Kapitel 68

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Gefangen in meinen Fieberträumen wälzte ich mich unruhig im Bett hin und her. Schweiß sammelte sich auf meinem Körper und durchnässte das dünne Laken, welches man über mich gelegt hatte. Ich stöhnte leise im Schlaf und sprach vor mich hin, doch keines meiner Worte ergab für Chris Sinn. Er saß an meinem Lager in Thranduils Gemächern und hielt meine Hand, die sich immer wieder verkrampfte. Besorgt wand er sich von meinem verzerrten Gesicht ab, tauchte ein feuchtes Tuch in kühles Wasser und tupfte damit meine Stirn trocken.

Quietschend öffnete sich die Tür zum abgedunkelten Zimmer. Nur flackerndes Kerzenlicht erhellte die Gesichter aller Anwesenden.
"Wie geht es ihr?", fragte Thranduil, der hinter Chris getreten war und mit sorgenvoller Miene auf mich herabsah.
"Nicht anders als die letzten vier Tage. Das Fieber klingt nicht ab und die Bisswunde." Er schob meinen Ärmel hoch, enthüllte die Stelle, wo die Fledermaus mich gebissen hatte.
"Sie eitert weiterhin und keiner von deinen Ärzten weiß warum sie nicht heilt. Selbst der Vogelmann ist mit seinem Latein am Ende. Niemand weiß was mit ihr los ist. Was war das für ein Wesen? Sie verwandelt sich, was mich an etwas aus unserer Welt erinnert. Vampire", murmelte der junge Mann.
"Vampire? Von solch einer Kreatur habe ich noch nie gehört. Das war eine Fledermaus, für den Kampf und für sonst keinen anderen Zweck gezüchtet. Ich habe sie erkannt. Sie kämpften bereits in den großen Schlachten der alten Zeiten." Thranduil umrundete das Bett, um sich auf meiner anderen Seite auf die Bettkante zu setzen.
"Und wenn sie stirbt? Blutvergiftung, zu hohes Fieber, Tetanus, was weiß ich", seufzte Chris und wischte sich schnell eine Träne von der Wange, die drohte sich in seinem Bart zu verfangen.

"Leyla kann nicht sterben. Nicht so. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit das Leben einer Calwafëa zu beenden. Leider hatte einst jemand davon erfahren und alle ermordet, sodass es zu einem unserer bestgehüteten Geheimnisse wurde. Jedoch...", Eönwë trat aus dem Schatten ins Licht, gefolgt von einer unheilvollen Pause in der er langsam näher kam.
"Jedoch was?", fragte Thranduil besorgt.
"Solange Leyla noch ihre menschliche Gestalt hat, kann sie wie jede Elbin sterben." Eönwë zog ein altes Buch aus seiner Umhängetasche. Ein paar Zettel flatterten heraus.
"In diesem Buch sind alle Krankheiten aufgelistet, die ein Mensch erleiden kann", erklärte er und zog ein Weiteres heraus.
"Und hier alles zu den Kreaturen der Schattenreiche. Aber in keinem steht geschrieben, was mit Leyla gerade passiert."
"Wir können also nur hoffen", murmelte Chris und ließ den Kopf hängen. Eönwë knallte die Bücher auf den Tisch und grummelte laut.
"Ich kann ganze Armeen in die Schlacht führen, aber zwei Schwestern sind zu viel für mich", seufzte der Maia. 


"Sel? Bist du das?", fragend sah ich mich um, als ein leises Rascheln von Stoff an meine empfindlichen Ohren gelang. Umgeben von tiefster Schwärze sah ich die eigenen Hände vor meinen Augen nicht. Es war erdrückend. Diese Dunkelheit. Diese Befangenheit. Dieser Schmerz. Ich konnte nicht mit Gewissheit sagen wo genau ich Schmerzen empfand. Mal war es ein sanftes Pochen in meinem Bein, mal ein schmerzvolles Stechen in der Seite oder ein Brennen, welches sich von meinen Fingerspitzen bis hoch zur Schulter zog.

In der erdrückenden Stille der Dunkelheit hörte ich die Worte ganz genau. Sie begannen leise, wie ein Murmeln und Rauschen des Windes in den Blättern eines Baumes. Doch schnell gewannen sie an Lautstärke und nach nur wenigen zaghaften Schritten in die Ungewissheit, erkannte ich die zarte Stimme sofort.

"Sel? Wo bist du? Ich kann dich hören, aber ich sehe dich nirgendwo. Alles ist so dunkel. I-Ich weiß nicht wo ich bin. Ich erinnere mich noch an Thranduil und Eönwë, dann ist alles schwarz", suchend drehte ich den Kopf hin und her und wartete auf eine Antwort, um die Richtung zu bestimmen, aus der die Stimme kam.
Selena lachte leise, nicht weit von mir. Aber sehen konnte ich sie nicht. Verwirrt drehte ich mich einige Male um meine eigene Achse. Warum kam sie denn nur nicht zu mir, wenn wir so nahe beieinander waren? Warum ließ sie mich im Stich, wenn ich alleine war?
"Selena, was ist mit dir geschehen? Eönwë erzählte, dass du von Fledermäusen angegriffen und dann verschwunden seist", flüsterte ich leise, unruhig, zurückhaltend. Diese Dunkelheit behagte mir nicht. Diese Schmerzen raubten mir den klaren Verstand und trübten meine scharfen Sinne.
"Fledermäuse?", kam es verwirrt aus der Schwärze unweit von mir. Ich fuhr herum, stöhnte aber auch leise auf als der Schmerz mich daran erinnerte, dass ich mich nicht ganz so hastig bewegen konnte und sollte.
"Aber Eönwë wurde von ihnen angegriffen, als er dir folgte und mich ebenfalls. Sie waren mannsgroß", erklärte ich.
"Was für Fledermäuse euch auch immer angegriffen haben, mir sind sie nicht begegnet", Selenas Seufzen drang an meine Ohren.
"Aber natürlich muss Eönwë mir wieder nachfliegen. Was für dich gilt, sollte doch wohl auch für mich gelten. Ich wollte dich besuchen. Wäre er mir nicht hinterhergeflogen, dann wären du und er nicht angegriffen worden."
"Du wolltest mich besuchen? Aber ich bin doch erst vor ein paar Tagen von Valinor aufgebrochen", stutze ich während ich mich langsam um meine eigene Achse drehte. Eigentlich hätten sich meine Augen doch schon längst an die Lichtverhältnissen anpassen müssen. Wenn sie es nicht taten, dann musste es wirklich sehr dunkel um mich herum sein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 29, 2021 ⏰

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