Kapitel 63

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Hier ist noch ein Kapitel. Für heute das letzte. Demnächst gibt es neuen Lesestoff.


Annika kauerte ängstlich an der Wand der seltsamen Hütte. Sie bestand aus großen Steinquadern und das Mädchen schien nicht mehr ein noch aus zu wissen.

Tamara ging es, wenn sie ehrlich war, nicht viel besser. Aber durch ihre bisherigen Erlebnisse fühlte sie sich nicht ganz so überrumpelt und aus ihrer vertrauten Welt herausgerissen wie Annika.

Die merkwürdige Gestalt war, nachdem sie gemeinsam mit den Mädchen die Hütte betreten hatte, verschwunden. Weit und breit war nichts von dem Wesen, was immer es auch sein mochte, zu sehen.
Vorher war etwas geschehen, was Annika dazu gebracht hatte, sich die Hände vor die Augen zu halten und Tamara hatte sich beinahe übergeben.

In einer Ecke der Hütte lag ein Armknochen. An diesem hatte sich vor kurzem noch ein Rest Fleisch befunden. Aber bevor die Gestalt verschwand, hatte sie den Knochen an die Lippen oder an die Stelle, wo sich unter der Kapuze wahrscheinlich Lippen befanden, geführt und das Fleisch abgenagt.

Nun ahnte Tamara und wahrscheinlich auch Annika, was es mit all den Knochen, die auf dem Boden lagen, auf sich hatte.

Würde diese Ding sie und Annika auch fressen? Und würde das geschehen, so lange sie noch lebten?
„Was machen wir jetzt?", fragte Annika und begann erneut zu weinen. „Ich will nach Hause. Und was soll das alles überhaupt?"

Tamara setzte sich neben Annika. Im Grunde war sie genauso verängstigt wie die andere.

Ich weiß es nicht genau, aber es scheint ein Dämon zu sein. Davon gibt es hier einige. Oder es gab einige. Und die Sache ist ernst," versuchte sie der anderen die Situation zu erklären.

„Ernst? Wir sind in einer Hütte, die es gar nicht gibt, mit lauter Knochen und einem Kerl, der verschwinden kann, eingesperrt. Außerdem will er uns fressen! Fressen! Natürlich ist das ernst!", erwiderte Annika mit einem hysterischen Unterton in der Stimme.

Sie begann zu schluchzen und es klang, als würde sie nie wieder damit aufhören.

Tamara konnte ihr dies nicht wirklich verübeln.



Dominik hatte sich die Fotos angesehen und war mit Manuel einer Meinung. Tamara und Annika befanden sich in Gefahr. Vielleicht sogar in Lebensgefahr.

„Wenigstens muss ich dir nicht lang und breit erklären, worum es geht", sagte Manuel,während er seine Waffen zusammen suchte. „Das macht es ein bisschen leichter."
Dominik hatte sein Schwert mitgebracht und Manuel hatte die Waffe missmutig angesehen. Umgekehrt war es Dominik mit Manuels Waffe ebenso ergangen.

Hatten sie sich die Schwerter nicht gegenseitig in den Bauch gestoßen?

Aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich um solche Dinge Gedanken zu machen. Manuel packte mehrere seiner Pfeile in den Köcher und griff dann nach seinem Bogen. Vorher hatte er beim Supermarkt angerufen und sich krank gemeldet.

Sie packten die Waffen in eine große Tasche und machten sich dann auf den Weg zu den Boutiquen. Die Läden waren noch geöffnet und gerade betrat eine Kundin eines der Häuser. Auch im anderen Laden standen noch zwei Frauen und unterhielten sich mit einer Verkäuferin, während einige Passanten an den Dämonenjägern und der großen Tasche vorbei gingen.

„Der Weg müsste da vorne sein, genau zwischen den Häusern, ich frage mich, wie das geht. Rücken die auseinander?", fragte Manuel und ärgerte, dass sie nicht sofort etwas unternehmen konnten.

Aber dazu waren einfach noch zu viele Passanten unterwegs.

Bald würde es dunkel werden, im November ging die Sonne zum Glück schon recht früh unter und die meisten Menschen dieser kleinen Stadt würden dann nach Hause gehen. Zwar war die Gefahr durch Dämonen in den letzten Monaten gesunken, aber alte Gewohnheiten ließen sich eben nur sehr schwer ablegen.
Die Leute in Felgenberg waren noch immer daran gewöhnt, dass es besser war, bei Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein.

Auch die Boutiquen würden um spätestens 18 Uhr schließen und ließen sich somit nicht mit den restlichen Öffnungszeiten im Rest des Landes vergleichen.

Manuel setzte sich auf eine Bank, die inmitten der Fußgängerzone stand und Dominik setzte sich neben ihn.
„Geht es mit deiner Verletzung," fragte Dominik mit einem Mal und Manuel warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.

Warum erkundigte sich ausgerechnet Dominik danach?

Dominik seufzte. „Es geht um Tamara. Ich wollte nur wissen, du schon in der Lage bist, gegen einen Dämon zu kämpfen. Bei mir müsste es eigentlich gehen."

Manuel zögerte noch einen Moment mit seiner Antwort, rang sich dann aber doch dazu durch. „Es wird einigermaßen gehen. Wenn ich die Seite zu sehr belaste tut es weh. Aber Bogenschießen müsste wie früher funktionieren."
Dominik dachte einen Moment nach, ehe er seinen Vorschlag unterbreitete. „Dann werde ich am besten den Nahkampf übernehmen. Versuch du, das Ding mit deinen Pfeilen zu treffen. Und wir müssen uns auch noch um Tamara und ihre zickige Freundin kümmern. Wir wissen nicht, in welchem Zustand wir sie vorfinden."

Den letzten Satz hatte er leise gesagt. Offenbar gefiel Dominik die Vorstellung, dass Tamara vielleicht verletzt war ebenso wenig wie Manuel. Widerstrebend musste Manuel Dominik auch noch in einem anderen Punkt recht geben. Es würde niemandem etwas bringen, wenn ihm seine alte Verletzung im ungünstigsten Moment Probleme bereitete und es dadurch zu einem Nachteil für alle wurde.

„In Ordnung. Wir machen es so wie du sagst...dieses Mal," stimmte Manuel zu.

Der letzte Kunde hatte den Laden verlassen und auch die Angestellten hatten Feierabend gemacht und das Licht gelöscht.
Die Straße leerte sich und eine fast schon unheimliche Stille machte sich breit. Manuel fragte sich, mit was sie es überhaupt zu tun bekommen würden.

Aus rein strategischer Sicht gingen sie wahrscheinlich ein wenig unklug vor, weil sie nicht wussten, worum es sich genau handelte.

„Hast du schon mal von komischen Vorkommnissen bei den Läden gehört?", fragte er schließlich, aber Dominik wusste auch nichts Näheres. „Nein. Aber in unserem Kaff ist schon so viel passiert. Da wäre ein Dämon mehr oder weniger wahrscheinlich nicht aufgefallen."

Manuel sah zu den Läden herüber. Mittlerweile war die Straße menschenleer. Würde der Weg irgendwann erscheinen? Würde dies von selber geschehen? Oder geschah es nur an bestimmten Tagen? Gab es einen Auslöser?

„Jetzt könnten wir Jonas Freund Gerrit gebrauchen. Der konnte solche Wege doch öffnen," sagte Dominik und Manuel nickte. „Ja. Von uns kann das niemand. Aber Gerrit ist leider keine Option mehr. Er ist bei der ganzen Scheiße gestorben."

„Scheiße. Du hast recht. Genau das war es, du gibst dem Ganzen den richtigen Namen," stimmte Dominik dem anderen zu.

Sie schwiegen einen Augenblick und ein kalter Wind kam auf. Manuel schloss den Reißverschluss seiner Jacke.
„Es tut mir leid, dass ich dir ein Schwert in den Bauch gestoßen habe," sagte Dominik mit einem Mal in die Stille hinein. „Und es tut mir auch leid, dass du bis heute Schmerzen hast. Ich war damals nicht ich selber. Sonst hätte ich so was nicht getan."

Manuel nickte. „Ich weiß. Mir tut es auch leid, dass ich dich fast umgebracht hätte. Das würde ich unter normalen Umständen auch nicht machen. Trotzdem...es bleibt irgendwie haften. Es tat schweineweh und der Moment war scheußlich.

„Ich weiß, mir ging es genauso" erwiderte Dominik. „Aber wir müssen das jetzt irgendwie hinbekommen. Wegen Tamara."

„Ja," antwortete Manuel und stand auf. „Ich glaube, wir sollten irgendwie versuchen, den Dämon dazu zu bringen, dass er den Weg öffnet."

„Und wie willst du das machen? Hast du irgend eine Idee?", fragte Dominik, während Manuel, der das Buntbild von Tamara in der Hand hielt, auf die Stelle deutete, an der sich die Häuser auf dem Foto getrennt hatten.
„Da, an diesem Stein, der ein bisschen vorsteht, beginnt auf dem Bild der Pfad. Vielleicht sollten wir dagegen treten oder drücken oder etwas in der Art."

Dominik öffnete die Tasche und holte die Waffen heraus. Manuel nahm seinen Bogen und sein Schwert an sich, während Dominik , mit seiner Waffe in der Hand, zur Mauer ging.

Er schlug kräftig gegen die Wand und trat dann dagegen, während Manuel einen Pfeil nahm und mit seinem Bogen auf die Stelle zielte, an der sich wahrscheinlich der Pfad öffnen würde – falls er sich öffnete.

Aber nichts geschah. So einfach war es also nicht, den geheimen Pfad zu öffnen.


Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt