Kurz darauf saßen Jonas und Julia an einem Tisch in der Ecke des düsteren Gastraums der Dorfkneipe.
Der ganze Raum machte einen schmuddeligen Eindruck und Julia sagte sich, dass sie definitiv schon in besseren Eifelgasthöfen gegessen hatte.
Trotzdem erwies sich Alfred Meier, der Gastwirt, als ein freundlicher Mann, der ihnen zum bestellten Kaffee einen kleinen Teller mit Keksen servierte.
„Hier müsste mal renoviert werden," sagte der Mann entschuldigend. „Aber was das wieder kostet...hat halt nicht jeder viel Geld..."
„Wir sollen Sie von Gerda und Wurzel grüßen, wir haben die beiden am Parkplatz getroffen," erwiderte Julia und Wirt Alfred lachte. „Ja, die Gerda! Ihr Wurzel kann an keinem Baum vorbei gehen. Aber sie ist wirklich eine ganz Liebe!"
„Ja, sie war nett," antwortete Julia, während Alfred an die Theke schlenderte, um einen weiteren Gast zu bedienen.
„Hallo, Paul!", begrüßte er den neu Angekommenen. „Wie läuft es in der Werkstatt?"
Die beiden begannen ein Gespräch über Autoreparaturen, während eine junge Frau, die Alfred recht ähnlich sah, ihnen ein zwei Teller mit Schnitzel und Fritten an den Tisch brachte.
„Guten Appetit, wünschte die junge Frau lächelnd, ehe sie sich zu Alfred gesellte und dann damit begann, ein paar Gläser in ein Regal hinter dem Tresen zu räumen.
Der Geschmack des Mittagessens überraschte Julia im positiven Sinne. „Also dieser Alfred oder das Mädchen oder wer auch immer in der Küche arbeitet können sehr gut kochen," sagte sie, während Jonas sich ein großes Stück Fleisch in den Mund steckte.
„Stimmt," antwortete er mit vollem Mund. „Hab lange kein so gutes Schnitzel gegessen. Aber die von Frau Huber sind noch besser!"
„Ja, über die geht nichts," erwiderte Julia, während ihr das Mädchen eine Limonade brachte. Julia fragte sich, ob es sich bei ihr möglicherweise um die Tochter von Alfred Meier handelte.
„Bring mir doch bitte ein Bier," bat Alfreds Gesprächspartner nun mit lauter Stimme und lachend fügte er hinzu: „Nicht, dass du mir wieder hinausläufst, so wie neulich Abend, als unsere Brunnenstatue zertrümmert wurde!"
Alfred hielt in der Bewegung und und schüttelte dann den Kopf. „Erinnere mich bloß nicht daran! Das war wirklich merkwürdig."
Julia und Jonas spitzten die Ohren. Nun wurde es interessant.
„Papa, lass das ganze doch auf sich beruhen," mischte sich die Frau, bei der es sich anscheinend wirklich um Alfreds Tochter handelte, ein, aber ihr Vater und sein Gesprächspartner, Paul, ignorierten ihren Einwand.
„Ja, das war wirklich sonderbar! Du bist noch nie rausgelaufen, während die Kneipe brechend voll war!", sagte Paul grinsend, aber Alfred schien nicht zum Scherzen zumute zu sein. „ Ich wollte eigentlich gar nicht rausgehen! Aber es hat sich so angefühlt, als würde mich etwas rufen. Zum Brunnen. Dorthin, wo der Hans, der Heiner und der Dietmar damals gestorben sind! Du erinnerst dich doch noch daran. Ich hatte das Gefühl, dass man mich auch tot auffinden würde..."
„Papa, hör auf, solche Gruselgeschichten zu erzählen," bat die junge Frau, die ein Bier für Alfreds Gegenüber auf den Tresen stellten. „Das macht mir Angst! Außerdem ist dir ja nichts passiert!"
Alfred nickte. „Ja! Ich war ein paar Schritte gegangen, da verschwand das Gefühl plötzlich...."
Der andere Mann schlug Alfred auf die Schulter. „Schon gut! Ich verzeihe dir auch, dass du mich angerempelt hast, als du damals hinausgerannt bist! Aber der Kurt war am nächsten Morgen wirklich komisch. Er konnte es gar nicht glauben, dass du ihm hier am Tresen begegnet bist! Weißt du noch? Er hat dich ganz entgeistert angestarrt! Aber er war ja auch wirklich sauer auf dich!"
Alfred nickte grinsend. „Stimmt! Ich hatte mich ja erst ein paar Tage vorher mit ihm gestritten! Er wollte doch die Renovierung der Kneipe bezahlen, aber dafür wollte er Mitinhaber werden und den Großteil verdienen! Mir wäre so gut wie nichts geblieben! Aber das konnte er mit mir nicht machen!"
„Erzähl das nicht zu laut," stellte Alfreds Gesprächspartner fest. „Sonst glaubt die Polizei am Ende noch, dass du ihn ermordet hast!"
„Mein Vater war das nicht!", mischte sich Alfreds Tochter nun erbost ein. „Erzähl so was bloß nicht rum!"
„Naja, er war wirklich ein Trottel! Vielleicht wurde er ja schon dement," wandte Paul ein. „Er hatte doch draußen sogar schon deine Hand gedrückt, Paula, als wolle er dir herzliches Beileid wünschen und du warst ganz erstaunt deswegen."
Alfred nickte unwillig. „Vielleicht hat er ja durch irgend ein Missverständnis gehört, dass ich gestorben sei und dann war er derjenige, der ein paar Tage später tot in seinem Haus gefunden wurde. Einfach so dahingemeuchelt! Er tat mir nicht leid! Ich mochte ihn nicht!"
„Niemand mochte ihn," wandte Paula ein. „Niemand! Trotzdem sollte man es nicht laut sagen! Ich will nicht, dass die Polizei unseren Laden hier auseinandernimmt! Immerhin weiß man ja nicht, wer es gewesen ist!"
„Ich glaube, ich weiß jetzt, was hier passiert ist," flüsterte Julia Jonas zu. „Und ich weiß nicht, ob es mir gefällt! Besonders ein Teil bereitet mir ein wenig Magenschmerzen. Wir müssen reden, in Ruhe! Lass uns schnell essen und dann bezahlen!"
„In Ordnung!", antwortete Jonas, dem nun auch klar wurde, was wahrscheinlich passiert war.
Mittlerweile hatten Alfred, Paula und Paul das Thema gewechselt, zumal mittlerweile eine Frau den Raum betrat.
Paula drückte ihr ein Päckchen in die Hand. „Hier, ihre bestellte Bratwurst mit den Fritten! Guten Hunger!"
Eine Viertelstunde später saßen Jonas und Julia wieder im Auto und verließen den Ort Hasenbüchel, um sich auf den Weg zu Jonas Vater und Bruder zu machen.
„Denkst du dasselbe wie ich?", fragte Jonas schließlich, während Julia in Richtung Autobahn abbog. Es lagen noch so viele Kilometer vor ihnen, aber sie hatten auch einiges zu besprechen.
„Ich glaube schon," antwortete Julia schließlich. „Irgendwie fügt es sich zusammen. Die Statue gab es schon lange und sie war, soweit wir wissen, in all den Jahrzehnten auch niemals verhaltensauffällig, wenn man es denn so sagen darf. Aber dann haben Kurt, Dietmar, Hans und Heiner im Lotto gewonnen, aber Kurt wollte nicht teilen."
„Nein, das wollte er nicht. Geld verdirbt doch den Charakter, oder? War schon immer so. Darum hat man mir in meinem früheren Leben auch einen Pfeil in den Rücken geschossen, und weil ich damals kein Teildämon war hatte ich als Simon auch keine Chance!", antwortete Jonas und nun fuhr er mit der Geschichte fort.
„Irgendwie wusste Kurt, wie man Dämonen schafft. Keine Ahnung, woher er es wusste. Vielleicht war es ein Familiengeheimnis, vielleicht hat es ihm jemand verraten. Er hat es also getan und die Anfangsbuchstaben derjenigen, die die Statue erledigen soll, eingeritzt. Aus der normalen Statue wurde eine Dämonenstatue und nach und nach sind Hans, Heiner und Dietmar trotz bisheriger weitgehender Gesundheit und eines noch nicht allzu hohen Lebensalters verstorben."
„So wie immer! H, H und D hat er damals eingeritzt!" stellte Julia mürrisch fest.
Es ärgerte sie, dass drei junge Menschen so sinnlos hatten sterben müssen. Das Geld hätte doch durchaus für alle gereicht und sie konnte gierige Menschen, die für Geld über Leichen gingen, sowieso nicht ausstehen.
„Merkwürdigerweise starben sei wahrscheinlich vor der Statue und wahrscheinlich könnte eventuell auch noch ein Freund oder Angehöriger der drei erzählen, dass sie ganz überraschend in der Nacht ihres jeweiligen Todes das Haus verlassen haben," sagte Jonas nun. „Jedenfalls hat Kurt dann den Lottogewinn allein eingeheimst und die Statue hat sich ab da an ruhig verhalten!"
„Sie wurde wohl nur dann wach, wenn Kurt den Anfangsbuchstaben des künftigen Todeskandidaten einritzte," nahm Julia den Faden auf. „Und schließlich bekam er Streit mit Alfred, dem Kneipenwirt. Wieder mal ging es ums Geld und also beschloss Kurt, dass Alfred im Weg steht. Er hat den Buchstaben eingeritzt und Alfred war schon auf dem Weg zur Statue. Aber es kam nicht mehr dazu, dass das Ding sich seine Seele holte. Denn einer von uns oder vielmehr euch, ich bin ja eher ein Anhängsel, ein Dämonenjäger, hat das Teil erledigt und Alfred stand nicht mehr im Bann der Statue!"
„Ja, ein Dämonenjäger! Ich würde gerne wissen, wer es war. Vielleicht jemand aus dem Dorf?", überlegte Jonas und seine Stimme klang nachdenklich, aber Julia unterbrach ihn.
„Soweit, so gut. Bis dahin ist auch alles in Ordnung. Aber dann wird die Geschichte unschön und wirklich schlimm! Denn der Dämonenjäger hat sich nicht damit begnügt, Alfred zu retten und die Statue zu zerstören! Er ist ein paar Tage später auch noch bei Kurt aufgetaucht und hat ihn getötet!"
„Wenn er es denn war! Vielleicht war das ja auch jemand aus dem Dorf.Oder Alfred. Oder seine Tochter! Vielleicht war sie ja die Dämonenjägerin? Immerhin hat sie ihren Vater ziemlich in Schutz genommen!", erwiderte Jonas nachdenklich. „Und dieser Kurt scheint ja ein Kotzbrocken gewesen zu sein. Anscheinend konnte niemand ihn wirklich leiden....."
Julia spürte, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. „Ich weiß es nicht. Vielleicht war es so und das Ganze hatte nichts mit dem Dämonenjäger zu tun. Es würde auch, außer vielleicht zu Stefan, zu keinem passen, den ich kenne. Vielleicht Dominik. Er hat ja doch eine Weile in der unmittelbaren Nähe eines Höllendämon verbracht, aber ich glaube nicht, dass er im Moment körperlich zu einem Kampf in der Lage wäre. Außerdem hat er nicht mal einen Führerschein! Wie soll er nach Hasenbüchel gekommen sein?"
„Dominik war das auch nicht, er ist kein schlechter Mensch und es war nicht seine Schuld, dass er der Auserwählte dieses Höllendämons war," antwortete Jonas mit Nachdruck. „Und Stefan saß da noch im Gefängnis. Es wurde ja auch Geld gestohlen. Vielleicht war es doch ein Einbrecher. Schließlich war es wohl auch allgemein bekannt, dass Ekel-Kurt stinkreich war."
Damit gab Julia sich nicht zufrieden. Die Vorstellung, dass ein Dämonenjäger eventuell auch ein Mörder war gefiel ihr ganz und gar nicht.
„Aber stell dir vor, es wäre dieser Jäger oder diese Jägerin, wir wissen ja nicht, ob es nun ein Mann oder eine Frau war, gewesen. Das wäre....schlimm!"
„Ich weiß nicht so recht," antwortete Jonas nachdenklich. „Dieser Kurt war immerhin auch ein Mörder! Er hat aus einer stinknormalen Statue eine Mordwaffe gemacht. Mord aus niedrigen Beweggründen würde man so etwas nennen. Sein Motiv war Habgier, und sein versuchter Mord an Alfred geschah ebenfalls aus Habgier. Hätte er statt einer Statue ein Gewehr oder Gift benutzt und hätte man ihn erwischt, wäre wegen mehrfachen Mordes eine lebenslange Haftstrafe dabei herausgekommen! Bei einer Statue konnte man ihm natürlich nichts nachweisen!"
„Aber ist es nicht Selbstjustiz, dass er ebenfalls getötet wurde, wenn das denn das Motiv war und wenn es einen Zusammenhang gibt?", gab Julia zu bedenken. „So was kann doch auch nicht richtig sein.
„Ist es auch nicht!", antwortete Jonas. „Aber so einfach ist es bei Dämonen und Dämonenbeschwörern nicht. Hätte Kurt ein Gewehr benutzt, dann wäre es einfacher gewesen. Dann hätte der Dämonenjäger vielleicht der Polizei einen Tipp geben können. Aber eine Dämonenstatue? Ich....weiß ja auch nicht, ob der Dämonenjäger, wenn er denn der Täter ist, eine persönliche Verbindung zu Kurt oder einem der Mordopfer hatte. Vielleicht war es ja der Sohn oder Enkel oder ein alter Freund eines der Toten."
Julia fragte sich erneut, was Jonas tun würde, sollte ihm Wanda Schnickse eines Tages über den Weg laufen.
Dieser versuchte sie ein wenig zu beschwichtigen. „Julia, mach dir darüber keine Gedanken. Ich hab erst neulich einen Bericht darüber gesehen, dass die Polizei heutzutage sehr viele Verbrechen, auch Morde, aufklärt. Die haben heute doch ganz andere Möglichkeiten als vor zwanzig oder auch noch vor zehn Jahren. Vielleicht hat der Täter ja Haare oder Zigarettenstummel am Tatort hinterlassen. Oder man findet Fußabdrücke. Vielleicht gibt es auch Fingerabdrücke. Die werden doch auch im Umfeld von Ekel-Kurt ermitteln und dann finden sie den Mörder schon. Auch ein Dämonenjäger wird Spuren hinterlassen, wenn er denn überhaupt etwas damit zu tun hat. Vielleicht hat der ja wirklich nur die Statue erledigt!"
„Ich weiß es nicht!", antwortete Julia nach einem längeren Moment des Schweigens. „Aber die Vorstellung bereitet mir trotzdem Magenschmerzen!"
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Dämonische Statuen - Rache
Mystery / ThrillerDiese Geschichte bringt die verschiedenen Handlungsstränge aus Dämonische Statuen - Zwei Feinde und Dämonische Statuen - Jessicas Geschichte zusammen. Vier der Höllendämonen wurden bereits besiegt, aber die Dämonenjäger werden nach wie vor gefordert...