Kapitel 41

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Wie angekündigt begleitete Jonas seine Frau bis in ihr Büro. „So, ich warte jetzt solange, bis deine Kollegin kommt!", sagte er. „Ich lass dich hier bestimmt nicht allein sitzen, während der Irre herumschleicht."
„Das ist nicht nötig....," wehrte Julia ab, war im Grunde aber dankbar, dass sie nicht alleine bleiben musste. „Du kommst sonst noch zu spät zur Arbeit."
„Das ist egal!", wehrte Jonas ab. „Herr Cremer hat Verständnis. Ich habe ihm schon gesagt, dass du im Moment Probleme mit einem verrückten Kollegen hast. Er meinte, wir sollten uns an die Polizei wenden. Notfalls sollten wir einen Gerichtsbeschluss erwirken und er hat noch gefragt, ob der Valler verbeamtet ist."

„Ich weiß nicht so genau. Wahrscheinlich ja," antwortete Julia. „Warum?"

Jonas zuckte die Achseln. „Dann hätte er außer einem normalen Verfahren auch noch ein Disziplinarverfahren am Hals und das könnte ihm wirklich das Genick brechen. Die würden ihn bestimmt rauswerfen!"

Die Tür öffnete sich und Frau Hellenberg sah Jonas, den sie auch bereits seit Schulzeiten kannte, überrascht an. „Ach, hallo Jonas! Schön, dich mal wieder zu sehen."

Jonas nickte ihr grüßend zu. „Der Anlass ist leider nicht so schön. Der Verrückte fängt an, Julia zu bedrohen!"
„Jonas....", mahnte Julia, der die ganze Angelegenheit sehr unangenehm war, aber ihr Mann wehrte ab.
„Ist doch wahr!"

Frau Hellenberg schien ernsthaft erschrocken zu sein. „Das nimmt ja immer bedrohlichere Ausmaße an! Ich glaube, ich lasse dich nicht mehr allein auf die Toilette gehen!"

Jonas gab Julia einen Kuss auf die Wange und umarmte sie kurz. „Ich sehe ja, das du hier auch Personenschutz hast. Dennis holt dich dann nachher ab. Ich hab ihm gesagt, er soll dem Valler eins aufs Maul geben, wenn der Probleme macht. Grüß ihn von mir. Bei Britta ist das nicht unbedingt nötig,..."
„Jonas, sei lieb," bat Julia mit einem schwachen Lächeln. „Sie hat dich schon seit Jahren nicht mehr geärgert! Und weder du noch Dennis seid Schläger..."

Jonas grinste „Sie soll ihre eingebildeten Gespenster grüßen!"

„Gespenster?", fragte Frau Hellenberg irritiert. „Was denn für Gespenster?"

Jonas fiel ein, dass er vor Julias Kollegin nicht so offen über die unheimlichen Dinge in seinem und Julias Leben sprechen konnte. Im Gegensatz zu seinem Chef und seinem Kollegen Ingo war sie schließlich nicht eingeweiht und das sollte auch so bleiben. Wenigstens einige Menschen in seinem und Julias Umfeld sollten ein normales Leben führen können.

„Nichts weiter," stellte er daher fest und dachte sich schnell eine Erklärung aus. „Sie macht sich schon Gedanken darüber, dass sich ihre kleine Tochter irgendwann mal vor Gespenstern fürchten könnte und überlegt schon mal, was sie dann dagegen tun könnte.

Frau Hellenberg lachte. „Acht so. Bei so was leisten Stofftiere einen guten Dienst!"

Jonas verließ das Büro und wollte in sein Auto steigen. Vorher hatte er sich noch auf dem Parkplatz umgesehen und vor allem die Bäume und Büsche im Blick gehabt. Aber von Herrn Valler war weit und breit nichts zu sehen.
„Gut, der Kerl liegt wenigstens nicht im Gebüsch auf der Lauer," dachte er, während einige Schüler an ihm vorbeigingen.

Dabei wurde er mit einem Mal an seine eigene Vergangenheit erinnert.

Drei Jungen und zwei Mädchen blieben neben Jonas'Wagen stehen und eines der Mädchen deutete in Richtung Straße. „Guck mal, da kommt der fette Nils! Wie er watschelt!"

Die anderen Teenager, Jonas schätzte sie auf ungefähr vierzehn Jahre, lachten, während ein rundlicher Junge den Parkplatz betrat. Jonas sah, dass der Junge, Nils wie er vermutete, kurz stehen blieb, dann aber doch tapfer weiterging und wohl nach Kräften versuchte, die anderen Jugendlichen zu ignorieren.

Aber dies war gar nicht so einfach, denn ein Mädchen rief laut: „Hey, Schwabbi, stampf keine Löcher in den Beton! Sonst musst du das bezahlen!"
„Guck mal sein Pullover! Den hat bestimmt die Mutti für ihn ausgesucht," kicherte das andere Mädchen, als der Junge an ihnen vorbei ging.

Nun wurde es Jonas zu viel oder vielmehr kamen bei ihm ein paar Dejavus zu viel auf, zumal die Jungen nun den Weg verstellten und ihr Opfer am Weitergehen hinderten. „Redest du nicht mehr mit uns? Tust du jetzt so, als würde es dir nicht ausmachen?"

„Er heult gleich!", sagte ein Mädchen, wurde dann aber zur Seite gedrängt.

„Hey," rief sie, als Jonas sich zwischen die beiden Jungen stellte.

„Ich glaube, er möchte gerne vorbei gehen!"," sagte Jonas. „Und du Babyface solltest dich besser mal verziehen!"
„Äh...was soll das....", sagte einer der anderen Jungen, während der Geärgerte schnell an der Gruppe vorbei eilte.
„Lass dich von den Dumpfbacken nicht fertig machen! Denen quillt die Blödheit doch genauso aus dem Gesicht wie die Pickel", rief Jonas ihm hinterher und die drei Jugendlichen sahen ihn empört und verstört zugleich an.

Offenbar hatte ihnen noch niemals jemand irgendwelche Grenzen aufgezeigt, zumindest vermutete Jonas das.

Die beiden Mädchen trollten sich auch schnell, aber der mutigste der Jungen wollte nicht so schnell klein beigeben. „Ey, was soll das? Soll ich jetzt Angst haben?"
„Wäre besser!", sagte Jonas. „Aber das erkläre ich dir besser nicht. Würdest du sowieso nicht kapieren."

Der Junge wusste nicht, was er antworten sollte und diese Schwäche nutzte Jonas gnadenlos aus. „Fehlen dir die Worte? Glaube ich gerne. Mit der Intelligenz hast du es wohl nicht so, was? Du fühlst dich nur stark, wenn du zusammen mit deinen Kumpels auf einen einzelnen draufhauen kannst. Einfach nur feige! Solche wie dich kenne ich zur Genüge."

Jonas wurde sich bewusst, dass er sich als Erwachsender gerade mit jungen Schülern anlegte und das wurde ihm denn doch zu dumm. „Lasst diesen Nils künftig in Ruhe! Es ist einfach nur das Allerletzte, was ihr eben gemacht habt. Wahrscheinlich war es auch nicht das erstemal, oder?"

„Äh, ey was soll das?," fragte der Junge erneut. „Willst du dich mit uns anlegen?"

Jonas seufzte innerlich. Er wollte sich nicht mit den Teenagern, die definitiv überhaupt keine Chance gegen ihn gehabt hatten, anlegen.

Weitere Schüler und auch ein paar Lehrer überquerten nun den Parkplatz und Jonas erkannte seine ehemalige Lehrerin Frau Igel. Er winkte ihr zu. „Frau Igel, kümmern sie sich doch mal bitte um die drei hier!"
Die Lehrerin trat näher. „ Hallos Jochen...ähm....Jörn.....", grüßte sie fragend und Jonas lächelte ihr freundlich zu. „Jonas! Jonas Schneider."

Sie nickte. „Ach so, stimmt. Jonas! Schön dich zu sehen!"

Dann blickte sie auf die drei Jungen und ihr Gesicht nahm eine strengen Ausdruck an. „Ah, Jan, Pascal und Lukas. Ihr drei mal wieder. Was gibt es denn?"

„Sie haben einen Jungen namens Nils ziemlich drangsaliert. Da waren noch zwei Mädchen dabei, aber die sind schon reingegangen. Ich dachte nur, dass Sie es vielleicht wissen sollten, wenn sich ein paar Ihrer Schüler hier unter aller Sau benehmen!"
Die Lehrerin nickte und sah die Schüler streng an. „Ich werde mit Nils sprechen. Mal sehen, was er zu der Sache zu sagen hat. Und ihr solltet lieber hoffen, dass ihr dieses Mal eure Mathehausaufgaben gemacht habt! Das wäre besser für euch, als Mitschüler zu mobben. Ein weitaus sinnvollerer Zeitvertreib."

Jonas war recht erstaunt, dass sich die Lehrerin der Sache annahm. Bei ihm war das damals niemals der Fall gewesen. Aber vielleicht hatte Frau Igel auch dazu gelernt und diese Schüler schien sie sowieso schon auf dem Kieker zu haben.

„Los, wir gehen jetzt rein und klären das!", sagte sie und scheuchte die Junge, die mit einem Mal ganz kleinlaut waren, vor sich her. „Das gibt eine Strafarbeit!"

Während die Lehrerin und die Schüler den Parkplatz verließen und Richtung Schulgebäude gingen stieg Jonas in sein Auto, nicht ohne vorher noch einmal seinen Blick über den Parkplatz schweifen zu lassen.
Als er gerade ins Auto stieg klingelte sein Handy. „Ah, Julia," meldete er sich. „Was gibt es? Hat der Kerl dich wieder belästigt?"
„Nein," antwortete Julia am anderen Ende der Leitung. „Er hat gerade bei Frau Hellenberg angerufen und sich krank gemeldet. Sie sagt, er hätte wie ein Haufen Elend geklungen. Aber keine Sorge, ich fahre trotzdem nachher mit Dennis, auch wenn er nicht auftaucht."

„Mach das. Nicht, dass das nur ein Trick ist. Wenn er Mails schreibt, nicht löschen. Das sind Beweismittel!" gab Jonas zu bedenken. „Ich fahre jetzt zur Arbeit. Ich ruf dich naher noch mal an!"

Dennis holte Julia pünktlich von der Arbeit direkt vor dem Sekretariat ab. „Danke," sagte sie. „Aber du hättest auch ruhig reinkommen können. Außer mir ist nur noch Frau Hellenberg hier. Die Schüler haben alle schon Schluss."

Eine Putzfrau ging an den beiden vorüber und Julia nickte ihr grüßend zu.

Dennis schien mit den Gedanken irgendwo anders zu sein, wandte sich nun aber doch an Julia. „Können wir gehen? Ich hab neue Windeln besorgt. Britta hat mich angerufen. Anscheinend ist da ein Notstand ausgebrochen."

Während der Fahrt zu Dennis und Brittas Wohnung versuchte Julia mehrmals, mit Dennis ins Gespräch zu kommen, aber er reagierte nicht auf sie. Schließlich reichte es ihr.
„Ist irgend etwas? Bist du sauer auf mich? Ist es ungünstig für dich, dass zu mich abholen solltest?" fragte sie und Dennis zuckte kurz zusammen.

Zumindest bekam sie nun eine Antwort. „Nein, es ist alles in Ordnung! Ich bin nicht sauer auf dich. Aber ich hatte ein bisschen Stress bei der Arbeit. Viel zu tun und so...."

„Ach so," murmelte Julia.

Vielleicht hatte der Mann ihrer besten Freundin wirklich nur einen schlechten Tag erwischt. So etwas konnte ja durchaus einmal vorkommen.

Ein wenig später ließ sie sich von Britta eine Tasse Kaffee servieren. Der Babybauch der Freundin war ein wenig deutlicher zu erkennen als beim letzten Besuch, oder kam ihr dies nur so vor? Britta bemerkte den Blick.
„Es geht im Moment schnell mit dem Zunehmen. Ich habe endlich wieder Hunger, nicht wahr, Dennis?"

Aber Dennis reagierte nicht, sondern verließ statt dessen den Raum. „Macht euch einen schönen Abend. Ich schnappe mir Anna-Lena und gehe mir ihr ein bisschen spazieren! Ich bin zurück, bevor es dunkel wird!"

Britta sah ihrem Mann kopfschüttelnd nach und Julia fragte, sich, ob die beiden Probleme miteinander hatten. Hing dies mit dem Dämon zusammen, den Jonas vor kurzem besiegt hatte? Die genauen Umstände kannte sie auch nicht und ihr fiel ein, dass Jonas sie gebeten hatte, nicht mit Britta darüber zu sprechen.

Warum eigentlich nicht?

Britta begann, als Dennis mit der gemeinsamen Tochter die Wohnung verlassen hatte von selber zu erzählen.
„Er scheint irgendwie ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich verstehe das gar nicht. Wir hatten keinen Streit und es ist auch nichts vorgefallen. Aber manchmal hab ich das Gefühl, dass er mir nicht in die Augen sehen kann und mir aus dem Weg geht...."
„Vielleicht hat er einfach nur Stress," versuchte Julia die Freundin zu beruhigen. „Der Job, Anna-Lena, das zweite Baby. Und er war ja auch krank. Vielleicht ist er einfach noch nicht so richtig auf dem Damm!"
„Vielleicht," sagte Britta und äußerte einen Verdacht. „Hoffentlich steckt keine andere Frau dahinter...."

Julia schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Wir kennen doch Dennis! Du warst und bist die Einzige für ihn! Wenn wir früher ausgegangen sind hätte er durchaus Chancen gehabt, aber er hat andere Frauen keines Blickes gewürdigt! Und erinnere dich mal daran, wie er sich über einen Kollegen aufgeregt hat, der fremdgegangen ist! So was ist für Dennis ein No-Go."

„Ja, ich weiß!", antwortete Britta nachdenklich. „Aber ich hoffe, dass das bald wieder anders wird....auch wenn ich es natürlich schön finde, wenn er viel mit Anna-Lena unternimmt. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass er das macht, um mir aus dem Weg zu gehen! Aber du hast bestimmt recht. Fremdgehen ist für ihn das Allerletzte. Da hat er ganz strikte Vorstellungen. Wahrscheinlich würde er sich das selbst am wenigsten verzeihen."

„Genau! Er ist die treueste Haut überhaupt. Dem könntest du ein nacktes Model ins Bett legen und er würde sie nicht mit dem Hintern ansehen. Einfach weil er mit dir zusammen ist und sich für dich entschieden hat!", versuchte Julia ihre Freundin zu beruhigen, auch wenn ihr all die Dinge, die sie über die Statue von Gräfin Carolina gelesen hatte, in den Sinn kamen. „Die Männer wurden krank. Und es ging um Eifersucht, enttäuschte Liebe und solche Dinge wie Treue....."

Ihr kam ein Gedanke, den sie schnell wieder beiseite schob. „Nein, das...ist bestimmt nicht passiert... das wäre außerdem ekelhaft." sagte sie sich und fast schon erleichtert ging sie auf Brittas Themenwechsel ein.

„Was macht dein Stalker?", fragte sie und Julia stellte seufzend ihre Tasse Kaffee, die sie in der Hand gehalten hatte, auf den Wohnzimmertisch.
„Heute war er krank. Aber ich hab dir ja erzählt, was er sich mit meinem Auto geleistet hat. Und....ich traue mich im Moment nicht so wirklich zur Arbeit."

Nun wechselte auch Julia das Thema. „Was machen eigentlich deine Gespenster? Noch mal welche gesehen?"
Britta lächelte. „Nein, keine vermeintlichen Geister mehr. Wahrscheinlich war das nur der Schlafmangel. Ich hab damals ja auch kaum ein Auge zubekommen. Übelkeit, ein quengelndes Kleinkind....es war ein bisschen zu viel des Guten...."

„Vielleicht war es das ja wirklich!", antwortete Julia und fügte in Gedanken hinzu: „Hoffentlich war es das!"

Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt