Kapitel 47

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"Ich möchte dich nicht schon wieder verlieren“, flüsterte ich mit bebender Stimme. Mein Gesicht war an Thranduils Brust gepresst, als er mich in eine letzte innige Umarmung zog.
„Dieses Mal verlierst du mich nicht, Leyla. Meleth nîn. Ich werde an dich denken, jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde. Deine Rückkehr erwarte ich schon jetzt sehnlichst, aber ich will und kann es genauso wenig verantworten dich in Gefahr zu bringen. Dafür bist du mir zu wichtig. Ich kann warten, Jahre wenn es sein muss. Wirst du es auch können?“, entgegnete der blonde Elb mit einer Frage.

Wir hatten die letzte Nacht gemeinsam, aneinander gekuschelt in meinem Zimmer verbracht, das jetzt ja doch wieder nicht meins sein würde. Jede einzelne Sekunde hatte ich genossen, behütet und geborgen in seinen starken Armen. Schnell war die Zeit verflogen, ich hatte gegen die aufkeimende Müdigkeit angekämpft, um noch länger seine Anwesenheit bewusst spüren zu können. Doch irgendwann hatte mein Körper den Kampf für sich entschieden und mir waren die Augen endgültig zugefallen. Erst am nächsten Morgen hatte ich realisiert, dass man Thranduil und mich wirklich wieder trennen wollte.

„Ich weiß es nicht“, gestand ich leise und senkte den Blick. Hinter uns wurden Vorbereitungen getroffen. Eönwë und Selena sorgten dafür, dass alles reibungslos klappte und uns genügend Proviant eingepackt wurde. Der geflügelte Maia selbst wusste nicht wie lange die Reise dauern würde.
„Ich weiß, dass ich dich vermissen werde, Thranduil. Aber ich kann warten, auch Jahre lang, doch hoffe ich, dass es keine so lange, Zeit sein wird, denn“, ich setzte eine kurze Pause ein.
„Chris wird altern und ich möchte ihn nicht verlieren ohne ihn vorher nochmal gesehen zu haben. Ich werde zurückkommen, versprochen, weil unsere Liebe stärker sein sollte, als jede Bedrohung, die uns zu trennen versucht“, flüsterte ich mit sanftem Lächeln auf den vollen Lippen.
Eine schnelle Antwort kam daraufhin von Thranduil, nicht in Worten, aber in Taten. Seine große Hand hatte sich auf meinen Hinterkopf gelegt und konnte mich nun an hin drücken, sodass seine Lippen schnell ihren Weg auf meine fanden. Ich gab mich unserem letzten Kuss vollkommen hin, genoss wie sich unsere Lippen scheinbar perfekt aneinander schmiegten.

Denn auch dieser schöne Augenblick war schnell verflogen, als Eönwë zum Aufbruch rief. Die braune Umhängetasche in seinen Händen befand sich schnell um seinen Hals herum und baumelte an seiner Hüfte hin und her, als er sich zu mir umwand. Von allen hatte ich mich bereits verabschiedet, einzig Thranduil fehlte noch und es war als wenn er ein Teil meines Herzens bei sich behielt, als wir uns voneinander lösten.
Wir wechselten keine Worte mehr, nur Blicke. Es schien als wenn Worte alles zerstören könnten, denn sie konnte man wählen und fälschen. Blicke allein zeigten die wahren Gefühle.

Selena legte beruhigend und tröstend die Hand auf meinen Arm, als ich auch schon vom Maia darum gebeten wurde meine wahre Gestalt anzunehmen. Ich tat es, jetzt da ich wusste wie ich es zu handhaben hatte. Meine Federn raschelten leise im Wind, es war ein ungewohntes Gefühl. Aber auch Neugier erweckend, denn ich spürte die unbändige Kraft in meinen Flügeln. Sie waren ausgeruht und bereit!

Dennoch blieb ich unsicher, ob ich es schaffen würde meinen eigenen Körper mit den wenigen Federn emporzuheben.
„Breite einfach deine Flügel aus, denk an die Luft, sei eins mit der Luft. Stell dir vor du würdest dem Himmel entgegen fliegen und dann schlag mit ihnen. Du wirst sehen es ist ganz einfach, wenn du erst einmal oben bist“, erklärte meine Schwester im sanften Ton.

Ich tat wie sie mir auftrug und breitete die Flügel aus, die weit über meinen eigenen Körper hinausragten. Wie lang waren sie nur? Meine Schätzung beruhte sich auf etwa drei Meter Spannweite, wenn nicht sogar noch ein wenig mehr.
Noch immer hatte ich Zweifel, dass sie mich tragen würden, als eine starke Windböe die Federn ergriff und mich zu Boden geschleudert hätte, wenn ich meine Finger nicht schnell um den Arm meiner Schwester geklammert hätte.

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