Kapitel 55

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Synchron fuhren wir beide herum, der Richtung der Stimme folgend, die jetzt klar und deutlich den Namen des ausgemergelten Elben neben mir rief. Fenrín rührte sich kein bisschen neben mir, stocksteif bleib er stehen, als hätte man an den Boden geklebt. Seine blauen Augen weiteten sich, als er endlich realisierte wen er da nach all den Jahrhunderten wieder vor sich stehen hatte. Ihr Haar floss seidig ihren schmalen Rücken hinab. Es war so dunkel und rein wie das ihres Mannes und doch glänzte es im strahlenden Sonnenlicht. Seines hing matt und leblos über seine knochigen Schultern, die Schulterblätter stachen deutlich hinaus. 

Tränen schimmerten in seinen Augen, seine Finger zitterten und noch immer bewegte er sich keinen Zentimeter. Schweigend blieb er neben mir und wartete bis die junge Elbin ihn erreicht hatte und ihre Arme um seinen Körper schlang. Völlig überfordert stand er noch einige Sekunden reglos da, bis seine schwachen Arme sie dicht an seinen Körper drückten. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, krallte sich an ihr fest, als wenn er sie nie wieder gehen lassen würde und wenn ich nicht direkt neben ihm stehen würde, so hätte ich niemals für möglich gehalten, dass er wieder zu weinen und schluchzen begonnen hatte. 

„Fenrín, meleth nîn, oh Fenrín. Mein Liebster“, ihre weiche Stimme zitterte vor Freude. Sie ließ ihre Finger durch sein Haar gleiten, strich über seinen Rücken und wollte ihn ebenso nicht wieder von sich weg lassen. 

„Ich hatte mir solche Sorgen um dich gemacht. Du bist niemals mit dem Schiff angekommen, wie du versprochen hattest. Weißt du eigentlich...kannst du dir vorstellen was ich mir alles ausgemalt hatte, was geschehen sein könnte. Wo bist du so lange verblieben? Ich dachte ich hätte dich ebenfalls verloren“, sie sprach langsam und deutlich, sodass ich fast jedes Wort verstehen konnte. 

„Könnten wir diese Angelegenheit nicht irgendwo innerhalb eines Hauses klären. Nicht jeder sollte dich so sehen. Du bist immer noch sehr schwach, wenn ich das so anmerken kann, und siehst nicht am Gesündesten aus. Zudem fühle ich mich auch etwas erschöpft, ich musste dich ja schließlich den gesamten Weg über mitschleppen“, unterbrach ich die rührende Begrüßung etwas rüde. Vielleicht aber lag es nicht nur daran, sondern auch an den Gefühlen, die der Anblick in mir weckte und bei denen es mir am liebsten war, dass sie schlafend blieben. 

„Du hast Recht, Leyla“, gab Fenrín leise flüstern zu, bevor er sich im schnellen Elbisch an seine Frau wand, die kurz daraufhin zu nicken begann.

„Folgt mir“, flüsterte sie im gebrochenen Deutsch, sie hatte es scheinbar lange nicht mehr gebraucht. Fenrín folgte ihr und so tat auch ich es. Wir durchquerten einige schmale Gassen zwischen kleinen, aber gemütlichen Häusern, bis wir eine unscheinbare Holztür unter Vielen erreicht hatten. Fenríns Frau geleitete uns hinein in einen schmalen Flur, der sogleich in einem großen Wohnraum mündetet. 

Geschäftig hatte sie sich gleich daran gemacht uns eine warme Mahlzeit zuzubereiten und während Fenrín sich wie ein hungriger Löwe über die Kartoffeln und das Gemüse hermachte, begann ich mit einer kleinen Zusammenfassung der Geschehnisse. Ab und an unterbrach Fenrín mich, um etwas hinzuzufügen, das ich vergessen hatte oder von dem ich noch keine Kenntnis hatte. Der braunhaarige Elb seufzte zufrieden, als sein Teller leer war, erhob sich und blieb bei seiner Frau stehen.

„Meine Liebe. Ich habe jeden Tag an dich gedacht und zu den Valar gebetet, dass ich endlich das Gefängnis verlassen könnte, um zu dir zurückzukehren und endlich haben die Valar mich erhört und mir die junge Menschenfrau geschickt“, er warf mir einen flüchtigen Blick zu, Dankbarkeit blitzte in seinen Augen auf. Ich beachtete sie nicht, hing meinen trüben Gedanken nach. 

„Leyla, du wirst ihn auch eines Tages wiedersehen. König Thranduil wird sich keiner anderen Frau zuwenden, das wäre nicht die Art eines Elben“, versuchte er mich aufzumuntern, doch ich reagierte immer noch nicht wirklich. Irgendetwas hatte sich in meine Gedanken genistet, ein Verlangen, das mich nach draußen zog, zurück auf die Straße.

„Erstens habe ich einen Namen, falls du dich daran erinnerst. Zweitens bin ich keine Menschenfrau und das weißt du ebenso und drittens ist es das nicht. Natürlich vermisse ich ihn und ihr beiden erinnert mich an ihn, aber da ist noch etwas anderes. Eine Stimme! Sie ruft mich zu sich. Ich weiß nicht wer das ist, diese Stimme habe ich noch nie gehört und doch kommt sie mir so bekannt vor. Ich weiß nur nicht wohin mit ihr, wo sie einzuordnen“, gab ich zu und wenn ich tief in mich selbst hineinhorchte, so bemerkte ich die aufkeimende Unsicherheit, die diese Stimme mit sich brachte. Säuselnd und flüsternd gebot sie mir nach draußen zu kommen, ihr zu folgen, wohin das auch sein mochte. 

„Eine Stimme? Wohin ruft sie dich?“, fragte Fenrín und strich unterdessen seiner Frau über den Arm. Sie hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt und die Augen geschlossen. Kleine Tränen der Freude bahnten sich noch immer ihren Weg über ihre Wangen.

„Ich weiß es nicht. Sie ruft mich einfach zu sich. Ich muss ihr folgen, um herauszufinden wo sie mich hin ruft“, langsam war ich von meinem Platz am Tisch aufgestanden und zur Tür geeilt. Ich wollte wissen wohin mich die Stimme kommandierte und doch wollte ich ihr nicht folgen wie ein kleines ungeschütztes Kaninchen, direkt in die Fänge des großen bösen Wolfes. 

„Warte! Wir kommen mit. Meine Frau kennt diese Stadt besser als wir beide“, er war hinter mir aufgetaucht, ein warmes, ehrliches Lächeln umspielte seine spröden Lippen, die von Rissen durchzogen waren. Hinter ihm seine bildhübsche Frau, ebenfalls aufmunternd lächelnd. 

Abermals durchquerten wir an diesem Tage die Stadt, die Sonne war etwas weiter gestiegen und wie die Sonne sich ihren Weg über den Himmel bahnte, so hatte sich die Nachricht von meinem Auftritt wie ein Lauffeuer in der ganzen Stadt verbreitet. Das verdeutlichten mir die Blicke, die uns zugeworfen wurden. Möglicherweise lag es auch einfach nur daran, dass ich allen Anscheins nach eine Menschenfrau war, die gerade mit flotten Schritten Valmar durchquerte. Die Stadt der Valar.

Unermüdlich dirigierte mich die Stimme weiter, mein einziges Bestreben lag darin ihren Anweisungen zu folgen. Auf die Elben, Maiar und Häuser achtete ich nicht. Dann, so plötzlich wie sie erschienen war, verblasste die Stimme, wie ein herbstlich rot gefärbtes Blatt im Winde. 

Abrupt blieb ich stehen. Die Stimme hatte mir niemals etwas antun wollen, sie hatte mich geleitet und an einen Ort gebracht, der mir nicht im geringsten bekannt vorkam. Ich war kein Kaninchen auf dem Weg zum Wolf gewesen, vielmehr war ich eines gewesen, das den Weg nach Hause nicht mehr gefunden hatte. Doch diesen Weg hatte diese mysteriöse Stimme mir gezeigt. Vor mir erstreckte sich ein großer Platz aus Marmor. 

„Das ist der Platz der Valar“, murmelte Fenríns Frau andächtig hinter mir, ich ignorierte sie. Wachen flankierten die kleine Gruppe, die in der Mitte des Platzes Stellung bezogen hatte. Ihre Schwerter und Speere glänzten im Sonnenlicht, spiegelten die Helligkeit wider und hielten die neugierigen Elben auf Abstand. Niemand wagte es sich den Maiar zu nähern, die die Umgebung genauestens im Auge behielten, bereit bei der kleinsten Gefahr die Schwerter zu ziehen.

„Leyla!“, warnte Fenrín leise und wollte nach meinem Handgelenk greifen, doch er bekam es nicht mehr zu fassen. Er gedachte mich zurückzuhalten, aber wozu? Es gab keinen Grund mich von dem aufzuhalten, was ich gedachte zu tun. Sein Haar leuchtete schneeweiß, die reinen Flügel glänzten golden, raschelten im Wind, als er sich andächtig und anmutig zu mir umdrehte. Seine weißblauen Augen leuchteten kurz auf, er lächelte und wollte gerade den Mund weiter öffnen, um mich willkommen zu heißen, da hallte ein lauter Schlag über den gesamten Platz. 

Hey :)

Was ein wenig Motivation doch alles bewirken kann xD

Und ich war wieder einmal in der Stimmung dazu einen kleinen Cliffhanger einzubauen :'D
Leyla schlägt um sich xD wen es wohl getroffen hat?

Eure Laura ^^

Fly with meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt