Kapitel 64

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"Du hast nicht ernsthaft mit ihm geschlafen, Milli...", entsetzt schaute sie mich an und ich blickte zu Boden. Sie seufzte. "Wir gehen jetzt, bevor du noch mehr Unsinn anstellst. Komm..." Sie reichte mir ihre Hand und als wir uns auf den Weg zum Ausgang machten, versuchte ich Ben in der Menge zu entdecken, doch es gelang mir nicht. Vielleicht war er noch oben auf der Terrasse, vielleicht war er aber auch schon weg. "Tschüß Beat, war ein schöner Abend!", verabschiedete ich mich, doch er bat mich noch zu einem kurzen Gespräch zur Seite. "Rufst du uns schon mal ein Taxi?", rief ich Isi zu, sie nickte und kramte ihr Handy aus der Tasche. "Ich will dir nicht zu nah treten, Milena, dafür kennen wir uns auch gar nicht gut genug... Aber bitte lass dich von Benjamin nicht ausnutzen. Ich weiß, dass ihr nicht mehr zusammen seid und ich weiß auch, dass es ihm damit nicht gut geht, doch hat er sich da jetzt auf etwas eingelassen, wozu er stehen muss. Er kann nicht beides haben, nicht dich und Nancy. Bitte, lass das nicht mit dir machen, am Ende verletzt er dich nur wieder... Du bist eine hübsche junge Frau, so etwas hast du nicht verdient und Benjamin sollte sowas wirklich nicht abziehen... Tut mir leid, dass ich dich aufgehalten habe, ich dachte nur, dass ich das loswerden sollte..."

Beat hatte quasi ein Selbstgespräch geführt. Ich hatte zwar zugehört, doch konnte nichts sagen. Mein Kopf begann zu arbeiten. Worauf hatte ich mich da eben eigentlich eingelassen? Ich wollte Ben wieder nah sein, weil ich ihn noch liebte, sehr sogar. Mein Herz wollte nicht akzeptieren, dass es ein 'wir' nicht mehr gab. Mein Kopf hielt stark dagegen, mich nicht benutzen zu lassen. Ben musste sich entscheiden und vermutlich würde mir die Entscheidung nicht gefallen. Ich ging rüber zu Isi, sie schaute mich abwartend an. "Beat wollte mir nur den Rat geben, mich wohl besser von Ben fernzuhalten und das nicht mit mir machen zu lassen... Vermutlich hat er recht, aber ich liebe ihn... Es fällt mir schwer, in seiner Nähe zu sein, ihn nicht zu berühren, ihn nicht zu küssen, ihm nicht nah sein zu können..." Mir stiegen wieder Tränen in die Augen. "Ich verstehe dich ja. Aber ist es dir das wert? Dass er dich immer und immer wieder verletzt, weil es für ihn jetzt eine andere Frau in seinem Leben gibt? Ihr müsst beide damit klar kommen, dass das zwischen euch nicht mehr funktioniert. Dass ihr ohne einander auskommen müsst..." Ich nickte schwach und schaute aus dem Fenster in die Nacht.

Als ich Zuhause war, zog ich mein Kleid aus, ging duschen und kuschelte mich ins Bett. Ich nahm mein Handy, doch ich hatte keine Nachricht. "Vermutlich ist eh Nancy bei ihm...", dachte ich zu mir selbst, öffnete unseren Chatverlauf und begann zu tippen. "Ich glaube, so kann es zwischen uns nicht weitergehen. Ich liebe dich so sehr, Ben, so sehr, dass es weh tut. So sehr, dass ich dir vermutlich alles vergeben würde. So sehr, dass ich mir nichts mehr wünsche, als dass du jetzt bei mir wärst, mir übers Haar streichst und ich morgen früh neben dir aufwache. Aber das geht nicht, weil du dich für jemanden anderen entschieden hast. Ich kann das nicht, ich kann und will dich nicht mit jemandem teilen. Ich will nicht nur die zweite Wahl sein. Auch wenn es mir mein Herz bricht, wir sollten einen Schlussstrich ziehen... Ich wünsche dir nur das beste für deine Zukunft, aber ich glaube, wir werden getrennte Wege gehen müssen. Ich liebe dich, vermutlich werde ich das für immer tun... Milena" ich las mir den Text noch mehrmals durch, bevor ich ihn tatsächlich absendete. Sofort legte ich das Handy zur Seite, stand auf, zog mir nochmal einen Pulli und meine Jogginghose über und wollte mein Schlafzimmer verlassen, als ich doch wieder zum Nachttisch rannte und mir mein Handy schnappte. Er hatte die Nachricht noch nicht gelesen, vermutlich war er wirklich mit etwas anderem beschäftigt. Ich zündete mir meine Zigarette an und ließ den Tränen freien Lauf. Plötzlich färbten sich die beiden Haken blau und sein Status änderte sich erst zu online und dann zu "schreibt..." Ich starrte das Display an, doch es passierte nichts. Online und dann "zul. online heute um um 00:17". Okay... Keine Antwort ist auch eine Antwort, dachte ich mir, doch merkte, wie mein Herz einen gewaltigen Schlag abbekam. Dass ihm die ganze Sache so egal war, hätte ich nicht gedacht.

Doch plötzlich vibrierte mein Handy und er rief mich an. Zitternd drückte ich den grünen Hörer. "Hallo?", fragte ich leise. "Bist du zuhause?" - "Ja... Ben, es ist mitten in der Nacht, wo sollte ich denn sonst sein?" - "Okay, ich bin in 5 Minuten bei dir." Dann hatte er aufgelegt. Ich rauchte meine Zigarette zu Ende und ging unruhig im Flur auf und ab. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Ich wusste nur, dass ich verdammt nervös war und vermutlich nicht die Kraft hatte, auf meinem eben noch vertretenden Standpunkt zu bleiben. Im nächsten Augenblick klingelte es, sofort drücke ich den Summer und lief hinaus in den Hausflur. Als Ben oben angekommen war, zog er mich sofort an sich und streichelte mir über den Rücken. Wir setzten uns im Wohnzimmer auf die Couch und Ben sah mich an. Ich hielt seinem Blick nicht stand. "Mir ist heute Abend klar geworden, dass ich dich will, Milena. Nur dich. Ich will mit dir zusammen sein, ich will nicht nur den Sex mit dir. Ich will die Höhen, die Tiefen. All das Auf und Ab, deine Nähe, deine herzliche Art. Ich möchte noch ein paar Jahre, vielleicht auch länger, auf bunten Fotos in deinem Fotoalbum zu finden sein. Als deine Nachricht kam, bin ich sofort los hier her. Ich weiß, dass ich dich sehr verletzt habe, ich kann mir aber nicht ansatzweise vorstellen, wie sehr... Ich kann das nicht einfach so wieder gut machen, auch das weiß ich. Aber ich möchte mir dir zusammen sein... Dich wieder glücklich machen..." - "War sie bei dir?", fragte ich leise. "Wie bitte?" - "Ob Nancy gerade bei dir war... Als ich dir geschrieben habe..." - "Nein. Ich war noch auf der Party..." - "Wie soll das denn nun weitergehen? Ben, ich versteh dich nicht... Nancy liebt dich, sie hat dich Schatz genannt, wie sie dich angeschaut hat... Wie ihr miteinander umgegangen seid... Selbst ich, und ich habe euch nur die Zugfahrt über beobachtet, habe gemerkt, dass da längst mehr zwischen euch ist, als nur eine Affäre oder eine Liebelei..." Ben blickte zu Boden. "Da magst du Recht haben. Es ist vermutlich auch mehr, zumindest von ihrer Seite aus. Aber bei ihr fühle ich mich nicht so geborgen wie bei dir. Bei dir kann ich mich fallen lassen, sein wie ich wirklich bin..." - "Vielleicht liegt es einfach daran, dass du sie noch nicht so lange kennst wie mich. Aber wie stellst du dir das vor? Ich muss jetzt schon ständig an Nancy und dich denken. Plötzlich, nachdem du mit dem Rücken an der Wand stehst, tauchst du wieder auf und willst alles gerade biegen. Wenn du hier fertig bist, gehst du wieder zu ihr oder sie kommt zu dir..." Ben schaute mich an, sein Mund ging auf, er überlegte, doch schloss ihn wieder. Er wusste, dass ich Recht hatte.

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