Kapitel 45

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Leichte Wolken zogen am hellblauen Himmel ihre Bahnen. Sie bäumten sich auf und fielen wieder in sich zusammen. Ein Wechselspiel der Natur, das dazu führte, das der Himmel nie gleich aussah, wenn man einen flüchtigen Blick zu diesem warf.
Wie Watte bauschten sich die Wolken, schneeweiß und rein.
Zwischen ihnen hindurch blitzte immer wieder die Sonne hervor, sommerlich hell und warm. Sie beschien Thranduil und mich, wie wir am Ufer eines kleinen Sees beieinander saßen.
Das Blattwerk der Bäume raschelte in einer sanften Sommerbrise, die durch die Zweige fegte.
Auch unser Haar wurde von den Winden durch die Luft bewegt, er spielte frech mit einigen Strähnen unseres hellen Haares.
Wenigen Sonnenstrahlen war es gelungen sich ihren Weg durch das grüne Netz zu bahnen. Sie brachten das Wasser des Sees, an dem wir Platz genommen hatten, zum Glitzern. Kleine Schaumkrönchen bildeten sich jedes Mal wenn das Wasser auf ein Hindernis traf und aufschäumte.

Thranduil hatte hinter mir Platz genommen und seine starken Arme um mich gelegt. Mein Kopf war auf seine Brust gebettet, ich lehnte an ihm. Ein glückliches Lächeln zierte meine Lippen und das erste Mal seit Jahren strahlten auch meine Augen diese Freude aus. Zuvor hatten sie nur immer gezeigt wie es in meiner Seele wirklich ausgesehen hatte.
Ein stämmiger Baum bot Thranduil Halt. Seine Finger fuhren unsichtbare Pfäden auf meinen Oberarmen entlang.
Trotz der Wärme, die die Sonne des Sommers spendete, waren meine Arme mit einer feinen Gänsehaut überzogen. Ich erschauderte und kicherte leise, als Thranduils Finger hinauf zu meinem Haar wanderte und mit diesem spielte.

„Wie hast du erfahren, dass du kein Mensch bist? Schließlich bemerkt man nicht einfach so, dass man eine Maia ist, mächtiger als jeder Elb“, durchbrach Thranduils melodische Stimme die Stille der Natur.
„Von der Macht spüre ich ehrlich gesagt kaum etwas. Ich fühle mich wie immer, wie die Leyla, die ich vor zwei Jahren war. Glücklich endlich die Liebe gefunden zu haben, die mir bestimmt ist. Einzig meine tot geglaubte Schwester ist nun zurück an meiner Seite“, flüsterte ich nach einer Weile. Ich wollte die Ruhe des Augenblicks nicht zerstören. Und doch war ich nicht enttäuscht Thranduils Stimme zu hören. Sie befand sich direkt bei meinem Ohr.

Der weißblonde Elb hatte mich noch dichter an sich gezogen und den Kopf in meiner Halsbeuge vergraben. Als wenn er mich nie wieder loslassen wollen würde. Und was wollte ich? Ihn nie wieder gehen lassen! Ein schwaches Stechen und Ziehen in meiner Herzgegend verriet mir, dass ich es irgendwann tun musste.

„Du bist ganz allein meins“, stellte der König des Waldlandreiches klar. Schmunzelnd nahm er mein Kichern wahr und hauchte einen flüchtigen Kuss auf meine Wange.
„Natürlich mein König“, erwiderte ich, der ironische Tonfall war kaum zu überhören.
„Machst du dich etwa über mich lustig mmh?“, bemerkte Thranduil empört.
„Nun Beleidigung des Königs. Gefangenschaft in meinen Kerkern für sehr lange Zeit“, er schlang die Arme fester um mich, als wenn er der Kerker und ich die Gefangene wäre.

Lachend wand und drehte ich mich in seinem Griff. Ich versuchte mich zu befreien, aber scheiterte kläglich. Ergebungsvoll erschlaffte ich in seinen Armen.
„Ich ergebe mich, oh großer König des Waldlandreiches.“
Thranduil kommentierte dies nur mit einem Schmunzeln. Er nahm meine Hände in seine und strich mit dem Finger über meinen Handrücken. Dann verflocht er unsere Finger miteinander, wie unsere Leben untrennbar miteinander verbunden wurden, als Thranduil damals im Park in Berlin gelandet ist und eines meiner Schulkinder ihn antraf.

Manchmal überlegte ich wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn ich Thranduil nicht kennengelernt hätte. Oft ertappte ich mich bei der Vorstellung, dass ich mit Chris etwas angefangen hätte. Er liebte mich damals und ich weiß nicht, ob er noch immer etwas für mich empfand. Es gab Zeiten da fühlte ich mich schlecht, weil ich seine Liebe nicht erwiderte.

Thranduils Worte holten mich aus meiner Gedankenwelt zurück. Er hatte meine Hand umgedreht und so mein schlankes Handgelenk enthüllt. Eine dünne, helle Narbe zog sich über die gesamte Länge meines Gelenkes und wurde nun von Thranduils Zeigefinger gestreichelt.
„Erzählst du mir woher du diese Narbe hast?“, fragte er. Seine Stimme klang sanft und liebevoll, neugierig. Doch meine Laune sank mit einem Mal. Ich erinnerte mich nur ungern an jenen Tag zurück, der wie der Todestag meiner Schwester für immer in mein Gedächtnis gebrannt worden war. Wie ein schwarzer Fleck, eine Brandnarbe.
„Du musst natürlich nicht meine Liebe“, flüsterte er schnell, als er mein Seufzen hörte. Entschuldigend küsste er liebevoll meinen Hinterkopf.

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