu bezahlen!"

„Also schwarz gefahren! Das wird ja immer schlimmer! Ins Kino schleichen, Schwarzfahren! Gegen mich warst du ja ein richtiger Schwerkrimineller!", stellte Lucas fest, auch wenn ihm das Sprechen leichte Kopfschmerzen verursachte.
„Ja, es wird sogar noch schlimmer," fuhr Georg fort. „Denn wir wurden erwischt! Ein Kontrolleur und ein Schaffner haben uns geschnappt und am nächsten Bahnsteig wollten sie uns der Polizei übergeben. Also hab ich Monika an der Hand genommen und wir sind durch den ganzen Zug gerannt, verfolgt von Schaffner und Kontrolleur. Am nächste Halt sind wir dann, kurz bevor der Zug hielt, aus dem „Zug gesprungen! Damals konnte man die Türen noch öffnen, ich weiß nicht, ob das heute auch noch so ist. Monika hat sich dabei den Fuß verstaucht und ich bin mit dem Gesicht im Gleisbett gelandet. Ich hab mir eine tiefe Schramme am Kinn zugezogen, das hat ganz schön geblutet."

Er deutete auf sein Kinn. „Wenn du genau hinsiehst, erkennst du noch eine kleine Narbe."

Lucas setzte sich auf und betrachtete das Kinn seines Vaters. Tatsächlich befand sich dort, zum größten Teil durch Bartstoppeln verdeckt, denn Georg war an diesem Morgen noch nicht zum Rasieren gekommen, eine etwa anderthalb Zentimeter große Narbe. Diese war mittlerweile verblasst und wirklich nur bei sehr genauem Hinsehen zu erkennen..

„Mein ganzes T-Shrit war voller Blut und Monika hat geweint, weil ihr der Knöchel so weh tat," fuhr Georg mit seiner Geschichte fort.
„Wir sind dann in einen nahen Wald gegangen. Irgendwann fuhr mal ein Polizeiwagen vorbei, aber ich weiß nicht, ob die nach uns gesucht haben. So wichtig waren wir wohl nicht. Aber wir haben gehofft und gebetet, dass uns keiner verhaftet. Wir kannten das ja auch nur aus amerikanischen Kriminalfilmen, wo man die Leute auf den Boden wirft, ihnen Handschellen anzieht, sie verprügelt und dann mit Schwerverbrechern in eine Zelle steckt!"

Nun wollte Lucas auch wissen, wie die Geschichte weiterging. „Aber sie haben euch nicht erwischt?", fragte er. „Und seid ihr noch zu eurem Konzert gekommen?"

„Naja, sind wir schon! Wir sind dann per Anhalter gefahren. Das war gefährlich, ich weiß! Und mach das bloß nie! Der Typ, der uns mitnahm, starrte die ganze Zeit über auf Monikas Beine. Sie saß vorne neben ihm und beim Schalten hat er sie mehr als einmal mehr als nötig angetatscht. Ich glaube, er ist nur darum nicht über sie hergefallen, weil ich auf dem Rücksitz saß. Das war ihm dann wohl doch zu heikel. Immerhin hätte er dann außer Monika auch noch einen Zeugen zum Schweigen bringen müssen und ich war nicht vollkommen schwächlich. Schließlich sind wir dann früher als nötig ausgestiegen und irgendwie zu Fuß weiter gehumpelt. Ich hab Monika sogar eine Weile huckepack getragen."

„Das ist wirklich krass," sagte Lucas betroffen. „Das mit dem Kerl, der sie belästigt hat."

„Ja, ich hätte dem am liebsten eine geknallt," erwiderte Georg. „Aber dann standen wir irgendwann vor der Konzerthalle. Wir haben unsere Karten gezeigt, aber der Mann am Eingang hat uns ausgelacht! Die Karten waren ungültig! Eine Fälschung! Unser Kumpel hatte uns abgezockt und reingelegt."

„Wie fies," murmelte Lucas, der sich die Enttäuschung von Georg und Monika lebhaft vorstellen konnte.

„Ja, wirklich fies," erwiderte Georg. „Und wir haben direkt die nächste Dummheit gemacht. Wir sind wieder per Anhalter nach Hause gefahren. Ein junger Mann und eine junge Frau, nicht viel älter als wir, haben uns mitgenommen. Irgendwann, während der Fahrt, bekamen wir dann mit, dass sie das Auto geklaut haben. Wir wollten aussteigen, aber vorher haben sie uns noch die paar Mark, die wir noch hatten, es waren vielleicht Fünf, abgenommen und der Frau gefiel Monikas Lippenstift, also hat sie ihr die Handtasche abgenommen, wo er drin war. Uns haben sie irgendwo in der Pampa ausgesetzt und wir sind dann einen halben Tag lang zu Fuß nach Hause gegangen. Zwischendurch hab ich Monika immer wieder mal getragen, weil ihr Fuß richtig dick wurde."

Georg schüttelte den Kopf. „Es endete dann damit, dass wir zu Hause erzählten, dass wir einen Unfall hatten und hingefallen wären. Ich hätte mir dabei das Gesicht aufgeschrammt und Monika den Fuß verstaucht. Es bestand sogar der Verdacht, dass er gebrochen war. Darum ist sie eine Nacht ins Krankenhaus gekommen."

„Arme Monika! Und wie war sie so? Wie Hedwig? Ich meine, du magst doch den Hedwig-Typ...," fragte Lucas, murmelte das letzte aber nur leise.

Georg blickte ein wenig wehmütig in die Ferne.„Nein, sie war anders. Hedwig hätte sich wahrscheinlich schon im Zug von mir getrennt und es wäre ihr peinlich gewesen, künftig mit mir gesehen zu werden. Monika war nicht so. Ich hab am nächsten Tag mein letztes Taschengeld zusammen gekratzt und bin, mit einem verpflasterten Kinn, ins Krankenhaus gegangen und hab ihr vorher einen Strauß Blumen gekauft. Es kamen genau drei Rosen zusammen, aber die Verkäuferin hat sie nett zusammengebunden und mir das Schleierkraut und sonstiges Dekozeug umsonst überlassen. Irgendwie tat ich ihr wohl leid. Damit stand ich dann an Monikas Bett und hab mich für den vermasselten Ausflug entschuldigt."

Jetzt lachte Georg tatsächlich und Lucas fand, dass auch dies ein wenig wehmütig klang. „Sie hat gelacht und meine Hand genommen und gesagt, dass sie sich an den Ausflug bestimmt immer erinnern würde. Dann hat sie meine Wange gestreichelt und mich gefragt, ob mein Kinn sehr weh tun würde und dass ich froh sein könnte, dass ich mir keinen Zahn ausgeschlagen hätte. Aber sie sagte auch, dass sie mich ohne Schneidezähne noch lieben würde...."

„Wie süß," nuschelte Lucas und fragte sich, warum sein Vater nicht mit dieser Monika zusammengeblieben war. Sie war doch die perfekte Frau gewesen. Warum hatte er sich für Hedwig entschieden, wenn er Monika haben konnte?

„Was wurde denn aus Monika? Wie lange warst du mit ihr zusammen? Und habt ihr noch mehr angestellt?", fragte Lucas daher und Georg wurde ein wenig ernster.
„Ja, wir blieben ungefähr ein Jahr zusammen. Wir sind noch zwei oder dreimal ins Kino geschlichen, sind aber nie mehr per Anhalter gefahren. Das Pärchen, das das Auto geklaut hatte, ist übrigens ein paar Wochen später mit einem anderen Wagen geschnappt worden. Das hab ich in der Zeitung gelesen. Monika und ich bekamen derweil Ärger, als wir die Schule schwänzten, weil wir lieber ins Freibad gehen wollten. Unser damaliger Biolehrer hat uns im Schwimmbad erwischt....dass er selber blaumachte spielte da keine Rolle. Er war angeblich krankgeschrieben, aber gesund genug, um ins Freibad zu gehen. Er hat den Direktor informiert. Angeblich hat er uns von draußen gesehen, als er über den Zaun sah, obwohl das so gar nicht möglich war, wegen der Büsche."

„Das ist gemein! Und blöd. Du hättest ihn ja auch hinhängen können," sagte Lucas, aber Georg schüttelte den Kopf.
„An dem Tag hab ich noch mehr Mist gebaut. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, eine Flasche Wein mit ins Schwimmbad zu nehmen. Also saßen Monika und ich am Vormittag bei über dreißig Grad in der prallen Sonne am Beckenrand und tranken Wein. Leider fiel die Flasche ins Wasser, genau, auf den Kopf einer Frau, die gerade vorbeischwamm. Die hat dann den Bademeister informiert und schließlich hat uns wirklich die Polizei nach Hause gebracht. Dann rief auch noch der Direktor der Schule an und wir bekamen richtigen Ärger. Die Sache mit der Flasche blieb zum Glück ohne Folgen, weil der Frau glücklicherweise nichts passiert war. Hätte auch anders ausgehen können, aber die Flasche hatte sie nicht direkt getroffen. Trotzdem bekamen wir Hausverbot im Schwimmbad und meine Mutter hat mir zum ersten und einzigen Mal im Leben eine runtergehauen. Aber Monika bekam mehr als eine Ohrfeige von ihrer Mutter und ihr Vater ist richtig ausgerastet. Er hat ihr eine Tracht Prügel verpasst, weil ihretwegen die Polizei ins Haus gekommen ist! Das waren so Dinge, die man damals leider hingenommen hat. Man ist teilweise noch um einiges liebloser mit den Kindern umgegangen als heute. Auf jeden Fall konnte die arme Monika ein paar Tage nicht mehr richtig sitzen und ich war wütend auf ihren Vater. Aber ich hatte selber eine Woche Hausarrest und meine Eltern haben mir anschließend noch eine Weile Kino- und Ausgehverbot gegeben. Sie waren auch richtig sauer."

„Das ist wirklich schlimm! Der Vater war ja ein richtiges Scheusal! Ich würde auch fuchsteufelswild werden, wenn Meikes Vater sie schlagen würde! Aber er ist zum Glück im großen und ganzen nett, auch wenn er darauf besteht, dass sie die Ausbildung bei diesem Schreihals von Arzt durchzieht," antwortete Lucas voller Mitgefühl.

Auch sein Vater tat ihm leid, auch wenn dieser sich, gemeinsam mit seiner Monika, selber in die Lage gebracht hatte, selbst wenn die Reaktion der Eltern unangemessen war.

„Monikas Vater rief meinen Vater an und sagte, dass ich mich nicht mehr in der Nähe seiner Tochter blicken lassen solle, aber daran haben wir uns natürlich nicht gehalten!", fuhr Georg fort und Lucas nickte zustimmend. „Natürlich habt ihr euch nicht dran gehalten! Hätte ich auch nicht....."

„Dann ging das Schuljahr zuende und wir fuhren mit den Familien in den Sommerurlaub," setzte Georg seine Geschichte fort. „Während der Ferien, wir verbrachten einen Teil der Zeit am Bodensee und während der übrigen Zeit wurde Monika zu einer Tante geschickt, haben wir uns irgendwie...entfremdet, wenn man es so nennen kann. Sie lernte bei der Tante jemanden kennen, der ihren Eltern besser passte und ich hab dann auch zeitweilig ein anderes Mädchen getroffen. Mit der hab ich nur mal ein Eis gegessen, aber das wurde Monika von irgendwem gesteckt und sie war alles andere als froh. Schließlich verlief die Beziehung irgendwie im Sande und dann fing sie nach den Ferien mit einer Ausbildung an. Ich ging auch in die Lehre. Wir sahen uns immer seltener und schließlich haben wir uns noch mal getroffen und wir wussten, dass es vorbei war. Sie ging jetzt mit jemand anderem und ich blieb noch ein Weilchen Single, wie man heute sagt. Ich hab mich auf meine Ausbildung konzentriert und dann irgendwann Hedwig kennen gelernt."

„Und was macht Monika heute?",hackte Lucas nach. „Weißt du das?"

„Ja, weiß ich!", antwortete Georg. „Natürlich nicht so genau, aber sie hat dann Mitte der Achtziger geheiratet, wurde aber geschieden. Das hat mir meine Mutter erzählt, sie hatte Monikas Mutter hin und wieder getroffen. Beim Einkaufen oder im Café in der Stadt. Irgendwann sagte sie dann, dass Monika am 9.9.90 erneut heiraten würde. Das war so eine Schnapszahl damals. Sie hat dann, mit Ende dreißig, einen Sohn mit ihrem Mann bekommen. Das erfuhr ich ein paar Jahre später. Der müsste zwei oder drei Jahre jünger sein als du, Lucas. Aber mittlerweile ist sie wohl auch von ihrem zweiten Mann geschieden. Irgendwie hat es beziehungsmäßig nicht geklappt. Sie soll einen guten Job haben und ihr Sohn lebt bei ihr in Berlin. Ich hab sie aber nicht mehr getroffen!"

Lucas grinste und zwickte seinen Vater in die Hand. „Du bist Single, sie ist Single....und den Sohn stutze ich mir schon zurecht! Frisch doch mal alte Erinnerungen mit ihr auf....."

Georg lachte. „Nein, vergiss es. Das ist alles viel zu lange her! Und auf eine Beziehung hab ich im Moment keine sonderliche Lust. Mir steckt die Ehe mit Hedwig noch in die Knochen, dann noch diese ganzen Dämonengeschichten.....zwei Söhne von zwei Frauen kann ich einer Frau vielleicht noch zumuten, aber Jonas Dämonenanhang....ich weiß nicht so recht...."

Dies alles hatte er mit einem Augenzwinkern gesagt, wurde aber dann ernst. „Aber du siehst an meiner Geschichte auch, dass mir zu viele Dummheiten in jungen Jahren auch einiges kaputt gemacht haben. Nicht nur, dass ich bei dem Konzert im wahrsten Sinne des Wortes ordentlich auf die Fr....aufs Gesicht gefallen bin. Jede einzelne Dummheit, und ich hab dir noch gar nicht alle erzählt, denn auch in der Ausbildung war ich kein Heiliger, hätte mir wirklichen Ärger einbringen können, der sogar noch über Ärger mit den Eltern hinaus gegangen wäre. Die wären, hätte ich zum Beispiel eine Anzeige bekommen, hätte man uns zusammen mit diesem diebischen Pärchen im Auto erwischt, mein geringstes Problem gewesen. In der Ausbildung bin ich dann mal mit einem Kollegen nach der Arbeit einen Trinken gegangen. Dabei habe ich es dermaßen übertrieben, dass ich nicht mal nach Hause gefunden habe. Ich habe mich in der Stadt auf eine Bank gelegt. Dabei habe ich mir eine dicke Erkältung zugezogen. Hinzu kam noch, dass ich gar nicht weit von der St. Andreas Kirche geschlafen habe. Da hat damals ja noch dieser Dämon gelauert. Hab Glück gehabt, dass das wohl doch nicht in seinen Aufmerksamkeitsbereich gehört hat. Sonst wäre es da mit mir vorbei gewesen. Dann gäbe es dich und Jonas nicht."

„Hätte der Dämon das gewusst, hätte er dich bestimmt getötet," murmelte Lucas. „Damit wäre er ja auch Jonas los geworden...."

„Ja, daran hab ich auch gedacht. Aber es gab noch weitere Konsequenzen. Denn am nächsten Morgen hat mich die Polizei geweckt und mir war so schlecht, dass ich erst mal in den nächsten Mülleimer gekotzt habe."

„Wurgs. Das ist ekelig! Arme Polizei," antwortete Lucas.

„Genau, es war peinlich. Ich war damals noch minderjährig und die haben mich nach Hause gebracht. Aber meine Mutter hat mich ins Bett gesteckt. Und dann, eine Stunde später, fing sie damit an, direkt im Flur neben meinem Zimmer, Nägel in die Wände zu schlagen. Richtig lautstark. Und dann hat sie die Bohrmaschine geholt. Irgendeine Reparatur, die auch noch ein bisschen hätte warten können, war plötzlich unglaublich wichtig....ich hatte die Kopfschmerzen meines Lebens und so ein Absturz ist mir nicht noch mal passiert!"

„Du kommst ganz nach deiner Mutter," antwortete Lucas und fügte hinzu: „Ich mach es auch nicht mehr! Mir ist nämlich wirklich schlecht. Und....darf ich vielleicht doch noch ein bisschen schlafen?"

Georg erhob sich. „Gute Nacht! Räum bitte nachher den Industriesauger in den Keller. Ich leg mich auch noch mal hin! Habe nämlich die ganze Nacht nicht so gut geschlafen, ich hab seit ein Uhr auf dich gewartet...."
„Tut mir leid," murmelte Lucas, während sein Vater das Zimmer verließ und er meinte es wirklich ernst.

„Ich muss schlafen! Morgen fängt mein Ferienjob in der Praxis von Meikes Chef an," dachte er und schloss die Augen. „Da darf ich nicht am ersten Tag reintaumeln. Sonst brüllt er mich an und mein Kopfweh wird noch schlimmer!"


Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt