Kapitel 69

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„Ich dachte, du willst dieses Wochenende zu deinen Eltern!" Leon grinste mich an. „Ja, wollte ich. Aber ich fahr erst morgen früh, darf ich mich setzen?" Ich blickte mich kurz nach Ben um, da ich ihn aber nicht sehen konnte, nickte ich. Wir unterhielten uns eine Weile, Leon holte uns noch ein Bier und ich musste zugeben, dass ich ihn, entgegen meiner anfänglichen Skepsis, ganz sympathisch fand. „Wie war das Konzert? Hast du gute Bilder machen können?" - „Oh, es war wundervoll. Der Club war ganz klein und ich stand direkt zwischen den Fans. Die Atmosphäre war unglaublich!" Ich packte meine Kamera aus und setzte mich neben ihn, um ihm ein paar Fotos zu zeigen. Vollkommen ins Gespräch versunken, merkte ich nicht, dass Ben wiedergekommen war. „Hi", sagte er zögernd und riss uns aus unserer Unterhaltung. Leon stand auf und reichte Ben die Hand. „Hey, ich bin Leon. Ich mach gerade ein Praktikum beim Muusikko, moment, bist du nicht..." - „Casper, ja. Aber nenn mich Ben", antwortete er knapp und musterte mich. Wieder diese angespannte Stimmung. „Na gut, war schön, dich kennenzulernen! Wir sehen uns am Montag, Milena, bis dann!", er umarmte mich noch kurz und machte sich dann auf den Weg. „Was ist dein Problem?", fragte ich bissiger als gewollt. „Ich hab kein Problem. Ich wollte euch nicht bei eurem Gespräch stören." - „Ach...", schnaubte ich, doch schluckte meinen Ärger dann schnell runter, „lass uns nicht streiten. Leon ist nur ein Bekannter, wir waren einmal ein Bier miteinander trinken und ich mag ihn. Nicht mehr und nicht weniger." Ben schaute mich lange an, nickte dann aber nur kurz. „Ich habe euch neulich schon zusammen gesehen, als ich mit Timur etwas trinken war...Tut mir leid... auch dass ich dich so lang hab hier warten lassen..." - Ich ignorierte, dass er das Thema Leon nicht ruhen lassen wollte, „Ist schon okay. Das muss auch geklärt werden und wenn ihr noch etwas auf dem Herzen lag... Ich kann sie ja auch verstehen, für sie ist das sicher nicht leicht... Wollen wir los?" - „Wohin denn?", fragte er und ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht. Genau das hatte ich so vermisst. „Wollen wir... noch zu dir oder zu mir?", bei dieser Frage musste auch ich grinsen, aber ich wollte weder, dass der Abend jetzt endete noch weiter durch den Regen laufen. „Lass uns zu mir gehen, ich mach uns einen Tee und dann...", er stockte kurz, „schauen wir weiter."

Er griff wieder nach meiner Hand und wir liefen durch den Regen, der immer stärker wurde, so dass wir völlig durchnässt vor Bens Haustür ankamen. „Ich geb dir ein paar trockene Sachen von mir, ja? Sonst erkältest du dich noch...", meinte er, während er seinen Schrank öffnete. Ich nickte stumm und nahm die Sachen entgegen. Überlegend blieb ich stehen. Sollte ich mich jetzt einfach hier umziehen? Es wäre irgendwie dumm, dafür ins Bad zu gehen, aber auf der anderen Seite schien es mir vernünftiger zu sein. „Na gut, ich geh mich dann mal eben umziehen...", flüsterte ich und verließ das Zimmer. 

BENS SICHT

Verwundert blieb ich vor meinem Schrank stehen. Sie mochte sich nicht hier vor mir umziehen? Ich schüttelte den Gedanken weg, zog mir schnell neue Klamotten an und hatte dann eine Idee. Kerzen, irgendwo mussten wir doch noch Kerzen haben. Ich huschte aus dem Zimmer und durchwühlte die Schubladen im Wohnzimmer. Tatsächlich konnte ich eine Tüte mit Teelichtern finden, welche ich wenig später in meinem Zimmer verteilt hatte. Sie erhellten den Raum, nachdem ich das Licht ausgeschaltet hatte. „Romantisch, romantisch", sagte ich zu mir selbst und wusste nicht, was ich mir von dieser Aktion überhaupt versprach. Ich wirbelte herum, als sich die Zimmertür öffnete und Milena im Türrahmen stehen blieb. Sie ließ ihren Blick durchs Zimmer streifen und blieb schließlich an mir hängen. Und da war es, nur ganz leicht, aber da war ein Lächeln auf ihren Lippen. „Ich.. ich dachte, so ist es gemütlicher... Möchtest du einen Tee?", stammelte ich. „Gern, einen Früchtetee, wenn du hast!" Sie setzte sich auf meine Couch und suchte dann nach ihrem Handy. 

Als ich gerade in der Küche war und das Teewasser aufsetzte, hörte ich, wie sich die Wohnungstür öffnete. „Hey Ben, ich wusste nicht, dass du zuhause bist, sonst hätte ich dir auch was zu Essen mitgebracht!", Christian legte einen Pizzakarton auf den Küchentisch. „Alles gut", gab ich zurück, „Milena ist da..." - „Oh, okay. Dann will ich euch nicht weiter stören, viel Erfolg!" Er nickte mir aufbauend zu, schnappte sich seine Pizza und verließ die Küche wieder. Mit den beiden Tassen Tee ging ich zurück in mein Zimmer, Milena hatte sich in eine der Decken eingehüllt und las scheinbar irgendetwas auf ihrem Handy. „Hier", sagte ich und gab ihr den Tee, „aber Achtung, der ist noch heiß" - „Danke", sie schaute nur kurz von ihrem Handy auf und tippte dann weiter. „Alles in Ordnung?", fragte ich nach einer Weile vorsichtig nach. „Oh, ja. Sorry, ich musste nur kurz einen Artikel lesen, den Leon geschrieben hat... Wollen wir vielleicht noch einen Film schauen?" Schon wieder dieser Kerl. Ich hatte kein Recht darauf, eifersüchtig zu sein, doch mir gefiel es nicht, dass sie mit ihm schrieb. Nicht, wenn sie bei mir war.

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