Kapitel 22

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 Dennis bückte sich, hob den Ast auf und lief, barfuß und winzige Steinchen, die sich in seine Fußsohlen bohrten, ignorierend, in Richtung Park. Diesen erreichte er sehr schnell und sah sich hektisch um.

Die Statue wurde durch die Bäume verdeckt und er zögerte einen Augenblick. Lauerte das Ding bereits auf ihn? Aber dann hörte er erneut einen Schrei, der aus der Richtung des nahen Spielplatzes kam.

Dennis fasste seinen Mut zusammen und lief in die Richtung, aus der die Stimme kam, aber weit und breit war niemand zu sehen.

„Hier ist niemand....oder?", dachte er, als er ein leises Weinen hörte. Er drehte sich um und sah eine junge Frau, die auf ihn zuwankte.
„Bitte...helfen Sie mir....," bat sie und Dennis machte einen Schritt auf sie zu, als sie zusammenzubrechen drohte.

Er fing sie auf und stützte sie, damit sie sich auf eine Bank am Sandkasten setzen konnte.

„Danke," sagte sie mit Tränen in den Augen und schenkte ihm ein fast schon schüchternes Lächeln. „Es geht schon wieder!"

„Wir sollten vielleicht von hier verschwinden," erwiderte Dennis und sah sich nervös um. „Du kommst am besten erst mal mit zu uns und dann rufen wir jemanden an, der dich abholen kann."

Die junge Frau, Dennis schätzte sie auf höchstens Anfang zwanzig, schüttelte den Kopf. „Das ist nicht nötig. „Es geht mir schon wieder gut. Ich lebe in der Nähe. Ich bin durch den Park gegangen und dann hat mich jemand von hinten gepackt. Mit einer eiskalten Hand. Dann bin ich weggelaufen und er hat mich verfolgt!"

Dennis ahnte schon, wer „Er" war. Die Statue! Und wahrscheinlich war sie noch in der Nähe.

Er betrachtete die junge Frau etwas genauer. Anscheinend war sie auch bei Nacht aus dem Haus gerufen worden, denn sie trug ein langes Kleid, das eher eine Art dünnem Morgenmantel aus weißer und silberner Spitze glich. Er sah sich noch einmal um. Wo war die Statue? Die gab doch bestimmt nicht so einfach auf? Bestimmt lauerte sie ganz in der Nähe und freute sich, dass sie nun zwei Opfer bekam.

Die junge Frau schien sich unterdessen bereits beruhigt zu haben. Dies ging Dennis ein wenig zu schnell. Hatte sie nicht gerade einen wahren Alptraum erlebt?

Etwas stimmte hier ganz und gar nicht....

„Wo wohnst du denn?", fragte er daher und hoffte sehr, dass sie jetzt so etwas wie Amselweg 5 oder Friedrichsstraße 8 antworten würde.

Statt dessen griff sie nach seiner Hand und er bemerkte als sie den Kopf hob, dass sie wunderschöne braune Augen und ein bildhübsches Gesicht besaß. Er dachte bei sich, dass er so ein hübsches weibliches Wesen bislang nur sehr selten zu Gesicht bekommen hatte....

„Wo wohnst....", begann er noch einmal, aber irgendwie schien diese Frage nicht mehr so wichtig zu sein.

Warum interessierte ihn dies überhaupt? Jetzt waren sie beide im Park und sie hob ihre Hand und strich ihm sanft über die Wange. In diesem Augenblick erschien sie ihm tatsächlich, als das schönste Geschöpf, das er jemals gesehen hatte.
Flüchtig dachte er an Britta und Anna-Lena, aber das schlechte Gewissen verschwand als sie nun sein Gesicht in ihre Hände nahm, sich ein wenig vorbeugte und ihn küsste.

Ich hab auf dich gewartet, du bist stärker als viele andere, das gefällt mir..." flüsterte sie und Dennis zog sie näher an sich heran. Was machte es denn schon, dass es nun leicht zu regnen begann und der Wind durch die Bäume strich? Was kümmerten ihn ihre merkwürdigen Worte? Er schien sich in einer Art Traum zu befinden und er wollte gar nicht erwachen.

Wichtig war einzig und allein diese wunderschöne junge Frau, die vor ihm stand und ihn alles um sich herum vergessen ließ.



Britta erwachte gegen sieben Uhr und streckte sich genüsslich in ihrem Bett aus. Anna-Lena hatte sie und Dennis tatsächlich die ganze Nacht über schlafen lassen.

Sie setzte sich vorsichtig auf und wartete darauf, dass sich ihre morgendliche Übelkeit melden würde, aber die blieb dieses Mal aus.

Lediglich ein leichter Schwindel machte sich bemerkbar, als sie schwungvoll und gut gelaunt aufstehen wollte.
„Oh...so ganz ohne geht es wohl doch nicht," dachte sie und beschloss, den Tag ein wenig langsamer anzugehen.

„Dennis? Bist du schon in der Küche? Machst du mir einen Tee?", fragte sie, erhielt aber keine Antwort. Sie zuckte die Achseln. Vielleicht war er ja im Kinderzimmer bei ihrer Tochter, denn Anna-Lena machte sich jetzt auch bemerkbar.

Fröhlich brabbelte die Kleine vor sich hin.

Britta lächelte, aber ihr Lächeln verschwand, als der Blick auf das Fensterbrett fiel. Etwas fehlte dort.....

„Wo ist der Topf mit dem Eisenkraut?", dachte sie beunruhigt und ihr kam ein schlimmer Verdacht. Ihre Mutter hatte doch nicht etwa...

„Also bald werfe ich bei ihr auch mal was weg,", dachte Britta ärgerlich und stapfte ins Kinderzimmer. Auch dort fehlte der Topf auf dem Fensterbrett und Britta beschloss, ihrer Mutter bei der nächsten Gelegenheit ordentlich Bescheid zu geben.

Gleichzeitig ärgerte sie sich auch über sich selber. Warum war ihr dies nicht schon gestern Abend aufgefallen? Aber sie war so müde gewesen und hatte nicht darauf geachtet.

„Dennis? Wir brauchen neues Eisenkraut!", rief Britta, erhielt aber wieder keine Antwort.

„Dennis?", fragte sie kurz darauf erneut und betrat, ihre Tochter auf dem Arm haltend, die Küche.

Aber auch dort befand sich ihr Mann nicht und als Britta in den Flur trat bemerkte sie, dass Dennis Jacke im Flur hing. Auch seine Schuhe standen dort und nun wurde es ihr wirklich unheimlich. Wo war ihr Mann hingegangen?

„Oh Gott, die Statue....wird ihn doch nicht geholt haben. Vielleicht konnte sie ihn ja rufen, jetzt, wo unser Eisenkraut weg ist!", dachte sie verzweifelt.
„Ich muss Julia anrufen! Es reicht nicht, wenn Jonas heute Abend in den Park geht!"

Sie wollte schon nach dem Telefon greifen, als es an der Tür klingelte.

Sie beeilte sich zu öffnen und zu ihrer großen Erleichterung betrat Dennis wenige Augenblicke darauf die Wohnung. Aber ihre Erleichterung verschwand, als sie den Zustand bemerkte, in dem sich ihr Mann befand.

Er trug lediglich seine Boxershorts, ein T-Shirt und seine Füße waren nackt. Noch dazu war seine spärliche Kleidung vollkommen durchnässt.
„Dennis? Hast du dich draußen in den Regen gestellt? Was soll das denn?", fragte sie und wusste nicht, ob sie sich ärgern oder Mitleid haben sollte.

„Tut mir leid...," antwortete Dennis, schien aber irgendwie mit den Gedanken woanders zu sein. „Ich wollte den Müll rausbringen und hab mich ausgesperrt. Es hat geregnet...."

Letzteres stimmte, draußen regnete es in Strömen.

Dennis hielt sich eine Hand vor den Mund und hustete. Britta seufzte. „Du hast dich bestimmt erkältet! Und warum hast du den Müll rausgebracht? So viel war es doch noch gar nicht.
„Der wird doch abgeholt....", erwiderte Dennis, aber Britta schüttelte den Kopf. „Samstags? Ganz bestimmt nicht!"
„Da hab ich bestimmt was durcheinander gebracht," antwortete Dennis und ging in Richtung Schlafzimmer. „Ich zieh mir was anderes an. Dann lege ich mich noch ein bisschen hin. Ich bin....müde..."

Kopfschüttelnd blickte Britta ihrem Mann hinterher, während Anna-Lena nach den Haaren ihrer Mutter griff.
„Dann lass Papa noch ein bisschen schlafen," sagte sie seufzend. „Ich mach dir jetzt mal dein Frühstücksbreichen zurecht!"

Kurz darauf lag Dennis mit geschlossenen Augen im Bett. Er fühlte sich tatsächlich unsagbar müde und irgendwie krank. Gleichzeitig nagte das schlechte Gewissen an ihm.
„Ich hab eine riesige Scheiße gebaut," dachte er, aber dieser Gedanke verschwand, sobald sich das Bild seiner nächtlichen Bekanntschaft dazwischen drängte.

Oder war alles nur ein Traum gewesen? Ein Fiebertraum? Eine Halluzination?

Aber im Grunde wusste er, dass es nichts von alledem gewesen war und er wusste auch, dass mit dieser Frau etwas ganz und gar nicht stimmte.
„Ich liebe Britta und Anna-Lena!", murmelte Dennis leise vor sich hin. „Ich liebe die beiden und niemanden sonst. Was hab ich da nur gemacht?"  


Dämonische Statuen - RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt