Kapitel 52

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„Wie soll ich das nur aushalten", stöhnte ich genervt und fuhr mit den Fingern zum unendlichsten Male die Furchen in den weißen Steinen entlang. Moss wuchs dort schon lange nicht mehr, denn das hatte ich in den letzten Tagen alles abgekratzt, um überhaupt eine Beschäftigung zu haben.
Langeweile war grausam und besonders die Langeweile, gegen die man nichts ausrichten konnte. Wenn man in einem Kerker saß und dazu verdonnert war dort vor sich hinzusiechen und der Zellennachbar die meiste Zeit nur in der Gegend herumstarrte und kaum ein Wort von sich brachte. Sollte jedoch mal ein Satz von ihm kommen, dann war er nur oberflächlich und nichts wirklich Gescheites, mit dem man sich die Langeweile vertreiben konnte. Es war zum Verrückt werden!

„Du bist erst seit einer Woche hier", bemerkte Fenrín leise. Er hatte die dunklen Augen verschlossen und den Kopf an die kalte Mauer gelehnt.
„Ich weiß!", knurrte ich genervt und ließ mich langsam zu Boden gleiten, die Arme weit ausgestreckt. An der Decke befand sich jedoch nichts, was ich in den letzten Tagen nicht auch schon ausgiebig gemustert hatte. Kein Riss, keine Muschel und keine Delle, die ich nicht schon genau kannte.
Selbst die kleinen Spinnen hatten von mir bereits ihre eigenen Namen erhalten.

„Wie hältst du das hier nur so lange aus? Wenn ich mir vorstelle die ganzen Jahrhunderte getrennt von Thranduil verbringen zu müssen, dann... ich vermag es gar nicht zu sagen, aber es wäre einfach nur grausam. Die reinste Folter. Mir schmerzt es ja jetzt schon nach einer Woche, besonders, weil niemand nach mir zu suchen scheint!", beschwerte ich mich ein weiteres Mal. In den letzten Tagen hatte es nicht ein einziges Zeichen dafür gegeben, dass Selena und Eönwë sich die Mühe zu machen schienen, nach mir zu suchen.
War ich ihnen also doch gar nicht so wichtig, wie immer behauptet wurde!

„Wer sollte denn nach dir suchen? Ich hatte immer angenommen, dass du alleine hierher gekommen bist", bemerkte Fenrín und kurz flackerte ein Anflug von Neugierde in seinen sonst so trüben Augen auf. Mir war schon längst aufgefallen, dass sie, je länger der Tag andauerte, immer trüber wurden und des Nachts drang ab und an sein leises Schluchzen zu mir herüber. Am Morgen sah er mich dann nie an, aber wir beide wussten, dass ich es wusste. Ich konnte nur erahnen, wie zerbrochen dieser Elb im Inneren sein musste.

„Nur meine Schwester und ein gewisser Herr, der behauptet uns beschützen zu müssen, weil wir irgendwie wichtig seien für die Zukunft. Merkt man ja wie wichtig ich den beiden bin. Von ihm habe ich es mittlerweile nicht anders erwartet, aber von meiner eigenen Schwester. Ich hätte gedacht sie würde alles auf den Kopf stellen, um mich zu finden", meine Stimme wurde immer leiser und brüchiger. Tiefe Enttäuschung machte sich in mir breit.
Langsam schlossen sich meine Augen.
Fenríns Antwort bekam ich gar nicht mehr mit oder vielleicht hatte er auch gar nichts mehr darauf erwidert. Ich wusste es nicht. Wir waren immer noch nicht warm geworden und des Öfteren bekam ich auf eine meiner Anmerkungen und Fragen keine Antwort.

Meine Gedanken schweiften ab und ohne, dass es mir bewusst wurde, geschah etwas mit dem ich nicht gerechnet hatte. Die Melodie kam aus meinen Erinnerungen, die Worte aus meinem Herzen und seit Langem hatte ich nicht mehr so gesungen, wie jetzt gerade.
Es war so unglaublich einfach, wie die Worte meine Lippen verließen, so unglaublich einfach, dass es mir selbst kaum auffiel.
Aber es beruhigte mich tief in meinem Herzen und erinnerte mich daran, dass ich niemals alleine sein würde, sei es auch in dieser Welt. Thranduil und Chris dachten an mich, so oft wie meine Gedanken sich zu ihnen verirrten. Fenrín ertrug die Einsamkeit, Langeweile und Eintönigkeit mit mir und schon viel länger saß er hier unten in einer kleinen Zelle, die nicht viel mehr bot, als eine dünne Matratze auf dem Boden und eine kleine Toilette, die etwas abgeschirmt im hinteren Teil einer jeden Zelle lag.

Ich lag hier mit ausgebreiteten Armen auf dem Boden dieser Zelle und sang leise vor mich hin. Welches Lied ich gerade sang, wusste ich nicht. Es kam einfach so aus mir heraus! Mein Herz erwärmte sich und trug Hoffnung in jeden kleinsten Teil meines Körpers, der die Hoffnung bereits aufgegeben hatte.

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