Kapitel 36

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 Dominik stopfte zufrieden sein T-Shirt, das er während des Basketballspiels getragen hatte, in seinen Sportrucksack. Es war das erste Mal, dass er, seit dem Kampf, bei dem letztlich ein Höllendämon besiegt und er verletzt worden war, wieder aktiv an einem Basketballspiel mit seinen Schulkameraden teilgenommen hatte.
„Wir haben sogar gewonnen," dachte er mit einem Grinsen, das von seinem Mitspieler Holger erwidert wurde.
„Wir waren gar nicht mal schlecht, oder? Aber die haben sich auch ein paar blöde Fehler erlaubt! Dabei sind sie sonst besser als wir, ein paar von denen spielen im Verein.
„Ja, wir hatten auch eine gehörige Portion Glück," antwortete Dominik ein bisschen missmutig, er wollte sich den Sieg nicht kleinreden lassen, während er seinen Rucksack nahm und den Umkleideraum verließ.

Draußen regnete es leicht und er zog sich die Kapuze seines T-Shirts über den Kopf. Eine Erkältung war das letzte, was er im Moment gebrauchen konnte. Er hatte die Nase gestrichen voll von Dingen wie langsam verheilenden Verletzungen und Krankheiten.

Trotzdem machten sich leichte Stiche an seiner Narbe bemerkbar, aber es war erträglich und hörte, während er den Schulhof verließ, denn der Schultag fand gerade sein Ende, wieder auf.

„Gut," dachte er zufrieden und blieb abrupt stehen, als er die Straße überqueren wollte. Auf der anderen Straßenseite verließ nämlich gerade Tamara eine Imbissbude. In der Hand hielt sie eine Tüte.
Offenbar hatte sie sich ein spätes Mittagessen dort besorgt und der Größe der Tüte nach zu schließen war es nicht ausschließlich für sie bestimmt.

Nun, immerhin gab es in Tamaras Haushalt auch noch ihre Mutter und Manuel.

Sie blieb ebenfalls stehen, als sie ihn erblickte und schien nicht so recht zu wissen ob sie ihn ignorieren oder flüchtig begrüßen sollte.

„Das ist doch kein wirklicher Zustand," dachte Dominik. „Dieser Blödsinn muss jetzt mal ein Ende haben! Irgendwann muss man mal wieder normal miteinander umgehen."

Und benahmen sie sich nicht im Grunde wie im Kindergarten?

Dominik überquerte die Straße und zu seine Erleichterung, die er sich erst jetzt eingestand, machte Tamara keinerlei Anstalten, sich umzudrehen und ihn einfach stehen zu lassen. Also würde wohl zumindest eine Art Gespräch zwischen ihnen möglich sein.

„Tamara, wir müssen reden!", sagte Dominik daher auch sofort zur Begrüßung. „Willst du mit mir schnell einen Kaffee oder irgendwas anderes trinken gehen? So geht es nicht weiter!"

Tamara schien nicht so recht zu wissen, wie sie reagieren sollte, aber schließlich gab sie nach. „Na gut....aber nur eine Tasse Kaffee...oder kann ich auch einen Cappuccino haben? Ich mag Kaffee nicht besonders! Und ich fühl mich nicht so wohl...."
„Du kannst alles haben, was du willst!", antwortete Dominik und war froh, dass er keinen Korb bekam. „Ich will dir auch nicht irgendwie zu nahe treten oder so. Aber wir müssen einfach mal reden. So, wie es jetzt ist, ist es doch Mist!"

Bald darauf nippte Tamara an einem ihrer Ansicht nach viel zu heißen Cappuccino und sie bemühte sich, sich nicht die Lippen zu verbrennen.

„Die könnten den ruhig ein bisschen kühler servieren! Er muss ja nicht direkt eiskalt sein," klagte sie, als sie sich natürlich doch leicht verbrannte.
„Die Cola ist dafür wirklich eiskalt," stellte Dominik grinsend fest und wechselte dann das Thema. Irgendwie musste er das Gespräch am Laufen halten und er schaltete sein Handy aus, als es klingelte.

Auf dem Display sah er, dass der Anruf von seiner Mutter kam. Wahrscheinlich wollte sie wissen, wie er das Basketballspiel überstanden hatte, aber ihm stand jetzt nicht der Sinn nach einem Gespräch mit ihr.

Sie machte sich einfach zu viele Sorgen und allmählich wurde es ihm ein wenig zu viel. Schließlich war er keine drei Jahre alt.

„Hast du dich schon für ein Projekt entschieden?", erkundigte er sich bich bei Tamara und brachte das Gespräch damit auf die Ende November stattfindende Projektwoche.
„Ja, wir müssen unser Wunschprojekt ja bis Morgen abgeben, sonst werden wir in irgend etwas gesteckt, was uns vielleicht gar nicht interessiert! Ich möchte etwas mit Webdesign machen. Da kommt extra ein Profi. Leider nehmen die nur zehn Leute ins Projekt auf, es gibt ja leider nicht genügend Computer!"
Dominik nickte. „Ja, was das angeht leben wir wirklich noch im tiefsten Mittelalter...."

„Wo willst du denn mitmachen?", fragte Tamara und sie stellte fest, dass es sie tatsächlich interessierte.

„Basketball, und falls das nichts gibt will ich bei Tims Vater ins Projekt," antwortete er und fügte hinzu: „Tims Vater betreibt doch die KFZ-Werkstatt am Stadtrand. Er will uns erklären, wie man Autos repariert, Reifen wechselt und solche Sachen. Davon hab ich leider nicht so viel Ahnung!"

„Ich auch nicht!", antwortete Tamara und flüchtig dachte sie daran, dieses Projekt auch in ihre Wunschliste aufzunehmen.

Zwar interessierte sie diese Thematik nicht sonderlich, aber schaden konnte es sicherlich nichts, etwas von Autos zu verstehen. Außerdem hätte ihr dies Gelegenheit gegeben, ein bisschen mehr Zeit mit Dominik zu verbringen.

Je länger ihr Gespräch dauerte desto wohler fühlte sie sich in seiner Gegenwart. Die Chemie stimmte irgendwie zwischen ihnen, trotz allem was passiert war....

„Es ist so viel geschehen...," sagte sie leise und wurde ernst. „Ich sollte nicht hier sein. Wegen Manuel..."
„Verbietet er dir etwa, mit mir zu sprechen?", fragte Dominik und Tamara war sich sicher, dass er sich darüber ärgern würde, sollte ihre Antwort „Ja" lauten.

Aber sie wollte nichts über ihren Bruder kommen lassen. Schließlich hatte er sich in dieser Hinsicht ja auch wirklich nichts zuschulden kommen lassen.
„Er hat nichts dagegen! Und selbst wenn, würde ich immer noch selber entscheiden, mit wem ich mich treffe. Aber er hat mal gemeint, dass das meine Sache sei. Trotzdem..."
„Fühlst du dich irgendwie schuldig?", beendete Dominik den Satz für sie und konnte es sogar nachvollziehen.
„Das war eine Sache zwischen mir und Manuel. Ich hab nie gewollt, dass du zwischen die Fronten gerätst."

Sie lächelte vorsichtig.„So was in der Art hat Manuel neulich auch gesagt. Aber ich sehe eben, dass es ihm manchmal nicht gut geht. Manchmal darf er früher gehen, weil er einige Arbeiten nicht machen kann. Seine Chefin hat ihn erst vorgestern früher in den Feierabend geschickt und Manuel hat darum ein schlechtes Gewissen gegenüber den anderen Azubis und Kollegen. Die müssen seine Arbeit ja mitmachen."

Unter normalen Umständen hätte Dominik nun kundgetan, dass ihm die Tatsache, dass es dem Bruder des Mädchens, mit dem er gerade einen Cappuccino trank gesundheitlich nicht gut ging, leid tat.

Aber die Situation war einfach zu kompliziert.

Tamara nippte traurig an ihrem Cappuccino. Die gute Stimmung war fast schlagartig verflogen und dies bedauerte sie zutiefst.
„Hör mal, Tamara, mach einfach das, was du gerne möchtest, okay?", sagte Dominik nun leise. „Lass dich von keinem Beeinflussen. Wenn du mich zum Teufel schicken willst, dann mach das. Ich werde zwar nicht hingehen, aber ich werde dich in Ruhe lassen, auch wenn es mir leid täte. Aber nimm dabei keine Rücksicht auf mich oder auf Manuel...."

„Du hast ja recht. Und ich will dich nicht zum Teufel schicken," antwortete Tamara und fügte in Gedanken hinzu: „Und ich würde gerne öfter mit dir einen Cappuccino trinken gehen. Verflucht noch mal, es muss doch einen Weg gehen, dass ich mich weiterhin gut mit Manuel verstehe und etwas mit Dominik unternehmen kann. Ich...mag ihn. Er ist nett und unter anderen Umständen...."

Sie wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, denn die Tür öffnete sich und am liebsten hätte Tamara mit den Augen gerollt, auch wenn sie nicht wusste, wie sie diese Redewendung in die Tat umsetzen sollte.

Jennifer und Annika, ihre besten Feindinnen seit Grundschultagen betraten den Raum und nahmen schließlich ausgerechnet am Tisch neben Dominik und Tamara Platz.

„Hallo, Dominik," sagte Jennifer und schenkte ihm ihr nettestes Lächeln, während sie Tamara keines Blickes würdigte.
Dies erledigte Annika dafür umso lieber. „Ach, gibt sie dir Mathenachhilfe? Oder will sie mit dir über Strickmuster diskutieren? Bestimmt hat sie irgend etwas total spannendes vor. Manche nennen es auch langweilig!"

„Naja, immerhin leidet sie nicht unter Hirnschwund!", antwortete Dominik und sah die beiden Mädchen missbilligend an. „Müsst ihr unbedingt neben uns sitzen? Es riecht nach Ziegenstall. Ihr wisst schon, die Heimat der Zicken..."

Tamara kicherte und ihre beiden Lieblingsfeindinnen machten ein paar abfällige Geräusche, die eine erneute Bemerkung durch Dominik hervorriefen. „Könnt ihr nicht richtig sprechen? Oder warum macht ihr diese komischen Teeniegeräusche, die eher zu Zwölfjährigen passen?"

Jennifer erhob sich. „Komm, wir gehen, Annika. Die sind doch blöd!"

Beide Mädchen begaben sich daraufhin zu einem Tisch am anderen Ende des Raums.

„Mir fällt in solchen Momenten nie was Passendes ein! Ich sollte wirklich mal einen Kurs zum Thema „Schlagfertig antworten" bei der Volkshochschule belegen. Und danke...", sagte Tamara und schenkte Dominik ein dankbares Lächeln. „Aber jetzt gehörst du bestimmt auch zu ihren Hassobjekten."
Dominik grinste. „Das kann ich vertragen, keine Sorge. Mit zwei Zicken werde ich schon noch fertig!"

Sie nickte. „Sag mal, hat sich Jonas bei der auch gemeldet? Er rief gestern Abend an und wollte wissen, ob Manuel in der Eifel war....."
Dominik wurde nun auch wieder ernster. „Ja, er hat angerufen. Da treibt ein Dämonenjäger sein Unwesen, der es nicht nur auf Dämonen abgesehen hat...."

„Das hat er Manuel auch erzählt. Aber von uns war es doch keiner, oder? Ich meine natürlich von euch war es keiner! Ich bin ja kaum zum Dämonenjagen geeignet," stellte Tamara mit einem vorsichtigen Lächeln fest.
„Nein, ich war es nicht," antwortete Dominik. „Wie soll ich in die Eifel kommen? Das sind ja nur ein paar hundert Kilometer! Ich war brav zuhause, bei meinen Eltern oder in der Schule."

Er zuckte die Achseln. „Wenigstens hat dieser Dämonenjäger die Statue daran gehindert, noch mal zuzuschlagen. Und der Schöpfer dieser Statue hatte ja wohl auch schon wieder nichts Gutes im Sinn. Der hätte vielleicht bald den nächsten Gartenzwerg oder das nächste steinerne Bambi in einen Dämon verwandelt und die ganze Sache hätte von vorne angefangen."

„Aber jemanden töten....einen Menschen....das ist schrecklich, auch wenn es ein Verbrecher war....," gab Tamara zu bedenken.

Dämonenjäger sollten doch die Guten sein, auch wenn Dominik zeitweilig, wenn auch nicht freiwillig, auf der richtigen Seite gestanden hatte.

„Es ist eben eine harte und ungerechte Welt," erwiderte Dominik. „Und wir kennen die ganzen Hintergründe und Zusammenhänge ja nicht. Falls es der Dämonenjäger war hatte er vielleicht auch einen persönlichen Grund. Vielleicht wurde seine Freundin von dem Kerl bedroht, oder eins der Opfer war sein Vater. Auf jeden Fall hoffe ich, dass er nicht von der Polizei geschnappt wird. Denk mal an all die Dämonen, die es nie gegeben hätte, wenn jemand rechtzeitig ihren Herrchen das Handwerk gelegt hätte."

„Du gehst davon aus, dass der Jäger ein Mann ist?", fragte Tamara und lenkte das Thema in eine etwas andere Richtung, die leichter für sie war. „Schon mal was von Emanzipation gehört?"

„Was? Was soll das denn sein?", fragte Dominik und tat dann so, als habe er die Erleuchtung. „Ach so, kenne ich doch. Das ist doch das, wenn die Frauen jetzt selber entscheiden, ob sie gelbe oder rote Paprika in den Salat machen, den sie ihrem Mann servieren, nachdem sie seine Wäsche gebügelt und die Schuhe geputzt und ihm den Mund abgewaschen haben!"

Tamara ging auf die Neckerei ein. „Genau, und nachdem sie ihm den Mund abgewaschen haben drücken sie ihm das Handtuch in die Hand und ketten ihn an die Spüle, damit er den Abwasch macht und ihnen dann ein paar Häppchen serviert!"

„Szenen einer glücklichen Beziehung," stellte Dominik fest, zuckte dann aber die Achseln. „Aber gut, sind wir fair. Vielleicht handelt es sich ja auch um eine Dämonenjägerin, die ihren Freund beschützen oder ihren Vater oder Onkel rächen will, oder die selber bedroht wurde. Da sollte man in alle Ecken offen sein. Das könnte jeder sein. Ein Rentner, eine Mama mit drei kleinen Kindern, eine Kindergärtnerin, ein Polizist, dem die Todesfälle komisch vorkamen oder ein Teenager.....und ist es unsere Aufgabe, das aufzuklären? Müssen wir diesem Jäger oder dieser Jägerin Knüppel zwischen die Beine werfen? Wir kennen, wie gesagt, die Zusammenhänge nicht..."

Tamara nickte unglücklich und ihre Unbehagen wurde noch größer, als es in ihrem Magen zu rumoren begann.

„Ich glaube, ich muss nach Hause. Es geht mir nicht so gut," klagte sie und Dominik sah sie besorgt an. „Geht es? Du hast es ja nicht weit, aber ich komme gerne mit...."

Sie schüttelte den Kopf und stand schnell auf. „Mach es gut. Wir sehen uns demnächst wieder...."

Schnell eilte sie nach Hause und hielt zwischendurch nur einmal kurz an, um sich den Bauch zu halten. Sie kannte das Gefühl zu gut, hatte bereits im letzten Jahr um diese Jahreszeit darunter gelitten und ihre Mutter sagte sowieso stets, dass sie ein „Hierschreier" sei, wenn es um Magen-Darm-Infekte ging.

Dankbar schloss Tamara kurz darauf die Tür des heimischen Gäste-WCs hinter sich und dachte bei sich, dass sie am morgigen Tage sicherlich nicht in der Lage sein würde, ihren Zettel zur Wahl ihres Wunschprojektes abzugeben.

Aber dies war nun ihr geringstes Problem.  


Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt