Kapitel 50

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Warum passierte ausgerechnet mir immer so etwas? Warum beförderte ich mich immer wieder in unangenehme Situationen? Oder war ich gar nicht Schuld daran? Wollte das Schicksal mich testen, mich auf eine harte Probe stellen? Oder war das hier alles nur ein großes, mieses Spiel, das irgendwer mit mir trieb?

Als wenn ich hinter der nächsten Ecke ein Kamerateam erwartete, blickte ich mich suchend in den hellen, weißen Gängen mit den hohen Decken um. Verziert waren die Wände mit Muscheln und weiteren Lampen in Form von Algen und Schneckenhäusern.
Die gesamte Architektur der Stadt erinnerte an das Meer, das nicht weit von hier an die Kaimauer und den Sandstrand brandete.

Weiße Fliesen aus Marmor, so vermutete ich es jedenfalls, bedeckten den Boden. Klappernd machten sich die Wachen durch ihre Stiefel bemerkbar. Fenríns Füße waren unbedeckt und auch das hörte man auf dem glatten Material. Meine Schuhe aus Lothlorien gaben kaum ein Geräusch von sich, dafür beschwerte ich mich immer wieder leise über die zu festen Griffe der Wachen.

Unbekümmert führten sie uns weiter durch die sonnenbeschienenen Gänge, mal bogen wir rechts ab, mal entschieden wir uns für den linken Weg.
Bis wir irgendwann plötzlich vor einem großen offenen Tor stehen blieben, der den Blick in einen imposanten Saal schweifen ließ. Unwillkürlich legte ich den Kopf in den Nacken, als ich auch die Decke betrachten wollte, doch ein ruckartiges Ziehen, hinderte mich an eben jenem.
Die Wache führte mich weiter und ließ mir deshalb keine Möglichkeit den Saal genauer unter die Lupe zu nehmen. Seine Größe war unbeschreiblich, doch überdimensioniert wirkte es keinesfalls. Große Fenster an den Seiten brachten Licht in den Raum, Möwengeschrei drang zu uns durch und erst nach einem zweiten Blick stellte ich fest, dass gar keine Fensterscheiben eingearbeitet waren. Zwei weiße Möwen saßen nebeneinander auf dem Fenstersims und putzen sich gegenseitig das Gefieder.

Noch bevor meine Gedanken damit begannen mich an Blu zu erinnern und ich damit zurück in meine Traurigkeit und Verzweiflung versank, ließ ich den Blick weiter schweifen.
Über die großen und kleinen marmornen Statuen, die unseren Weg säumten. In der Ferne plätscherte ein Brunnen, doch war ich mir nicht sicher, ob er sich überhaupt innerhalb dieses Saales befand.
Vom Boden aus ragten dicke Säulen sich dem Dach entgegen, wo sich sich in eleganten Bögen zusammenschlossen. Es erinnerte an die Bauweise der Gotik, die ebenfalls Gebrauch von Rundbögen gemacht hatte.

Wände waren geschmückt mit Muscheln in den unterschiedlichsten Farben und Formen, doch zum Ende des Raumes hin, auf den wir zu liefen, verringerte sich ihre Zahl und schlussendlich blieb die Wand weiß. Stattdessen schoben sich silberne und goldene Strukturen in mein Sichtfeld, die stark an Wellen erinnerten.
Sie schlossen sich zusammen, wurden dicker und verformten sich zu einem gemütlichem Sitz, den auch bereits jemand eingenommen hatte.

Ich blickte dem König in das schmale, aber männliche Gesicht, musterte die schwach angedeuteten Wangenknochen und die lange, aber schmale Nase. Er hatte die blassen Lippen zu einem emotionslosen, beinahe lustlosen Strich zusammengepresst, doch in den hellblauen Augen sah ich Neugierde aufblitzen.
Wie Wellen flossen ihm die hellen, fast gischtweißen Haare über die Schulter nach vorne, als er den Kopf neigte und mich musterte, so wie ich ihn.
Die dunkelgraue Hose spannte sich um seine Beine, da er dieser übereinander geschlagen hatte und seine Gefangenen vom Thron aus musterte. Hellblaue, fast weiße Stiefel steckten an seinen Füßen und wippten leicht im Takt unserer Schritte.
Als Oberteil hatte er sich heute Morgen scheinbar für eine blaue Robe entschieden, ganz dem Motto der Stadt am Meer getreu. Auch die Krone, die in mühevoller Arbeit in sein Haar eingeflochten worden sein musste, strahlte im Licht der Sonne und enthielt kleine glitzernde Muscheln in Blautönen.

Der König, edel gekleidet und in aufrechter Haltung mit erhobenem Kopf auf seinem Thron sitzend, flößte mir unheimlich Respekt ein. Von Olwë waren mir natürlich einige Dinge bekannt, sein Stammbaum, der selbst auf Thranduil, als auch auf Elrond führen ließ. Auch hatte ich mich, da ich das Silmarillion einige Male regelrecht verschlungen hatte, mit der Geschichte der Stadt auseinander gesetzt. Besonders der eine schicksalhafte Tag war mir in Erinnerung geblieben. Der Sippenmord der Noldor in Alqualonde.

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