Kapitel 6

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Ich kam bei meiner Arbeit heute einfach nicht voran. Ich schaute gefühlt alle 5 Sekunden auf mein Handy, obwohl ich wusste, dass ich keine neue Nachricht bekommen hatte. Irgendwann rollte Isi zu mir rüber und schaute mir über die Schulter. Mitleidig sah sie mich an, das spürte ich. "Immernoch keine Nachricht?" Ich schüttelte den Kopf. "Hätte ich ihm bloß nicht sowas geschrieben. Ich wollte doch nicht aufdringlich sein...", murmelte ich. Isi streichelte mir über den Rücken. Ich widmete mich wieder dem Artikel über das neue Album von Jennifer Rostock und ihrer Tour. Denn auch dieser Artikel musste bis morgen fertig sein, damit er mit in die neue Ausgabe einfließen konnte. Das Album war wirklich gut und in Gedanken summte ich den Song 'Schlaflos'.

Was muss passieren, ich bleib ratlos.
Was soll ich tun, du machst mich schlaflos.

Dieser Song passte gerade einfach perfekt auf mich und meine Situation. Plötzlich vibrierte mein Handy. Sofort schaute Isi zu mir rüber und ich lächelte. "Lust auf Abendessen? Nach Feierabend? Soll ich dich abholen? Liebe Grüße, Ben", las ich laut vor. "Na siehst du, du bist ihm nicht egal! Vielleicht hatte er gestern einfach ein paar Bier zuviel und musste sich erst ausschlafen. Wieder mal zu viele Gedanken um nichts gemacht!", sagte Isi lächelnd. Ich freute mich so sehr über diese Nachricht und hatte sofort wieder dieses wohlige Kribbeln im Bauch. Schnell tippte ich: "Klar, gerne! Die Agentur ist in der Grünen Straße 34 und ich sollte so gegen 18.30 Uhr hier fertig sein. Bis später, Milena"
Nun ging es mir eindeutig besser und ich schaffte es, den Artikel fertigzustellen und sogar noch einen nächsten anzufangen. Die Zeit verging ziemlich schnell und schon bald war es 18 Uhr. "Ich geh mich mal schnell frisch machen", rief ich Isi zu und ging zur Bürotür. "Warte!", sagte sie und begann in ihrer Tasche zu kramen. Dann warf sie mir ein kleines Fläschen zu, "nimm ein bisschen hier von, das ist das beste Parfüm überhaupt!" Ich grinste sie an und verschwand ins Bad. Ich frischte mein MakeUp auf, bürstete mir meine langen braunen Haare und sprühte mir schließlich ein wenig Parfüm auf die Handgelenke und an den Hals. Es roch wirklich fantastisch.
Um Punkt 18.30 Uhr stand ich mit Isi draußen vor der Agentur, machte mir eine Zigarette an und hibbelte nervös vom einen aufs andere Bein. Dann schlenderte Ben um die Straßenecke, wow. Er hatte eine enge schwarze Jeans an, trug dazu weiße Nikes und ein rot-schwarz kariertes Hemd. Er lächelte als er uns sah, umarmte mich und gab Isi die Hand. "Schön, dich wiederzusehen, Kleine", sagte er, "können wir los?" Ich verabschiedete mich von Isi, die mich breit angrinste und wir machten uns auf den Weg. Es war ein lauer Sommerabend, die Luft war in den Nachmittagsstunden angenehm abgekühlt und weniger drückend. Wir steuerten auf einen kleinen Park zu. Verwirrt sah ich ihn an. "Ähm... Ich dachte wir wollen was essen gehen." Er blickte mich lächelnd an: "Tun wir auch. Warte einfach ab." Wir liefen noch ein Stück durch den Park bis zu einem kleinen See. Dort sah ich dann seine Überraschung. Auf einer Picknickdecke stand ein Korb, neben zwei Tellern und zwei Weingläsern. "Wow", dachte ich, "sowas hat noch niemand für mich gemacht!"
Wir ließen uns auf der Decke nieder und er packte den Korb aus. Er legte Weintrauben, zwei Baguettes und diverse Dips neben den Korb, öffnete den Wein und schenkte uns beiden ein. Er sah mich an und reichte mir ein Glas. "Auf dich, auf uns und einen schönen Abend!", sagte er mit seiner wunderschönen rauen Stimme und wir stießen an. Wir unterhielten uns wunderbar, als würden wir uns schon jahrelang kennen. Er erzählte mir ein paar Geschichten zu seinen Tattoos und ich von meinen bisher verrücktesten Konzerten, auf denen ich fotografiert hatte. Ich fühlte mich so wohl in seiner Anwesenheit. Ich wollte, dass dieser Abend niemals endete. Nach ein paar Gläsern Wein nahm er ein paar Weintrauben und schaute mich an. Ich öffnete meinen Mund und er steckte mir eine Traube in den Mund. "Hm, süß", schmatzte ich, "und sogar ohne Kerne!" Er legte seinen Arm um mich und zog mich ein Stück näher an ihn. "Du riechst gut!" flüsterte er in mein Ohr und ein warmer Schauer lief mir über den Rücken. Ich schmiegte mich an seine Schulter und schaute über den See, in dem sich die untergehende Sonne spiegelte. "Es ist wunderschön hier. Tausend Mal besser als in irgendeinem Restaurant...", säuselte ich, "und besser als in einem Dönerladen", fügte er grinsend hinzu.
Plötzlich zerstörte ein Handyklingeln diesen perfekten Moment und Ben nahm den Arm von mir. "Entschuldige mich bitte kurz, ich muss da eben rangehen." Er stand auf und ging ein paar Schritte von mir weg. Ich schaute weiter auf den See, konnte jedoch ein paar Fetzen des Gesprächs aufschnappen. "Ich hab dir gesagt, dass ich nachdenken muss!" und "ich kann das nicht. Nicht so. Lass mir bitte Zeit. Ich melde mich bei dir." Ich hörte, wie sich seine Schritte wieder nährten und im nächsten Moment saß er wieder neben mir. Er sah nachdenklich aus. "Ist alles okay?", fragte ich leise. "Mhm", seufzte er, "war nicht so wichtig." Er starrte auf den See, ich merkte doch, dass etwas nicht stimmt. Ich schaute auf mein Handy. 22.47 Uhr. "Ich glaube, ich sollte langsam nach Hause. Die letzte Nacht war ziemlich kurz...", durchbrach ich die Stille. Er sah mich traurig an. "Na gut... Ich bring dich noch nach Hause, ja?" Er packte die Sachen zusammen, nahm die zweite angebrochene Weinflasche in die andere Hand und wir liefen los. Auf dem Weg nach Hause leerte sich die Flasche Wein und als wir vor meiner Haustür angekommen waren, nahm ich all meinen Mut zusammen und küsste ihn.

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