Kapitel 43

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Der Herr von Bruchtal räusperte sich nach einer Weile und als ich mich zu ihm umwandte, lächelte er mich aufmunternd, beinahe väterlich an.
„Verzeiht mir, wenn ich diese Frage stelle. Ich nehme an Ihr seid die Frau, die dem König des Düsterwaldes das Herz gestohlen hat", begann Elrond und ignorierte gekonnt den wütenden Eisblick von Thranduil, den er dem Braunhaarigem zuwarf. Über meine Lippen huschte einzig ein Schmunzeln, als ich Thranduils Hand fasste. Die weiche Haut an meiner fühlte sich unglaublich an, vertraut und warm. Ein Gefühl, dass ich endlich meinen Platz gefunden hatte. Auch wenn ich tief in mir wusste, dass es nur für ein paar Tage so sein würde.

„Nun ist es uns bewusst, dass die Calwafëa engelsgleiche Wesen sind. Große weiße Flügel, wie die Eurer Schwester. Habt Ihr Eure Flügel verloren, denn ich habe noch nie gelesen, dass so etwas geschehen ist?", fragte Elrond und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Sein fragender Blick ruhte auf mir und kurz darauf gesellte sich auch Thranduils dazu.
Einzig Eönwë hatte mich bisher in meiner wahren Gestalt erblicken können. Ich hatte geübt und geübt, doch nie war ich in Gesellschaft gewesen, wenn ich mich auf meine wahre Gestalt konzentrierte. Würde ich es nun können?
Nervös wand ich den Blick und suchte den geflügelten Maia unter den Anwesenden. Er stand neben Celeborn und sein Blick genügte, um mir mitzuteilen was er dachte. Es war als würde er mir zuflüstern, was seine Augen mir vermitteln wollten.
Ich glaube an dich! Du bist bereit!
Ich war mir beinahe sicher seine makellose Stimme wirklich zu hören.
„Mitnichten Herr Elrond", erwiderte ich und lächelte schwach. Dann schlossen sich meine Lider und ich atmete tief ein. Der Wind trug mir Thranduils Geruch in die Nase und die Anspannung verflog.

Erst das leise Rascheln von Federn und die unbändige Kraft, die mich durchfloss, brachte mich dazu wieder die blauen Augen zu öffnen.
„Zum Schutz gab mein König den Schwestern ein menschliches Aussehen. Selena verlor ihres als sie von einem Menschen in der anderen Welt ermordet wurde. Leyla lehre ich es zwischen ihren Gestalten zu wechseln und sie lernt gut", erklärte nun Eönwë und zustimmend nickte ich.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als einige Finger durch mein blondes Haar fuhren und es zur Seite schoben. Zum Vorschein kamen die typischen Ohren des unsterblichen Geschlechts. Etwas länger als die der Elben, doch kürzer, als die Ohren der Valar.
„Dir stehen lange Ohren. Und deine Flügel sind wunderschön", flüsterte Thranduil und strich über die Spitzen meiner Ohren. Seine Hand glitt weiter nach hinten und meinen Kopf hinab zu den Schwingen. Behutsam strich er über die weißen Federn.
„Bist du denn gar nicht überrascht? Ich meine...ich bin nicht mehr ich. So wie du mich kennen gelernt hast", murmelte ich leise, ängstlich und besorgt, dass er mich so nicht wollen würde.
„Überrascht? Natürlich. Ich denke das sind wir alle, die nicht mehr geahnt hatten, dass es doch noch zwei der Calwafëa gibt", Thranduil legte seine Hand auf meine Wange und strich mit dem Daumen über die weiche Haut.
„Aber ich verstehe wie du diese Frage eigentlich gemeint hast. Du bist immer noch die Leyla, die ich kennen gelernt habe, damals im Park. Höflich und freundlich. Du bist die, in die ich mich verliebt habe. Mit dem verrückten Vogel und der tollen Singstimme. Du bist immer noch die, die unter dem Tod deiner Schwester gelitten hat, der sich nun doch als ein vermeintlicher herausgestellt hat. Diese Gestalt war immer ein Teil von dir, von deiner Vergangenheit, von deinem Schicksal", erklärte Thranduil liebevoll und zum Ende zogen sich seine Lippen zu einem Lächeln auseinander.

Erneut unterbrach uns ein freundliches Räuspern. Doch dieses Mal kam es von Celeborn, dem Herrn des Waldes.
„Es scheint mir, dass ihr beide noch sehr viel zu bereden habt nach der langen Zeit. Deshalb beende ich die Sitzung für heute. Amarí zeigt doch bitte Herrn Elrond sein Zimmer. Ich wünsche allen eine erholsame Nacht", erklärte Celeborn, dann wandte er sich ab und verschwand mit seiner Gemahlin im Dämmerlicht des Waldes.
Der Wind, als Eönwë und Selena sich in die Luft erhoben, wirbelte ein paar Blätter vom Boden auf und auch Blu folgte ihrem Herrn, nachdem sie ihren Kopf noch einmal an meiner Wange gerieben hatte.
„Du kommst mit mir", verkündete ich und umgriff Thranduils Handgelenk. Meine Flügel verschwanden so einfach wie ich sie hatte erscheinen lassen und statt des weißen Kleides, bedeckte wieder ein anderer Stoff meinen Körper.

Fly with meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt