Kapitel 16

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  Zufrieden strich Maximilian über den Arm der weiblichen Elben-Statue. „Sehr hübsch! Mit dir haben sie sich wirklich sehr viel Mühe gegeben! Wozu die Kunst doch in der Lage ist! Ich denke, dass du eine der ersten bist, die ich zum Leben erwecken werde."
Dann schüttelte er nachdenklich den Kopf. „Oder nehme ich lieber einen der Orks? Oder die Eule? Mal schauen...."

„Ich brauche eine Seele," erklang eine misslaunige Stimme und das Farius-Familienoberhaupt seufzte innerlich. Irgendwie hatte diese Statue, die ihm gewissermaßen geschenkt worden war etwas entnervendes an sich, auch wenn er etwas so lästerliches niemals laut ausgesprochen hätte.
„Bald bekommst du deine Seele! Du darfst dir heute Abend eine holen! Aber errege nicht zu viel Aufsehen.....nicht, dass etwas in einer Zeitung oder im Fernsehen bekannt wird!", sagte er und wandte sich um.

Er hörte ein Quieken und war sich sicher, dass es eine Ratte war, die über den Fußboden huschte. Irgendwie war es unwürdig, dass er seine Statuen noch immer in dieser Hütte unterbringen musste, aber zumindest waren sie dort wohl sicher.

Niemand würde sie hier entdecken, bislang war es ja auch nicht geschehen.

„Bitte, lassen Sie mich gehen," erklang ein Wimmern an Maximilians Ohr und er wandte sich seufzend in die andere Richtung.
Das Wimmern kam aus der dunkelsten Ecke des Kellerraums und es stammte von einem dort angeketteten Mann. Es war nicht schwer gewesen, ein paar Ketten für mögliche Gefangene, die dort verwahrt werden mussten, anzubringen aber das Gewimmer und Gejammer des Mannes ging Maximilian derart auf die Nerven, dass er überlegte, ob er nicht nach einer anderen Lösung suchen sollte.

„Herr Farius.....ich verrate der Polizei auch nichts.....," klagte der Mann nun, aber Maximilian schnitt ihm unfreundlich das Wort ab.
„Halten Sie den Mund! Sonst vergesse ich meine guten Vorsätze und mein Diener hier wird Sie sofort töten! Dann darf er ihre Seele haben und sie haben nicht die Ehre, ein paar Körperteile für einen der neuen...."

„Körperteile?", unterbrach der Gefangene das Familienoberhaupt und Maximilian hörte die Panik in der Stimme seines Gegenübers.

Er seufzte erneut. „Schweigen Sie endlich! Das Gejammer kann ich nicht mehr mit anhören! Sie hätten mich in der Vergangenheit eben nicht so sehr belästigen dürfen...Gerichtsvollzieher hin oder her...."

In der Tat hatte dieser etwa fünfzigjährige Gerichtsvollzieher ihm das Leben reichlich schwer gemacht. Alles, was auch nur noch ein klein wenig Wert besaß, hatte er ihm weg gepfändet und mehr als einmal vor seiner Tür gestanden.
„Damit kommen Sie nicht durch...Sie sind ja wahnsinnig....", murmelte der Gefangene nun, aber Maximilian machte eine abwehrende Handbewegung, als wolle er eine lästige Fliege vertreiben.
„Mich wird man nicht verdächtigen! Ich war immer brav und habe mich pfänden lassen! Außerdem liegt das ein paar Monate zurück. Mein Diener hat sie außerdem in einem recht zwielichtigen Viertel aufgespürt und dann hierher gebracht. Dort wimmelte es nur so vor Schlägern, Kriminellen, Vorbestraften....man wird eher dort ermitteln und nicht bei einem armen alten Mann, der Ihnen nie Ärger gemacht hat....."

„Darf ich nicht doch...?", unterbrach der Dämon Maximilans dahingemurmelte Erklärungen und schließlich gab dieser nach.
„Meinetwegen. Ich werde mir jemand anderen suchen....es gibt schließlich noch mehr Menschen, die mir Schwierigkeiten gemacht haben. Da sind zum einen Polizisten, die ein wenig zu neugierig waren, weiteres unfreundliches Pflegepersonal im Krankenhaus, Mitarbeiter beim Arbeitsamt, diverse Anwälte, ein ehemaliger Bankdirektor, der einmal vor mir gekrochen ist, einige Familienmitglieder, allen voran mein Enkel Julian, meine missratenen Großneffen Mark und Christian.....es gibt genügend...."

Er verließ den Raum und achtete nicht auf die Schreie des Mannes, als der Dämon sich anschickte, ihm die Seele aus dem Leib zu reißen.






Der junge Mann atmete erleichtert auf, als der Zahnarzt den Behandlungsraum verließ, nachdem er sich in die Mittagspause verabschiedet hatte, während Jessica das Papierlätzchen vom Hals des Patienten nahm.
„Vielleicht trauen Sie sich ja das nächste Mal," sagte die junge Frau und lächelte aufmunternd, aber der Mann schüttelte den Kopf.
„Nur über meine Leiche! Der wollte mir den Zahn tatsächlich ziehen! Das tut...doch weh....und überhaupt sind die Schmerzen jetzt ja weg..."

Jessica dachte bei sich, dass die Betäubung, die ihr Chef dem Patienten verabreicht hatte, bald ihre Wirkung verlieren und die Schmerzen zurückkehren würden. Bei dem Zahn, der sich in noch schlechterem Zustand als die übrigen Zähne befand, war dies auch kein Wunder.

Selten hatte sie so ein ungepflegtes Gebiss gesehen.

„Sie haben wirklich Angst, nicht wahr?", erkundigte sie sich mitfühlend und der Mann nickte unglücklich. Dabei betrachtete sie ihn verstohlen. Er war groß und besaß einen durchtrainierten Körper. Sie war sich nicht sicher, aber sie glaubte, ihn bereits einmal vor einer Diskothek gesehen zu haben, in der er als Türsteher arbeitete.

Hatte er nicht damals gerade einen aggressiven Betrunkenen nach draußen befördert?

„Das geht in meine Kindheit zurück," sagte der Mann nun. „Damals war ich fünf und bin an einen Arzt geraten, der die ganze Zeit mit mir geschimpft hat. Dann hat die Behandlung auch noch weh getan...."
„Naja, mein Chef ist eigentlich sehr nett und er gibt sich große Mühe," stellte Jessica fest. „Vielleicht probieren Sie es ja demnächst noch mal bei ihm?"

Sie lächelte ihm aufmunternd zu. „Mir zuliebe?"

Er grinste breit. „Naja, wenn Sie so nett bitten.....ich bin übrigens Maik...."

Er hielt ihr die Hand hin und sie schüttelte sie kurz. „Jessica...", antwortete sie und zerknüllte den Papierlatz, um ihn anschließend in den Mülleimer zu werfen, aber dann verdüsterte sich Maiks Gesicht.
„Tut mir leid. Aber das...wird wohl nichts. Im Moment geht es ja auch einigermaßen. Vielleicht ist der Zahn ja irgendwann über den Punkt hinaus, wo er noch weh tun kann!"

Er erhob sich, als die Tür zum Behandlungsraum geöffnet wurde. Jessica vermutete, dass er befürchtete, dass ihr Chef zurückkommen und ihn, Maik, nun doch noch, notfalls gegen seinen Willen behandeln würde.

Aber während Maik hastig den Raum verließ drängte sich eine ältere Dame an ihm vorbei, die Jessica ebenfalls bekannt vorkam.

„Die hab ich doch im Restaurant gesehen, als ich mit Dieter und den anderen essen war, dieser ehemalige Filmstar...," dachte sie, während die alte Dame ungebeten auf dem Behandlungsstuhl Platz nahm.
„Die unfreundliche Person am Empfang hat mir gesagt, dass der Arzt nicht da sei! Die lügt doch bestimmt. Und dann hat sie noch gesagt, dass ich ohne Termin nicht dran komme! Das darf doch wohl nicht wahr sein," zeterte sie, während Jessica versuchte, sich an den Namen der Frau zu erinnern. Der Kellner hatte ihn doch genannt.

„Ähm...Frau....", stammelte sie und die alte Dame sah sie missbilligend an, als könne sie nicht verstehen, warum Jessica sie nicht kannte.
„Greifstuber! Ich heiße Bertha-Margarethe Greifstuber! Ich war schon einmal hier, das ist zwar schon zehn Jahre her, aber spielt das eine Rolle? Ihr Chef wird sich bestimmt an mich erinnern!", keifte die Frau ungehalten.

Jessica bezweifelte dies, obwohl die Dame sicherlich eine recht einprägsame Person war. Aber leider besaß der Zahnarzt ein Gedächtnis wie ein Sieb, was seine Patienten anging.

„Er ist wirklich in der Pause....," wagte sie es zu sagen, wurde aber unterbrochen. „Ich habe Zahnschmerzen! Mein Backenzahn tut weh! Ich brauche Hilfe und ich bin außerdem sehr gut versichert," klagte Frau Greifstuber. „Also, hilft er mir nun oder nicht?"

Jessica seufzte innerlich und versuchte dann der Frau klar zu machen, dass sie nicht einfach einen Behandlungsraum entern und seine sofortige Behandlung durch einen nicht mal anwesenden Zahnarzt verlangen konnte.
„Vereinbaren Sie doch bitte einen Termin für heute Nachmittag....," schlug sie vor, erntete aber einen vernichtenden Blick.
„Soll ich hier von Pontius zu Pilatus laufen? Taxikosten zahlen sich auch nicht von allein, auch wenn ich es mir leisten kann!"

Für Jessicas Geschmack gab die Frau ein wenig zu sehr mit ihrem Geld an. So etwas konnte sie nicht leiden.
„Vereinbaren Sie bitte einen Termin," bat sie noch einmal so freundlich wie möglich. „Ich kann Sie leider nicht behandeln, ich bin nur Assistentin...."

„Für eine Frau Doktor hätte ich Sie junges Ding auch nicht gehalten. Dann suche ich mir eben einen anderen Arzt," schnaubte die Frau verächtlich, erhob sich aber aus dem Behandlungsstuhl.

Dies schaffte sie, vor allem angesichts ihres wahrscheinlich hohen Alters, erstaunlich gut.

Wütend verließ Frau Greifstuber kurz darauf die Praxis und Jessica atmete erleichtert auf. „So was Unhöfliches! Die erwartet wahrscheinlich von uns jungen Leuten, dass wir nett zu ihr sind und Respekt vor ihr haben. Aber die hat doch auch keinen....

„Und sie hat ihre Handtasche vergessen," erklang die Stimme von Maja, Jessicas jüngster Kollegin, die erst vor wenigen Wochen ihre Ausbildung in der Praxis begonnen hatte.

Sie hatte den Behandlungsraum säubern wollen und war dabei wohl über eine knallrote Handtasche gestolpert. Neugierig begann das Mädchen, darin zu kramen.
„Maja, das kannst du nicht machen! Einfach so eine fremde Handtasche durchschnüffeln...."

Maja zuckte die Achseln und Jessica seufzte innerlich. Die neue Auszubildende war ein nettes, fleißiges Mädchen, das die gestellten Aufgaben schnell begriff und auch richtig ausführte. Aber sie war manchmal ein wenig zu....frech, wenn auch auf eine eigentlich liebenswerte Art und Weise.

„Ich will doch nur wissen, wo die wohnt, damit wir ihre Nummer suchen und sie anrufen können," verteidigte Maja sich mit Unschuldsmiene, als sie den Ausweis der Frau aus der Tasche fischte. „Schau mal, die ist Baujahr 1913. Dann ist die ja schon 96 Jahre alt. Also für so alt hätte ich die doch nicht gehalten."

Jessica lief ein Schauer über den Rücken. Irgendetwas....war hier merkwürdig. Zwar gab es durchaus Menschen, die dieses hohe Alter erreichten und manche von ihnen befanden sich auch noch in einem sehr guten gesundheitlichen Zustand. Aber die Frau wirkte doch jünger als Sechsundneunzig.

Nun kicherte Maja. „Die hat Tampons in ihrer Tasche! So alte Leute kriegen doch nicht mehr ihre Tage, oder?"

„Eigentlich nicht....," murmelte Jessica und suchte nach einer Erklärung. „Vielleicht hat sie die ja nur für ihre Enkelin besorgt oder so!"
„Die Packung ist aber offen," stellte Maja kopfschüttelnd fest und teilte Jessica dann die Anschrift der alten Dame mit, als sich die Tür öffnete und eine wütende Frau Greifstuber die Praxis betrat. „Was machen Sie da mit meiner Tasche? So eine Unverschämtheit," empörte sie sich und riss Maja ihre Handtasche aus der Hand.
„Ich werde mich bei Ihrem Chef über Sie beschweren! Und wehe, mir fehlt Geld! Dann bekommen Sie Ärger mit der Polizei!"

„Immer noch besser, als wenn Sie uns einen Dämon auf den Hals hetzen," sagte Jessica halblaut und in ihrer Stimme schwang eine leise Drohung mit, auch wenn es für ihr schlechtes Gefühl keinerlei Beweis gab.

„Bitte?", fragte Frau Greifstuber, drehte sich dann aber auf dem Absatz um und verließ schnell die Praxis.





Am Abend hatte Jessica sich auf ihrem Bett in Felix Arm gekuschelt und sah gemeisam mit ihm fern.
„Wie war es in deinem Volksschulkurs?", erkundigte sich Jessica. „Meinst du, du bekommst das hin mit dem Schulabschluss?"
„Klar. So schwer war es nicht. Ich hatte ja ein paar Jahre lang Privatunterricht," antwortete Felix, schien sich aber wegen etwas anderem Gedanken zu machen.

„Wie war es denn heute bei dir? Du bist irgendwie abwesend."

Jessica zögerte, ehe sie Felix von dem Besuch der merkwürdigen Frau Greifstuber berichtete. „Die Frau war komisch. Die ist 1913 geboren, also 96 Jahre alt, schleppt, obwohl sie seit über vierzig Jahren die Wechseljahre hinter sich haben müsste, Tampons mit sich herum und sieht viel jünger aus.....also komisch!"

Zu ihrer Erleichterung nahm Felix ihre Besorgnis einigermaßen ernst.

„Naja, das ist schon ein bisschen merkwürdig. Aber diese Tampon-Dinger waren bestimmt nicht für sie, vielleicht hat sie sich einfach gut gehalten und dass sie unfreundlich war....nun ja, das sind viele Leute....aber wir sollten vorsichtig sein. Vielleicht legen wir unsere Waffen lieber auf den Nachttisch. Man weiß ja nie...."

Sie seufzte, während Felix sie an sich drückte und sie zu trösten versuchte. „Wir haben doch schon andere Sachen überstanden als eine merkwürdige unfreundliche Oma, von der wir nicht mal wissen, ob mit ihr etwas nicht stimmt...."

Eigentlich gab Jessica ihm recht. Mehr als abwarten konnten sie sowieso nicht. Sie hatte bereits versucht, die Anschrift der alten Dame herauszufinden, aber die alten Unterlagen der Arztpraxis existierten nicht mehr. Sie hatte die Anschrift auch nicht im Internet gefunden und Maja hatte sich die Adresse auf dem Ausweis auch nicht gemerkt.

„Ich hatte einfach gehofft, dass wir die Waffen einmotten können. Irgendwie hofft man das immer. Aber Leute wie wir sollten sie eben immer in Reichweite haben!", dachte sie und schloss müde die Augen.

Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt