Kapitel 61

77 4 0
                                    

                       

„Ich wollte nicht, dass es so kommt. Aber... ich hab Gefühle für sie. Ich wollte es dir sagen, aber ich wollte unsere Beziehung nicht aufs Spiel setzen. Ich weiß, was du mit mir durchmachen musstest. Ich weiß, dass ich hier der Idiot bin..." - „Und wie glaubst du, wäre das weitergegangen?" - „Das weiß ich nicht... Aber ich wollte ehrlich zu dir sein..." - „Was du aber leider nicht warst... Du kannst deine Sachen morgen Abend bei mir abholen, ich pack sie dir zusammen. Aber auf den Artikel vom Muusikko müsst ihr dann wohl verzichten." Sie sah mich noch kurz an, doch als ich nichts antwortete, steckte sie sich wieder die Kopfhörer in die Ohren und den Rest der Fahrt schwiegen wir. Kurz vor Berlin weckte ich Nancy. „Wir sind gleich da..." Sie streckte sich und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Milena stand auf, nahm ihre Tasche aus der Ablage und schob die Tür auf. „Ich wünsch euch noch viel Spaß", sagte sie und zog die Tür wieder zu.

Wir stiegen aus und Nancy griff nach meiner Hand. „Und? Was machen wir jetzt? Zu mir oder zu dir?", fragte sie und strich mit ihrer freien Hand über meine Brust. „Du, sei mir nicht böse. Aber ich würde heute Abend lieber alleine sein... Ich bring dich noch nach Hause", entgegnete ich und konnte sehen, wie sie den Mund verzog. „Jetzt mach dir doch nicht so einen Kopf. Du kannst doch nichts für deine Gefühle!" - „Nancy, ich hab sie geliebt. Ich liebe sie noch und ich kann das nicht einfach vergessen, als wäre nichts gewesen. Und ich wollte nicht, dass sie es so erfährt..." - „Glaub mir, sie hat sich so etwas eh schon gedacht. Wir Frauen haben für so etwas einen 7. Sinn. Und geh du mal nach Hause, ich schaff das schon. Wir schreiben!", sie küsste mich noch einmal und ging dann Richtung S-Bahn.

Zuhause angekommen ging ich kurz duschen und machte mich dann auf den Weg ins Pumuckl. Ich bestellte mir einen doppelten Martini und kippte in in einem runter. Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter. „Ganz allein hier?", fragte Jeff. Ich nickte und gab dem Barkeeper ein Zeichen für den nächsten Drink. „Isi hat mich auch quasi rausgeworfen. Milena kommt wohl vorbei..." - „Mhm", machte ich und trank auch den zweiten Martini direkt. „Ben, was ist denn passiert?", hakte er nach. „Milena hat sich von mir getrennt, weil ich mit einer anderen geschlafen hab. Ich hab sie angelogen, ihr was vorgemacht und mich verhalten wie das letzte Arschloch. Um es kurz zu halten..." - „Du hast was? Oh nein... das tut mir leid..." - „Es muss dir nicht leid tun. Ich bin ja selbst Schuld dran. Ich fühle mich absolut schrecklich... Gestern war ich noch bei Milena und wir haben miteinander geschlafen, dann hab ich sie allein gelassen, als sie geschlafen hat... und war dann bei Nancy..." Jeff bestellte uns noch einen Drink und wir unterhielten uns eine Weile über mein Problem. „Ich denke, ich sollte nun nach Hause gehen...", sagte ich und stand vom Stuhl auf. Jeff begleitete mich zum Ausgang, wo mir die kalte Dezemberluft wie ein Brett vor den Kopf schlug. „Ich vermisse sie... Es hat mir das Herz zerrissen, sie so niedergeschlagen zu sehen. Ich Idiot begehe den selben Fehler innerhalb von ein paar Wochen... Wieso hab ich das bloß getan?", jetzt kamen auch mir die Tränen, die ich solange versucht hatte, zurückzuhalten. „Aber empfindest du etwas für Nancy?", fragte Jeff, der mich stützte, während wir uns auf den Weg nach Hause machten. „Ich denke schon... Also... ich weiß es nicht. Ich genieße ihre Nähe, ich bekomme eine Gänsehaut, wenn sie mich berührt... Es ist einfach..." - „Neu", brachte Jeff meinen Satz zu Ende und hatte damit Recht. Ich nickte, zog eine Zigarette aus meiner Jackentasche und zündete sie an. „Aber... es ist anders als mit Milena. Es ist viel weniger vertraut, Milena kennt mich, sie kennt nicht nur den Benjamin, der auf der Bühne steht. Der, von dem diese Texte stammen... Ich muss mich bei ihr nicht erklären, ich kann einfach ich sein. Sie... vervollständigt mich..." - „Hast du ihr das gesagt?" - „Ich glaube, momentan ist alles, was ich sage, nicht genug. Ich glaube, ich habe sie verloren..." - „Das glaube ich nicht", mischte sich eine Frauenstimme ein. Wir standen vor Isis und Jeffs Wohnung und Isi stand mit Milena direkt vor mir. Ich senkte den Kopf. „Ben, du musst dich entscheiden, was du willst. Man kann nicht immer haben, was man will. Denn man will immer das, was man nicht hat. So ist es schon als Kind, aber überleg doch mal, was ihr beide schon durchgemacht habt. Was ihr überstanden habt. Ich habe das selbe Gespräch gerade mit Milena geführt. Sicher war das, was du gemacht und ihr angetan hast, eine absolute scheiß Aktion, aber ihr liebt euch doch oder?" Ich schaute zu Milena rüber, doch sie sah mich nicht an. Ich schluckte und nickte. „Aber... ich weiß nicht, ob es nochmal funktionieren kann..." - „Das kann niemand. Vielleicht solltet ihr in Ruhe nochmal miteinander reden, wenn ihr euch beide ein wenig geordnet habt. Dann könnt ihr das alles klären. Aber so wie es jetzt ist, macht ihr euch beide kaputt." - „Danke, Isi... ich mach mich jetzt dann auf den Weg nach Hause... wir reden morgen nochmal, ja?", sagte Milena leise, umarmte Isi und schob sich an mir vorbei. 

Ich atmete einmal tief aus, bedankte mich bei den beiden und lief Milena hinterher. „Auch wenn du mich gerade nicht sehen willst, ich lass dich nicht alleine nach Hause laufen. Du musst auch nicht mit mir sprechen und ich halte auch die Klappe. Aber bitte, lass mich dich nach Hause bringen..."

FotoalbumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt