Anfang September 2009
Martin setzte sich müde auf sein altes Sofa und schaltete den Fernseher, ein altes Schwarzweiß-Röhrengerät, ein. Es dauerte ein Weilchen, bis ein Bild erschien und er fragte sich, ob sich an diesem Umstand, dass er in einer kleinen Einraumwohnung alter Möbel und Elektrogeräte leben musste, jemals etwas ändern würde.
Aus der Nachbarwohnung erklang laute Musik und am liebsten wäre er aufgestanden und hätte gegen die Wand geklopft.
Aber dies hatte ihm beim letzten Mal einen unfreundlichen Anranzer des Nachbarn eingebracht und anschließend hatte er es nicht mehr gewagt, sich noch einmal zu beschweren.
Irgendwie machte der unfreundliche Kerl den Eindruck, als würde er schnell die Geduld verlieren und Martin legte keinen Wert darauf, in eine Schlägerei verwickelt zu werden.
„Mal schauen, was die Berliner Regionalnachrichten so bringen, ob unser kleiner Ausflug....Aufsehen erregt hat....", dachte er und war erleichtert darüber, dass das Ergebnis eben jenes Ausfluges keinen Eingang in die großen, überregionalen Nachrichten gefunden hatte. Dazu war es wohl doch zu unbedeutend gewesen.
Aber vielleicht würde in den nächsten Tagen noch etwas folgen? Oder schützte der neue Schutzgeist sie vor solchen Dingen? Farius, der ehemaliger Beschützer der Familie hatte es getan....
Die Nachrichtensendung begann und Martin zog seine Schuhe aus. Er sehnte sich nach seinem Bett, schließlich war er die ganze Nacht über unterwegs gewesen und erst jetzt, am frühen Abend, nach Hause gekommen.
„Ich fühle mich nicht wohl bei dieser ganzen Geschichte," gestand er sich selber ein, auch wenn es ihm fast wie Verrat vorkam. Er hatte immer die Anweisungen seines Vaters befolgt und bislang nie etwas hinterfragt. Es hatte für ihn niemals Zweifel gegeben, dass das Familienoberhaupt stets das richtige tat.
Er versuchte, sich auf die Nachrichtensendung zu konzentrieren, was ihm aber sehr schwer fiel, da ihm die Augen zufielen.
Aber dann, kurz vor dem Ende der Sendung, nach mehreren Meldungen aus der Lokalpolitik, Wirtschaft und einem längeren Beitrag über eine Gartenzwergausstellung, bei denen die kleinen Gesellen in Neonfarben präsentiert wurden, wurde der Beitrag gesendet, auf den er gewartet hatte.
„In zwei Tagen sollte die „Fantasy zum Mitmachen und Selbstgestalten"- Ausstellung eröffnet werden," sagte eine junge Reporterin, die neben einem jungen Mann stand, der mit einem Kettenhemd bekleidet war und dessen Haare weit über seine Schultern reichten und ein wenig verfilzt wirkten.
„Ronny Steffenmüller, auch als Varomir von Arlaurien bekannt, musste einen schweren Schlag hinnehmen."
Der Mann im Kettenhemd nickte und sein Gesichtsausdruck wirkte so grimmig, dass Martin froh war, ihm noch nie persönlich begegnet zu sein.
„Der würde uns den Hals umdrehen! Und bestimmt hat er Freunde, die genauso drauf sind wie er," dachte Martin beunruhigt.
Aber glücklicherweise wusste Ronny alias Varomir ja nicht, dass er, Martin, für seinen derzeitigen Ärger mitverantwortlich war.
Es folgte nun ein etwas ausführlicherer Bericht über die von Herrn Steffenmüller organisierte Ausstellung.
Eine große, ehemalige Fabrikhalle war in mehrere Bereiche unterteilt und mit Figuren, bei denen es sich um Eigenkreationen aus der Welt der Fantasy handelte, bestückt worden.
In einem Bereich war eine Schlacht mit orkähnlichen Wesen nachgestellt worden, während in einem anderen Bereich mehrere mittelalterliche Krieger gegen eine kleine Armee, die aus geflügelten, riesigen eulenartigen Geschöpfen bestand, kämpften.
„All diese Bereiche wurden von Fantasy-Fans bestückt. In liebevoller Arbeit wurden die Figuren hergestellt....", erklang die Stimme der Reporterin, ehe sie endlich zum Thema kam.
„Letzte Nacht gab es einen Einbruch und mehrere Figuren wurden entwendet.", sagte sie und wandte sich nun wieder dem Mann im Kettenhemd zu.
„Herr Steffenmüller, welche Kunstwerke wurden gestohlen?", erkundigte sie sich und der junge Mann blickte direkt in die Kamera.
„Es wurden zwei Elbenfrauen gestohlen. Hier habe ich ein Foto. Die waren sehr lebensecht, wirklich wahre Kunstwerke. Sie wurden von einer Kunstklasse der Universität hergestellt, stundenlang haben die Mädchen dran gearbeitet. Und dann fehlen noch drei Eulendämonen. An dieser Szene wurde noch länger gearbeitet, ein halbes Jahr waren die Fans aus Frankreich damit beschäftigt....und von den beiden zweiköpfigen Orks rede ich mal gar nicht. Die sahen wirklich unheimlich aus, wahrscheinlich die ersten ihrer Art überhaupt....Orks haben sonst nur einen Kopf..."
Am liebsten hätte Martin den Fernseher ausgeschaltet. Der vollständige Bericht interessierte ihn nicht und auch die gezeigten Aufnahmen der gestohlenen Statuen waren ihm gleichgültig. Schließlich kannte er sie bereits. Sie standen nun im Kellerraum des alten Hauses, in dem ihre....Schutzgeister ihren Anfang zu nehmen pflegten.
Zwar hatte erst einer von ihnen gewissermaßen das Licht der Welt erblickt, aber das würde sich ja nun wohl bald ändern....
„Es gibt noch keine Spur von den Einbrechern. Im Gegenteil, die Polizei geht mittlerweile eher von Versicherungsbetrug aus...," endete der Bericht über die gestohlenen Statuen und Martin atmete erleichtert auf.
Also wurden weder er noch seine Familie noch ihr neuer Dä....Schutzgeist verdächtigt.
„Jetzt gehe ich ins Bett," sagte er zu sich selber, ging aber zuvor in seine winzig kleine Küche, um sich ein Glas Wasser einzuschenken.
Er zuckte kurz zusammen, als es an der Tür klingelte. Wer störte ihn ausgerechnet jetzt? Der Hausmeister, weil er wieder einmal vergessen hatte, die Treppe zu putzen? Darüber gab es dauernd Diskussionen. Oder ein Nachbar? Der Gerichtsvollziehen? Oder eine Kontrolle durch das Amt, weil er in Verdacht stand, heimlich Vermögen zu horten?
Er überlegte kurz, ob er öffnen sollte, rang sich dann aber dazu durch. Was nutzte es denn, sich unter dem Bett zu verkriechen?
Früher oder später standen diese lästigen Leute doch wieder vor der Tür und da brachte er den Ärger doch besser so schnell wie möglich hinter sich, um dann endlich ins Bett gehen zu können.
Es klingelte erneut und dann wurde an die Tür geklopft. „Martin? Ich weiß doch, dass du da bist! Ist das vielleicht eine Art und Weise, seinen alten Vater einfach so vor der Haustür stehen zu lassen? So haben wir dich nicht erzogen," erklang die ungehaltene Stimme von Maximilian Farius.
Ulrich beeilte sich, zu öffnen. Seinen Vater wollte er wirklich nicht warten lassen. Das wagte er gar nicht.
„Es tut mir leid!", entschuldigte er sich auch sofort, während Maximilian die Wohnung betrat, um sich dann auf dem alten Sofa niederzulassen.
„Hast du gedacht, es wäre jemand anders? Nun, darüber brauchst du dir bald keine Sorgen mehr zu machen," erwiderte Maximilian verständnisvoll.
Martin nickte und nahm neben seinem Vater Platz. Er fragte sich, was dieser hier wollte, denn bislang hatte Maximilian es doch stets vermieden, seine Söhne allzu häufig in ihren armseligen Wohnungen zu besuchen.
„Kann ich dir was anbieten?", erkundigte sich Ulrich und rang sich dann zu wichtigsten Frage durch.
„Was möchtest du? Was....führt dich zu mir?"
Maximilian seufzte. „Nein, du kannst mir nichts anbieten. Ich glaube nicht, dass du irgend etwas da hast, was mir zusagen würde. Außerdem bin ich hier, weil ich mir Sorgen um dich mache. Sehr große Sorgen sogar!"
Martin schluckte schwer. Irgendwie ahnte er, worauf sein Vater hinaus wollte.....
Das Oberhaupt der Familie Farius kam auch gleich zur Sache. „Du stehst nicht mehr mit vollem Herzen hinter uns. Ich habe es bemerkt, als wir unseren neuen Beschützer ins Leben riefen.....du hast den Eindruck gemacht, als würdest du gerne...davonlaufen....."
Martin wusste, dass sein Vater eine Antwort von ihm erwartete und er wollte sie ihm so schnell wie möglich geben. Er ärgerte sich über sich selber. Warum hatte er es so weit kommen lassen, dass sein Vater glaubte, dass er irgendetwas in Frage stellte?
Im Geheimen gestand er sich ein, dass er tatsächlich ein paar Dinge in Frage stellte. Sicherlich war es wunderbar gewesen im Reichtum zu leben. Er hatte es stets genossen und er hasste das kleine Apartment in dem er jetzt lebte oder, wie er es empfand, dahinvegetierte.
Aber was hatte ihm alles bisher eingebracht? Seine Frau hatte ihn verlassen, er sah seine jüngeren Kinder nicht mehr, seine älteste Tochter war tot und sein einziger Sohn wäre auch beinahe gestorben – wenn er sich nicht mit Händen und Füßen gewehrt hätte....auch wenn sein Vater und auch viele andere aus seiner Familie dies anders sahen.
„Hätte es den Schutzgeist nicht gegeben, dann hätten wir eine normale Familie sein können. Vielleicht niemals so reich, wie wir waren. Aber auch nicht am Rande der Gesellschaft in einem Loch wie diesem...."
Er wandte sich an seinen Vater. „Es ist alles in Ordnung! Natürlich würde ich niemals davonlaufen. Ich hoffe, dass alles nach deinen Plänen weitergeht. Du kannst dich auf mich verlassen."
Maximilian legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. „Ich wusste, dass du ein guter Junge bist! So warst du schon immer. Und bald wird unser neuer Beschützer Gesellschaft bekommen. Auch das Glück wird bald zu uns zurück kehren, du wirst schon sehen! Bald werden wir wieder im Geld schwimmen und du kannst dieses Loch gegen eine luxeriöse Eigentumswohnung oder ein Haus eintauschen!"

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Dämonische Statuen - Rache
Misteri / ThrillerDiese Geschichte bringt die verschiedenen Handlungsstränge aus Dämonische Statuen - Zwei Feinde und Dämonische Statuen - Jessicas Geschichte zusammen. Vier der Höllendämonen wurden bereits besiegt, aber die Dämonenjäger werden nach wie vor gefordert...