Kapitel 51

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„Von welchem Geliebten hattest du vorhin eigentlich gesprochen?", fragte Fenrín nach einer Weile, in der wir das Schweigen zwischen uns beiden fast schon wieder zur Gewohnheit werden ließen.
Seine Stimme hatte schon jetzt die bekannte Frechheit wiedererlangt und die Ablehnung gegenüber mir, als einem Menschen, war deutlich herauszuhören.
Ich war mir immer noch nicht sicher, was er genau für ein Problem mit mir hatte. Manches Mal ließ er diese spöttelnde, freche Seite durch, manches Mal aber auch die der Ablehnung.

„Von meinem Geliebten natürlich", erwiderte ich leise und wandte den Blick ab. Er sollte nicht die Tränen sehen, die sich langsam ihren Weg über meine Wangen bahnten.

„Liebe zwischen zwei Menschen! Habe ich nie verstanden. Pass nur auf, dass er dich nicht hintergeht!", warnte Fenrín leise.
Verwundert drehte ich mich zu ihm um. Hatte ich da gerade etwa einen leichten Hauch von Besorgnis vernommen?

„Was macht dich so sicher, dass er ein Mensch ist?" Auch wenn ich nicht gerne über Thranduil sprach oder gar an ihn dachte, da mich sonst die Trauer drohte zu überrollen wie eine Flutwelle, konnte ich diese Annahme nicht einfach unkorrigiert im Raum stehen lassen.

„Was soll er denn sonst sein? Ein Zwerg?", Fenrín grinste frech über seinen eigenen vermeintlichen Scherz. Was war nur los mit diesem Elb? Hatte ihn die Einsamkeit hier in den Zellen verrückt gemacht?
Ein leiser Seufzer entwich meinen rosigen Lippen, bevor ich zum Antworten ansetzte.

„Er ist ein Elb, genau wie du. Nein nicht genau wie du! Er ist ein Sinda, kein Noldo. Ein Sinda aus Doriath, der jetzt aber in Mittelerde lebt. An Höflichkeit und Akzeptanz mangelt es ihm, im Gegensatz zu dir, nicht. Auch wenn ich zugeben muss, dass er mich zu Beginn genauso behandelt hat, wie du jetzt", erklärte ich und seufzte noch ein zweites Mal.
Erinnerungen von unser Begegnung, dem langsamen Kennenlernen und vielen erheiternden Situationen, die durch die Moderne der anderen Welt zustande kamen, drängten sich langsam an die Oberfläche zurück. Ich ließ es zu.
Aber nur die schönen Erinnerungen versuchte ich zu bewahren. Unser erster Kuss, das Gefühl von seinen Lippen auf meinen, einfach unbeschreiblich!
Damals hätte ich es gerne wiederholt, aber das war mir ja leider verwehrt gewesen. Es kam mir vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er mich so liebevoll mit seinen eisblauen Augen anblickte.

„Erzähl mal von ihm. Vielleicht kenne ich ihn", Fenríns Stimme war sanfter geworden und doch war es mir so, als gab es noch einen kleinen Anflug von Spot in ihr. Glaubte er mir etwa nicht?
Misstrauisch ließ ich den Blick zu ihm wandern und musterte seine Haltung. Entspannt lehnte er an der kalten, toten Wand des Gefängnisses. Ein Bein hatte er angezogen, um seinen Ellbogen darauf abzustützen.
Sein Blick traf meinen.

„Nur, wenn du mir dann auch etwas von dir erzählst! Niemand segelt einfach so nach Valinor, besonders nicht zu der Zeit, als du gesegelt sein müsstest", forderte ich und zu meiner Verwunderung stimmte er sogar mit einem vorsichtigem Nicken zu.

„Er ist arrogant, eitel und manches Mal ziemlich egoistisch. Sein Beschützerinstinkt ist dafür umso stärker, bei denen, die er liebt und beschützen möchte. Also sein Volk, seinen Sohn und mich", begann ich leise zu erzählen. Immer hatte ich gedacht, dass es mich zurück in das schwarze Loch ziehen würde, in dem mich nur meine Trauer und Einsamkeit wieder überrollte, wenn ich von Thranduil sprach. Aber das tat es nicht! Vielleicht lag es daran, dass ich Gefangene dieses Abgrundes gewesen war, als ich noch in meiner Welt gewesen war.
Hier existierte die Chance, dass ich Thranduil bald wieder sehen könnte. Hier lebte er und hier lebte ich von nun an auch.
Eigentlich war alles perfekt. Nur, dass ich jetzt in diesem Gefängnis saß mit einem Elb, der mich nicht zu mögen schien, als Zellennachbarn, war nicht das, was ich geplant hatte.
Ich wollte meine Freiheit zurück!

Fly with meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt